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Streitbare Frauenikone: Ist Alice Schwarzer eine Putinversteherin?


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Streitbare Frauenikone
Ist Alice Schwarzer eine Putinversteherin?


Aktualisiert am 02.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Alice Schwarzer: Mit einem offenen Brief an den Bundeskanzler haben die Feministin und andere Prominente für Kritik gesorgt.Vergrößern des Bildes
Alice Schwarzer: Mit einem offenen Brief an den Bundeskanzler haben die Feministin und andere Prominente für Kritik gesorgt. (Quelle: IMAGO / Alexander Pohl)

Alice Schwarzer forderte mit anderen Prominenten den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine. Es ist nicht das erste Mal, dass das Ansehen der Feministin einen Knacks bekommt.

Alice Schwarzer gilt als Ikone des Feminismus. Als solche mischt sie sich immer wieder in aktuelle politische Diskurse ein. Nun ließ sie mit der Veröffentlichung eines offenen Briefes an Olaf Scholz aufhorchen, in dem sie und andere Prominente fordern, dass keine weiteren Waffen an die Ukraine geliefert werden sollen. Die Forderung auf einen Verzicht von schweren Waffenlieferungen ist umstritten und hat viel Widerspruch hervorgerufen. Der Brief passt jedoch zu Alice Schwarzer. Maßgeblich ist für sie nicht, was andere denken, sondern was sie selbst denkt. Dennoch sind ihre Positionen zu Wladimir Putin mindestens fragwürdig.

Alice Schwarzer wird am 3. Dezember 1942 in Wuppertal geboren. Als uneheliches Kind wächst sie bei den Großeltern auf. Auf ihre Schulzeit folgt zunächst eine kaufmännische Lehre. Ihre journalistische Karriere beginnt Schwarzer im 1966 mit einem Volontariat bei den Düsseldorfer Nachrichten.

Prägender Aufenthalt in Paris

Nachdem sie sich bereits 1964 und 1965 dort aufgehalten hatte, zieht es Schwarzer 1969 als Korrespondentin wieder nach Paris. Der dortige Aufenthalt wird für sie prägend. Sie freundet sich mit der französischen Schriftstellerin, Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir und dem Philosophen und Publizisten Jean-Paul Sartre an. Ebenfalls in Frankreich wird sie Teil einer der ersten feministischen Gruppen der französischen Frauenbewegung, der MLF.

Für besondere Aufregung sorgt eine Veröffentlichung im französischen Wochenmagazin "Le Nouvel Observateur": Insgesamt 343 Frauen, darunter Prominente wie de Beauvoir und Schauspielerin Catherine Deneuve erklären, eine Abtreibung vorgenommen zu haben. Sie machen auf die Gefahren aufmerksam, der sich Frauen aussetzen müssen, da die Abtreibung zu dem Zeitpunkt noch gesetzlich verboten ist und stoßen eine öffentliche Debatte über die Legalisierung an. Schwarzer selbst exportiert die Idee nach Deutschland. Am 6. Juni 1971 wird im Stern die Titelgeschichte "Wir haben abgetrieben!" unter Beteiligung von 374 Frauen veröffentlicht. Im Herbst 1978 erscheint ihr erstes Buch mit dem Titel "Frauen gegen § 218".

Bereits 1973 folgt das zweite Buch. In "Frauenarbeit – Frauenbefreiung" kommt Schwarzer zu dem Schluss, dass die Berufstätigkeit der Frau Voraussetzung für die Gleichberechtigung ist. Zu dem Zeitpunkt brauche Frauen noch die Erlaubnis ihrer Ehemänner, um arbeiten gehen zu dürfen. Ihre Berufstätigkeit darf dabei ihre "familiären Pflichten" nicht verletzen.

Seit 45 Jahren Herausgeberin der "Emma"

Am 26. Januar 1977 erscheint schließlich die erste Ausgabe der "Emma", deren Verlegerin und Chefredakteurin Schwarzer seither ist. Im Sommer desselben Jahres feiert die Frauenbewegung einen großen Erfolg: Am 1. Juli wird ein neues Eherecht eingeführt, dieses besagt, dass Frauen fortan nicht mehr zur Haushaltsführung verpflichtet sind, sondern die Eheleute die "Haushaltsführung einvernehmlich regeln müssen". Frauen bekommen das Recht auf Berufstätigkeit, während Männer auf "familiäre Verpflichtungen" Rücksicht nehmen müssen. Schwarzer gilt zu diesem Zeitpunkt bereits als bekannteste Persönlichkeit der Frauenbewegung und Feministin Nummer Eins in Deutschland.

Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung

Brüche bekommt das Bild Schwarzers als moralische Instanz 2014. Durch einen Bericht des "Spiegel" kommt heraus, dass sie Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung gestellt hat. Seit den Achtzigern hatte sie erhebliche Summen Geld auf einem Schweizer Konto gelagert und nicht beim deutschen Fiskus angegeben. Erst nach vermehrten Medienberichten über den Ankauf von Steuer-CDs meldet die Feministin das Konto – und muss dafür insgesamt etwa 200.000 Euro an Steuern nachzahlen. In ihrem Blog räumt Schwarzer das Vergehen ein und entschuldigt sich: "Das Konto war ein Fehler. Den bedauere ich von ganzem Herzen."

Gleichzeitig bezeichnet sie die Berichterstattung über die Selbstanzeige als "Denunzierung" und begründet ihr Vorgehen mit einer politischen Verfolgungsjagd auf sie: "Ich habe in Deutschland versteuerte Einnahmen darauf eingezahlt in einer Zeit, in der die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen." Auf die Begründung folgt heftige Kritik.

"taz" nennt Schwarzer eine "Rechtsfeministin"

Für Kritik sorgt auch immer wieder Schwarzers Position zum Islam und speziell ihre Forderung, das Kopftuch in öffentlichen Räumen wie der Schule zu verbieten. Für sie ist das Kopftuch "das Symbol, die Fahne des Feldzuges der Gotteskrieger", schreibt Schwarzer in einem Blogeintrag unter dem Titel "Die falsche Toleranz". "Am Kampf für das Kopftuch sind sie zu erkennen: die Islamisten und ihre, bestenfalls, naiven FreundInnen", kommentiert sie.

Das Kopftuch sei keine religiöse Sitte oder Privatsache, sondern ein Politikum. Es sei "die Flagge des islamischen Kreuzzuges". Kritik daran werde in Deutschland aus einer falschen Toleranz heraus abgetan. Die Vorfälle in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln, bei denen zahlreiche Frauen sexuell belästigt wurden, bezeichnet Schwarzer in dem Zusammenhang als politische Machtdemonstration der Islamisten. Auch wenn Schwarzer in ihrer Argumentation stets klar zwischen Moslems und Islamisten unterscheidet, bringen ihr solche Äußerungen scharfe Kritik ein. Die "taz" bezeichnet sie unter anderem als "Rechtsfeministin".

Auch in Bezug auf Russland und Putin ist Schwarzers kritisierte Position keinesfalls neu. Bereits nach der Annexion der Krim im Februar 2014 ergreift die Feministin öffentlich Partei für Putin. In einem Blogeintrag mit dem Titel "Warum ich trotz allem Putin verstehe!" teilt Schwarzer gegen die westliche Politik und die Medien aus.

Sie beklagt darin "eine beispiellose Verdrehung der Tatsachen". Während Putin und Russland dämonisiert würden, sei es der Westen gewesen, der "unaufhaltsam Richtung Osten drängte – und weiter drängt", schreibt sie. Der "Geburtsfehler des Ukraine-Konflikts" sei es gewesen, die Ukraine vor die Wahl zwischen EU oder Russland zu stellen. "Denn die Ukraine ist ein Brückenland, neigt halb zum Westen, halb zum Osten und genau das hätte sie auch bleiben sollen", so Schwarzer. Stattdessen befinde sich das Land in einer Zerreißprobe, für die neben Putin auch der Westen verantwortlich sei.

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Die damaligen Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew bezeichnet Schwarzer in dem Beitrag als "extrem durchwachsen (von aufrecht empört bis nationalistisch bzw. faschistoid)". Den westlichen Medien wirf sie vor "in ihrer Herablassung Russland gegenüber und der Schuldverteilung – guter Westen, böser Osten – quasi gleichgeschaltet" zu sein.

Schwarzer 2014: Westen sollte mit Russland verhandeln

Zudem übernimmt sie die Argumente, die in Anbetracht des Krieges in der Ukraine gerne von den Verteidigern Putins benutzt werden: Die Nato habe Russland in den Neunzigern versprochen, sich nicht nach Osten zu erweitern und es trotzdem getan, sodass Russland bedrängt werde. "In den Nachbarländern Polen und Tschechien sind amerikanische Raketen stationiert. Würde die Ukraine Teil der EU, stünde die NATO direkt an der russischen Grenze", so Schwarzer damals. Der Westen sei gut beraten, mit Russland zu verhandeln. "Statt Sanktionen wären Verhandlungen angesagt, statt Großmachtsprüche aus Washington Telefonate auf Augenhöhe zwischen Berlin und Moskau", schreibt sie.

Mit ihrem nun veröffentlichten Brief, indem Schwarzer und weitere Prominente einen "Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können" fordern, löst sie die nächste Kontroverse aus.

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