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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutsche Tennis-Sensation Nach dem Matchball bekommt sie unmoralische Angebote
Das Tennismärchen für Eva Lys geht weiter. Als Lucky Loser zieht die Deutsche völlig überraschend in die dritte Runde ein. Das brachte ihr sogleich eine Menge Zuneigung ein.
Nach dem Matchball sank Eva Lys zu Boden auf Court Nummer sechs bei den Australian Open. Sie konnte es wohl selbst nicht glauben, was da gerade passiert war. Die 23-Jährige, vor dem Turnier an Platz 126 der Damen-Weltrangliste gerankt, hatte nach einem zähen und knappen Match gegen Varvara Gracheva aus Frankreich mit 6:2, 3:6, 6:4 gewonnen.
Von den Rängen gab es danach unmoralische Angebote. Eine Gruppe Fans stimmte einen leicht abgewandelten Tribünenschlager an: "Hey Eva, i wanna know, if you'd be my girl" (Hey Eva, ich will wissen, ob du meine Freundin werden willst."). Lys winkte ins Publikum, gab bereitwillig Autogramme und schoss Selfies mit den Zuschauern.
Wie außergewöhnlich dieser Sieg war, zeigten nicht nur die Reaktionen der Fans und die ihrer glücklichen Familie, die sie bei dem Grand-Slam-Turnier begleitet, und vor Freude strahlte. Auch Bundestrainer Torben Beltz ballte die Faust und jubelte. Der 48-Jährige war erleichtert, dass nach dem Aus von Tatjana Maria und Jule Niemeier am Donnerstag ausgerechnet Lys (mehr zu ihrem Blitzstart bei den Australian Open lesen Sie hier) die Fahne des deutschen Damentennis weiter hochhält – zusammen mit Laura Siegemund, deren Spiel gegen die Russin Anastassija Pawljutschenkowa am Freitag stattfindet.
Als Lucky Loser in die dritte Runde
Dabei hatte Lys sich erst als Lucky Loser für die Hauptrunde qualifiziert und dabei von dem Rückzug einer anderen Spielerin profitiert. Die Tickets nach Deutschland waren schon gebucht, doch fünfzehn Minuten vor dem Erstrundenmatch erfuhr Lys, dass sie spielen durfte. Vollkommen unvorbereitet kam sie auf den Platz – und gewann. Nun meisterte sie auch die Hürde Gracheva.
Das Duell war phasenweise von vielen leichten Fehlern geprägt, beide Spielerinnen suchten häufig nach ihrem Aufschlagspiel, leisteten sich mehrere Ungenauigkeiten. Doch Lys hielt in bemerkenswerter Manier die Nerven. Sie ließ sich zu keinem Zeitpunkt aus der Ruhe bringen, während die Französin immer wieder mit sich haderte.
Die in der Ukraine geborene und in Hamburg aufgewachsene Lys blieb hingegen cool. Ihre Körpersprache verriet, dass sie zu stets an sich glaubte. Das zahlte sich aus. Gleich den ersten Matchball, der sich ihr bot, verwandelte sie. Der letzte Ballwechsel war symptomatisch: Nach einem langen Grundlinienduell, bei dem Lys die Schläge ihrer Gegnerin immer wieder returnierte, starker Beinarbeit zeigte und anscheinend unbeeindruckt blieb, schlug Gracheva den ins Aus.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Lucky Loser die dritte Runde erreicht. Lys hat es geschafft, dabei war ihr Vater und Trainer schon vorzeitig abgereist – er war davon ausgegangen, dass seine Tochter es nicht ins Hauptfeld schaffen würde. Bundestrainer Beltz trainiert die junge Deutsche während des Turniers in Vertretung. Und dann war da ja noch die Unterstützung ihrer tennisverrückten Familie: Lys' Mutter und ihre jüngere Schwester nahmen sie nach dem fulminanten Sieg in die Arme. Am Samstag trifft die 23-Jährige entweder auf die Italienerin Lucia Bronzetti oder Jaqueline Cristian (Rumänien).
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Mit Material der Nachrichtenagentur SID