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Tabuthema Menstruation im Leitungssport


Tabu im Leistungssport
Immer mehr Frauen brechen ihr Schweigen


Aktualisiert am 20.06.2023Lesedauer: 6 Min.
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Mikaela Shiffrin, Iga Świątek und Emma Hinze (v.l.n.r.): Alle drei Sportlerinnen haben öffentlich über die Menstruation gesprochen.

Lange war die Menstruation im Leistungssport ein Tabuthema. Doch inzwischen melden sich immer mehr Sportlerinnen zu Wort. Verändert sich da gerade etwas in der Branche?

Sie üben unterschiedliche Sportarten aus und sind doch in einer Sache vereint. Sowohl die erfolgreiche Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin, die weltbeste Tennisspielerin Iga Świątek und die sechsfache Bahnradweltmeisterin Emma Hinze haben zuletzt offen über die Menstruation gesprochen. Ein Thema, das jede Frau weltweit betrifft und dennoch und vor allem im Leistungssport selten angesprochen wird.

Als t-online vor zwei Jahren erstmals eine große Recherche darüber veröffentlichte (Sie können diese hier nachlesen), war es Emma Hinze, die erzählte: "Manche Trainer tun so, als wäre das ein Thema, worüber man nicht offen reden kann. Wenn man das Gefühl bekommt, ist das schade. Es hängt so viel vom Körper ab." Tatsächlich war das Thema Menstruation im Leistungssport weitgehend tabuisiert.

Seitdem haben mehrere Sportlerinnen ihre persönlichen Erfahrungen öffentlich gemacht und auch über die Beeinflussung durch den Zyklus in Wettkampfphasen gesprochen. Ändert sich also gerade etwas in der Branche?

Den Eindruck könnte man gewinnen. Kurz vor der startenden Fußballweltmeisterschaft der Frauen im Juli hat gerade das Team von Martina Voss-Tecklenburg die Tampon-Marke "o.b." als Sponsor gewonnen. Die Bundestrainerin hofft, "mit dieser Partnerschaft" zur Enttabuisierung der weiblichen Periode im Leistungssport beizutragen, heißt es in einer Pressemitteilung. In den sozialen Medien gibt es dafür sogar einen Hashtag: #LetsTalkPeriods.

Es wirkt fast wie eine Bewegung. Sportlerinnen sprechen inzwischen schon beiläufig im Gespräch über ihre Leistung von ihrer Periode, so etwa Rennfahrerin Shiffrin nach einem Sieg im Riesenslalom im Januar im ORF: "Nach gestern war ich ziemlich müde, ich habe gerade nicht den besten Moment in meinem monatlichen Zyklus."

"Es wird nun mehr und offener darüber gesprochen"

Und die Tennisspielerin Świątek kommentierte bei den French Open im vergangenen Jahr verständnisvoll eine Äußerung ihrer 19-jährigen Konkurrentin Zheng Qinwen zu Menstruationsbeschwerden: "Zu Beginn der Laufbahn ist es manchmal sehr schwierig, das richtig zu managen."

Auch Emma Hinze hat inzwischen eine Veränderung festgestellt: "Es wird mehr und auch offener darüber gesprochen, sowohl unter den Sportlerinnen als auch mit den Trainern", sagt sie t-online. Die 25-jährige Bahnradsportlerin, die im Februar Europameisterin im Zeitfahren wurde, erzählt zudem: "Bei der Deutschen Meisterschaft im letzten Jahr gab es zum Beispiel Tampons und Binden auf den Toiletten, die für alle zur Verfügung standen, was ich super cool fand." Inzwischen gebe es sogar Vorträge in ihrem Verband über die Periode im Sport, berichtet Hinze: "Es wird also mehr thematisiert."

Dennoch ist das Thema längst nicht in jeder Sportart gleich präsent. Während es im Bahnradsport laut Hinze positive Veränderungen gibt, fängt die Auseinandersetzung im Deutschen Handballbund erst an. Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch erklärt im Gespräch mit t-online: "Es ist eine Sache, die in der Entwicklung ist." Im Trainerteam hätten sie bereits darüber gesprochen und hielten es grundsätzlich im Bereich Athletiktraining für "unkompliziert umsetzbar."

Doch noch sei die enge Termintaktung im Handball ähnlich wie im Fußball oft ein Problem: "Man hat den Druck des Spielplans und wenn man international unterwegs ist, vielleicht zwei Trainingseinheiten, in denen bestimmte Dinge einfach gemacht werden müssen." Daher lasse sich das Thema nur Stück für Stück integrieren. "Es ist alles im Aufbau", sagt Gaugisch.

Die Uefa hat sich der Thematik angenommen

Ähnliches ist von der DFB-Akademie zu hören, die sich um die Weiterentwicklung des Fußballs kümmert. Schon vor zwei Jahren erzählte Kommunikationsleiter Peter Scheffler t-online, dass der weibliche Zyklus in der Trainerausbildung fest in den neuen Ausbildungsinhalten eingeplant und zukünftig in allen relevanten Ausbildungsmaßnahmen berücksichtigt werde.

Doch allzu viel hat sich in der Zwischenzeit offenbar nicht getan, wie Scheffler nun auf Nachfrage von t-online zugibt: "Die Uefa hat sich als übergeordnete Instanz der Thematik angenommen und den Nationalverbänden für alle Ebenen der Trainerausbildung entsprechende Inhalte zur Verfügung gestellt." Erst in diesem April hätten sie die Lehrpläne von der Uefa erhalten. "Aktuell läuft der Einarbeitungsprozess in die verschiedenen Trainerausbildungen."

Ein Problem ist dabei auch, dass vielfach noch Wissen fehlt. Patrick Diel, Professor für Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln, forscht seit 20 Jahren zu dem Einfluss der Menstruation auf den Leistungssport und sagt: "Es ist nicht so, dass wir eine Flut von wissenschaftlichen Erkenntnissen hätten." Allerdings rücke das Thema zunehmend in den Fokus, etwa bei der Forschungsförderung beim Bundesinstitut für Sportwissenschaften.

"Frauen sind keine kleinen Männer"

Tatsächlich hat das Bundesinstitut hierzu einen Forschungsschwerpunkt ausgelobt. Für Jana Strahler, Professorin für Sportpsychologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, ist jedoch klar, dass das erst der Anfang sein kann: "Es geht noch viel mehr. Frauen sind keine kleinen Männer. Wir müssen zusätzlich und frauenspezifisch forschen", so Strahler.

Forschungsergebnisse, die eigentlich in das Training einfließen müssten, fehlen auch deshalb noch, weil es schwer ist, diese überhaupt zu erheben. Es scheitere oft schon daran, Studien mit den Trainingsplänen in Einklang zu bringen, erklärt Professor Diel. "Das haben wir in einer Studie zum Einfluss des Menstruationszyklus zur individuellen Verletzungsgefahr im Vorfeld der Olympischen Spiele von Rio feststellen können." Diel glaubt daher: "Bis zum menstruationsgesteuerten Training ist es aus meiner Sicht noch ein weiter Weg."

Davon ist auch die deutsche Handball-Meisterin und Nationalspielerin Xenia Smits überzeugt. Sie sagt: "Im Mannschaftssport ist es unglaublich schwierig, für alle 16 (Spielerinnen, Anm. d. Red.) gute Lösungen zu finden, sich dann trotzdem taktisch und technisch optimal vorzubereiten." Doch sie habe bereits Trainerinnen und Trainer erlebt, die sich bei auftauchenden Verletzungen von Spielerinnen mit deren Zyklusphase beschäftigt hätten.

"Wir können uns nicht einfach krankschreiben lassen"

Als sie noch in Frankreich gespielt habe, sei der Einfluss des Zyklus auf Kreuzbandrisse ein großes Thema gewesen. In Deutschland liefen die Gespräche dagegen anders: "Eher so: 'Ich habe meine Periode und Menstruation, mir geht's nicht gut.' Man bespricht das, aber in engerem Rahmen und nicht vor dem Spiel mit 16 Spielerinnen in der Kabine."

Dennoch sieht auch Smits eine Veränderung in der Branche: "Es ist kein Tabuthema mehr. Es ist so, dass man offener mit dem Thema umgeht. In der Sportwelt vielleicht noch mehr, weil unser Körper unser Kapital ist. Wir können uns nicht einfach krankschreiben lassen und für einen Tag zu Hause bleiben."

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Wettkampfbild mit Periode? "Zeigen, dass ich mich nicht schäme"

Bestes Beispiel für einen offenen Umgang mit dem Thema ist die Triathletin Emma Pallant-Browne. Die Britin teilte Ende Mai ein Foto auf Instagram, das sie in einem hellen Badeanzug zeigt. Was erst auf den zweiten Blick auffällt: Im Schritt ist ein Blutfleck zu sehen. Das Foto entstand während eines Wettkampfes. Pallant-Browne postete das Foto allerdings erst, nachdem es eine andere Person bereits getan hatte und sie daraufhin negative Kommentare bekommen hatte.

"Ich hatte das Gefühl, dass ich das Bild posten musste, um zu zeigen, dass ich mich nicht schäme oder verlegen bin. Taten sagen mehr als Worte", sagt Emma Pallant-Browne heute, vier Wochen später, t-online. Sie erhielt viel Zuspruch für ihren Post. "Meine Lieblingsnachrichten kamen von Vätern, die sagten, dass sie es an ihre jungen Mädchen weitergeben würden, die Sport treiben, und dass sie sie ermutigen wollten, es weiterzumachen, wenn sie erwachsen sind."

Die amtierende Duathlon-Weltmeisterin sieht auch andere Sportlerinnen in der Pflicht, das Thema öffentlich anzusprechen. Allerdings betont Pallant-Browne auch den Zwiespalt, in dem sich Athletinnen befänden: Manchmal sei es schwierig zu sagen, man habe seine Menstruation, wenn es als Entschuldigung für eine Leistung angesehen werden könnte. Trotzdem hält sie einen offenen Umgang damit für unerlässlich: "Ehrliche Gespräche bedeuten auch, dass Sportlerinnen sich Tipps weitergeben, dass das Thema normalisiert wird und dass sich hoffentlich die Beteiligung von Frauen im Sport erhöht."

"Müssen persönliche Erfahrungen geteilt werden"

Ihr selbst hätten auch Gespräche mit ihrer Mutter, einer Ärztin, geholfen, sagt Pallant-Browne. Zudem habe sie ihre Periode eine Zeit lang nicht bekommen. "Als ich sie wieder bekam, habe ich sie wirklich geschätzt und als ein Zeichen für gute Gesundheit gesehen", so die 18-fache Ironman-Siegerin.

Sportpsychologin Jana Strahler glaubt, dass es bekannte Gesichter aus der Sportwelt wie Pallant-Browne braucht, um anderen Frauen Mut zu machen. "Es müssen persönliche Erfahrungen geteilt werden. Es braucht prominente Sportlerinnen, die sich öffnen, und zum Beispiel der Effekt entsteht: 'Ach, der geht es genauso.'"

Zumal es Daten aus der Forschung gibt, die zeigen, dass der weibliche Körper in bestimmten Phasen aufgrund der hormonellen Situation durch Östrogene und Progesteron leistungsfähiger ist als in anderen. Für den Kraftausdauerbereich scheinen es die Phasen zu sein, die mit einem erhöhten Östrogenspiegel im Zusammenhang stehen, also die Mitte der Follikelphase bis zum Eisprung. Das ist die erste Zyklushälfte.

Bei der Ausdauer ist der Kenntnisstand weniger eindeutig. Kurz vor dem Eisprung soll es eine Risikophase in Bezug auf Knie- und Kreuzbandverletzungen geben. "Aus persönlichen Gesprächen mit Athletinnen aus dem Leistungssport scheint aber auch die Phase der Menstruation hier wichtig", erklärt Strahler.

"Habt keine Angst und fühlt euch wohl"

Und auch die Psyche spielt eine Rolle. Da erwiesen ist, dass sich die Stimmung während des Zyklus ändern kann. So sollen Frauen kurz vor der Menstruation, in der sogenannten späten Lutealphase eher gedämpfter Stimmung sein. "Die Vermutung liegt nahe, dass diese labilere Stimmungslage auch Auswirkungen auf das Training, die Motivation und Schmerzempfindlichkeit hat", sagt Strahler. Dennoch sollten junge Frauen und Athletinnen sich nicht davon abhalten lassen, Sport zu treiben, wenn sie sich danach fühlen – selbst, wenn sie ihre Periode haben.

Triathletin Emma Pallant-Browne rät jungen Sportlerinnen zu Beginn ihrer Karriere: "Habt keine Angst und fühlt euch wohl, wenn ihr während eurer Periode an einem Wettkampf teilnehmt." Sie sollten stolz darauf sein, eine Frau im Sport zu sein.

Verwendete Quellen
  • Eigener Kontakt zu Emma Hinze
  • Eigener Kontakt zu Emma Pallant-Browne
  • Eigenes Gespräch mit Markus Gaugisch
  • Eigenes Gespräch mit Xenia Smits
  • Eigenes Gespräch mit Professor Dr. Diel, DSHS Köln
  • Eigenes Gespräch mit Professorin Dr. Jana Strahler, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • Eigene Nachfrage bei der DFB-Akademie
  • dfb.de: "#LETSTALKPERIODS: DFB UND O.B. SETZEN GEMEINSAMES ZEICHEN"
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