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Karriere und Kind: Diesen Rückstand muss der Leistungssport stoppen


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Athleten schlagen Alarm
Diesen Missstand muss der Sport beheben


Aktualisiert am 20.11.2021Lesedauer: 12 Min.
Leistungssportler unter sich: Beachvolleyballerin Laura Ludwig und Torhüterin Almuth Schult (Mitte) sind beide Mütter – Keeper Andreas Luthe (r.) ist für mehr Frauen in Spitzenpositionen.Vergrößern des Bildes
Leistungssportler unter sich: Beachvolleyballerin Laura Ludwig und Torhüterin Almuth Schult (Mitte) sind beide Mütter– Keeper Andreas Luthe (r.) ist für mehr Frauen in Spitzenpositionen. (Quelle: Nordphoto/Sven Simon/Hübner/imago-images-bilder)
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Serena Williams, Almuth Schult, Laura Ludwig: Diese Topsportlerinnen sind alle Mütter. Doch keine von ihnen hatte es leicht. Vor allem, weil es vielen in der Branche an Verständnis fehlt.

"Es wird wieder ein Junge."

Der Satz von Laura Ludwig aus dieser Woche zeigt, dass es auch in der trostlosten und sich zuspitzenden Zeit der Corona-Pandemie immer noch kleine Lichtblicke gibt. Im Magazin "Bunte" verkündete die deutsche Beachvolleyball-Heldin auf diese Weise, dass im Mai 2022 ihr zweites Kind zur Welt kommen soll. Aber gleichzeitig ließ die 35-Jährige auch keinen Zweifel daran, dass sie bereits im Herbst 2022 wieder ins Training einsteigen will. Das Ziel: die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Ein kompliziertes Unterfangen, welches im Fall Ludwig glücken mag, aber viel zu häufig zu heftigen Problemen führt.

Denn: Während normalerweise schwangere Frauen von den größten Glücksgefühlen und der schönsten Vorfreude berichten, wenn sie wissen, dass ihr kleines Wunder unterwegs ist, haben andere Schwangere in dieser Situation ein großes Problem – und zwar Leistungssportlerinnen.

Denn auf die freudige Nachricht folgen meist Ernüchterung und viele Fragen: Wird mein Sponsor weiter an meiner Seite bleiben? Werde ich die Zeit der Schwangerschaft und Babypause finanziell überstehen? Wird mein Körper danach so leistungsfähig sein wie momentan?

Nur jede zehnte Sportlerin fühlt sich bei der Babyplanung unterstützt

Der Auslöser ist eine Branche, der es an Verständnis fehlt. "Wenn man schwanger ist, ruft man mit Kloß im Hals den Trainer an, weil man als Sportlerin nicht weiß, wie die Reaktion ist", sagt Edina Müller im Gespräch mit t-online. Die Kanutin, die bei den Paralympischen Spielen in Tokio Gold geholt hat, hat einen zweijährigen Sohn. Sie ergänzt: "Als Mutter im Leistungssport muss man sich alles selbst erarbeiten. Es ist nicht vorgesehen, dass man als Sportlerin Mutter wird."


70 Prozent weniger Gehalt, nur weil eine Schwangerschaft vorliegt? Im achten Monat noch 800-Meter-Läufe absolvieren aus finanzieller Not? Wegen Turnier-Verzicht nach der Schwangerschaft aus der Weltrangliste fliegen? Situationen, die genau so passiert sind. Und zwar nicht irgendwelchen Athletinnen, sondern den erfolgreichsten ihrer Sportart: beispielsweise der US-Sprinterin Allyson Felix, die die erfolgreichste WM-Teilnehmerin ist; der Mittelstreckenläuferin Alysia Montaño und US-Tennis-Ass Serena Williams.

Auch in Deutschland haben schon zahlreiche Sportlerinnen Herausforderungen auf diesem Gebiet erleben müssen. In einer Umfrage des SWR unter 700 Spitzenathletinnen kam heraus, dass sich nur jede zehnte Sportlerin von ihrem Verein oder Verband dabei unterstützt fühlt, weiter am sportlichen Wettbewerb teilzunehmen, wenn sie ein Kind bekommt. Es ist ein Rückstand, den der Leistungssport stoppen muss.

"Wollte mit Kindern nicht bis nach der Karriere warten"

"Ich habe mich bewusst dafür entschieden, weil ich meinen Weg im Fußball noch nicht zu Ende gesehen habe. Mir macht Fußball unglaublich viel Spaß. Ich wollte meinen Beruf weiter ausüben, aber mit Kindern auch nicht bis nach der Karriere warten", sagt Almuth Schult im Interview mit t-online. Die deutsche Olympiasiegerin und Torhüterin des VfL Wolfsburg wurde Anfang des Jahres 2020 Mutter von Zwillingen. Und ergänzt: "Wir haben in Deutschland noch einige Kämpfe zu fechten."

Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, gleichzeitig Mutter und Leistungssportlerin zu sein. Das haben auch Weltstars wie die US-Sprinterin Allyson Felix erlebt. Ihre damalige Schwangerschaft kam bei ihrem Sponsor Nike nicht gut an, der Konzern bot ihr nach Auslauf des Vertrages zwar einen neuen – jedoch mit 70 Prozent weniger Gehalt. Aus Angst, sie könnte ihr Leistungsniveau nicht mehr halten. Die Antwort der Sportlerin: Sie wechselte den Ausrüster, machte ihre Erfahrungen öffentlich und gewann zwei Mal Staffel-Gold bei der WM in Doha und Einzel-Bronze mit ihrer zweitschnellsten Zeit der Karriere über die 400 Meter in Tokio bei den Olympischen Spielen. Und Nike?

Finanzielle Mammutaufgabe

Der Sportausrüster geriet unter Druck und änderte eine Mutterschaftsrichtlinie, sodass der neue Vertrag die Bezahlung einer Athletin für 18 Monate rund um die Schwangerschaft garantiert. Doch reicht das und wie handeln andere Sportartikelausrüster?

Sportlerinnen in den USA sind meist abhängiger von Sponsorengeldern, als dies in Deutschland der Fall ist. Das System dort ist anders aufgebaut (Mehr dazu lesen Sie hier). Doch auch hierzulande braucht es Vertrauen in die Athletin, um diesen Schritt gemeinsam zu gehen. In der bereits oben genannten Umfrage des SWR gaben über 60% der Befragten an, unter 30.000 Euro zu verdienen. Stipendien und Sponsorengelder eingerechnet. Sollte im Fall einer Schwangerschaft also ein Partner abspringen, ist es auch in Deutschland für Athletinnen eine Mammutaufgabe, die Schwangerschaft finanziell zu stemmen.

Das berichtet auch Edina Müller: "Ich bin damals als paralympische Sportlerin aus allen Förderungen rausgeflogen und habe meinen Kaderstatus komplett verloren. Und das, obwohl ich gesagt habe, dass ich vorhabe weiterzumachen. Ich stand dann vor der finanziellen Herausforderung, mit Kind und Begleitperson zu reisen, und der organisatorischen Herausforderung, die ich zusätzlich habe."

"Das hätten wir sonst gar nicht geschafft"

Eine Erfahrung, von der auch Olympiasiegerin und Beachvolleyballerin Laura Ludwig im Gespräch mit t-online berichtet. Ihr Sohn Teo ist inzwischen drei Jahre alt. Ludwig: "Der Organisationspart war nicht einfach. Wir hatten zwei Tagesmamis, das hat uns Ruhe gegeben, da sie sich um Teo gekümmert haben. Das hätten wir sonst gar nicht geschafft. Im Beachvolleyball sind wir sehr viel auf Reisen unterwegs und es hat sehr viel mit unserem Umfeld zu tun, das uns unterstützt. Gerade mit unseren Eltern, ohne die wäre es nicht gegangen. Auch ohne die Tagesmamas wäre es nicht gegangen."

Hinzu kommt das Entgegenkommen von Verein, Klub oder Verband. "Beim VfL Wolfsburg war ich mir von Anfang an sicher, dass die Unterstützung da sein würde. Es ist immer nur die Frage, wie limitiert die Möglichkeiten sind", berichtet Almuth Schult. Doch auch sie ist abhängig von dem Rückhalt ihrer Liebsten: "Ich habe eine ganz tolle Familie, der ich unendlich dankbar bin für die Unterstützung, weil ich gemerkt habe, dass es ohne sie noch nicht funktioniert. Mit dieser Familie im Rücken hatte ich ein gutes Gefühl, wieder in meinen Beruf gehen zu können. Ich hoffe, dass ich ein Vorbild sein kann."

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"Mehr als nur eine Athletin"

Das ist inzwischen auch Felix, die sich nach dem Eklat mit Nike 2019 einen neuen Ausrüster gesucht hat. Gemeinsam mit Athleta hat sie sich der "The Women’s Sports Foundation" angeschlossen. In einer speziellen Aktion unterstützt sie mit ihren Partnern nun finanziell Sportlerinnen, die den Plan haben, während der Karriere Mutter zu werden und zu sein und an Wettkämpfen teilnehmen wollen. "Es war mir wichtig, dass meine Partnerschaft mit Athleta zeigt, dass ich mehr bin als nur eine Athletin. Mit diesen Zuschüssen soll der Branche gezeigt werden, dass alle Mama-Sportlerinnen dieselbe umfassende Unterstützung benötigen, um an ihren sportlichen Aktivitäten teilnehmen zu können", schrieb Felix in der Pressemitteilung im Juli 2021.

Athleta hat eine vermeintliche Schwäche für die Branche so zur eigenen Stärke gemacht. Und auch der deutsche Hersteller Adidas schreibt auf Nachfrage von t-online: "adidas unterstützt seine Athlet:innen in allen Lebensphasen. Wir können bestätigen, dass die Verträge während einer Schwangerschaft unberührt bleiben und wir individuelle Lösungen finden, um eine fehlende sportliche Präsenz beispielsweise durch die Einbindung in Marketingmaßnahmen zu kompensieren." Doch auch in Deutschland trauen sich viele Sportlerinnen nicht, den Weg der Mutterschaft zu gehen, aus Angst, danach keine Karriere mehr zu haben.

"Gibt keinen extra Topf, der Mütter im Leistungssport fördert"

Woran liegt das? Hierzulande hat die Deutsche Sporthilfe die Funktion, Athleten und Athletinnen zu unterstützen. Die Sporthilfe-Förderung wird ihnen für einen Zeitraum von zwölf Monaten zugesichert. Sollte eine Sportlerin in diesem Zeitraum schwanger werden, wird die Förderung bis zum Ende des Zeitraums fortgeführt. Und danach? Bleibt die Person Kadersportlerin im Verband, läuft der Vertrag weiter. Falls nicht, greift das sogenannte "Comebackstronger"-Programm. "Die Höhe und Dauer der Zahlungen werden in einem solchen Fall individuell festgelegt, orientieren sich aber am vorherigen Förderniveau", heißt es auf Nachfrage von t-online.

Ob die Beträge ausreichen, ist nicht klar. Ebenso wenig, wie sehr der Betrag der zuvor erhaltenen Summe ähnelt. Hinzu kommt, dass Athletinnen ja meist weiter Teil des regulären Spitzenkaders sein wollen, um keine möglichen Kürzungen in Kauf zu nehmen zu müssen. Dies bedeutet wiederum Druck, auch weiterhin Topleistung zu bringen. Müller kritisiert zudem, dass das Programm nur eine Umfunktionierung eines bestehenden Programmes war. "Das 'Comebackstronger'-Programm ist eigentlich eine Förderung für verletzte Athleten, damit diese nicht aus dem Kader fliegen. Dieses Programm hat die Deutsche Sporthilfe dann auch für Mütter geöffnet. Aber Mutter zu sein ist etwas völlig anderes, als verletzt zu sein. Es gibt keinen extra Topf, der Mütter im Leistungssport fördert."

Zumal der Topf anfangs nur für olympische und nicht paralympische Athleten gedacht war. Karin Orgeldinger, Mitglied des Vorstands der Deutschen Sporthilfe und zuständig für das Ressort "Athletenförderung", sagt t-online: "Für die Athlet:innen des Deutschen Behindertensportverbands wurde dieses spezielle Programm ab 2021 zugänglich. Schon vorher hatten alle Athlet:innen die Möglichkeit, über einen individuellen Antrag bei der Sporthilfe zusätzliche Fördermittel zu erhalten." Für Edina Müller wurde jedoch keine Lösung gefunden, sie sagt: "Ich habe damals explizit bei der Sporthilfe angefragt und mir wurde gesagt, dass es nichts für paralympische Athleten gibt. Mir wurde gesagt, ich müsste mich an den Behindertensportverband wenden. Das habe ich getan. Es gab zwar keinen Topf, aber sie waren sehr bemüht", berichtet Edina Müller weiter. Ein zusätzliches Problem sind laut Laura Ludwig nicht bedachte Reisekosten.

"Ich kann bei meinem Verband immer eine Reisekostenabrechnung einreichen. Ich gebe auch immer den Flug von meinem Sohn an, doch der wird nicht übernommen. Ich denke mir dann meist: 'Wo sollte er aber sonst hin?' Es sind so Kleinigkeiten, die in den Regeln stehen, aber die müssen überdacht werden. Das Gleiche gilt auch, wenn meine Mama mitfliegt, um sich um Teo zu kümmern. Auch hier gebe ich den Flug und das Extrazimmer für sie an, doch auch das wird nicht erstattet."

"Athletinnen berichten, dass der Verband sie fallen lässt"

Marion Sulprizio vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln berät seit fast 15 Jahren Leistungssportlerinnen in der Schwangerschaft. Im Gespräch mit t-online sagt sie: "Es gibt Athletinnen, die uns berichten, dass der Verband sie wie eine heiße Kartoffel fallen ließ. Wenn die Sportlerinnen sagen, sie sind 31 Jahre alt und möchten gerne ein Kind haben, dann sagen manche Sportverbände: 'Dann bist du hier raus aus der Förderung oder den Kaderlisten.' Das ist natürlich ein schwer zu schluckender Sachverhalt." Und einer, den die Verbände bewusst aufarbeiten müssen. Zumal der Alltag mit Kind Beeinträchtigungen mit sich bringt, die wiederum Einfluss auf das Leistungsniveau haben.

"Uns war vorher klar, dass es nicht einfach wird, Job und Familie zu vereinen. Gerade auch mit zwei kleinen Kindern. Im ersten Jahr sind die Nächte sehr kurz und das ist für einen Leistungssportler fehlende Regeneration. Das merkt man unter anderem kognitiv. So oft es ging, habe ich versucht, einen Mittagsschlaf zu machen", erzählt Schult im Gespräch. Während sie eine Fußballmannschaft hinter sich hat, müssen Einzelsportler ihre möglichen Fehler im Training allein ausgleichen. So berichtet auch Ludwig: "Ich weiß selbst manchmal nicht, wie ich das mit der fehlenden Regeneration gemacht habe und wie ich das 'überlebt' habe. Ich habe mir zwischen den Trainings auch wirklich die Zeit genommen, einen Mittagsschlaf zu machen und habe dann nicht mit ihm (Anm. d. Red. Teo) gespielt. Man will natürlich Zeit mit dem Kleinen verbringen, weiß aber auch, dass man zur Ruhe kommen muss."

Und Elternzeit ist nur bedingt möglich, wenn die Sportlerinnen weiter ihr Training absolvieren müssen, um fit zu bleiben. Oder weiterhin Teil der Weltelite bleiben wollen.

"Ich hatte nur noch 75 Prozent meiner Punkte"

Aus Verzicht auf die Teilnahme an den US Open 2018, also vier Monate nach Geburt ihrer Tochter, wurden Serena Williams 2000 Punkte im Ranking der Weltrangliste abgezogen. Sie wurde daraufhin erstmals nach 20 Jahren nicht mehr gelistet. Auch hier geriet der Weltverband WTA unter Druck, änderte daraufhin geringfügig seine Regeln. Und genau diese Situation spricht auch Sulprizio an: "Ich denke, dass die Verbände Plätze freihalten sollten, weil die Sportlerinnen ja zuvor in diesem Leistungssportsystem drin waren. Für die Zeit der Schwangerschaft müssten sie den Sportlerinnen erlauben, die Zeiten nicht zu erreichen. Das wäre toll, wenn die Verbände sich darauf einlassen würden."

Doch die Realität sieht bisher anders aus.

"Häufig geht es um die Entweder-Oder-Frage"

Serena Williams stand im März 2018 wieder auf dem Platz, verpasste jedoch Entwicklungen ihrer Tochter. "Sie hat ihre ersten Schritt gemacht. Ich war trainieren und habe es verpasst. Ich habe geweint", schrieb die Tennis-Ikone auf Twitter im Juli 2018. Auch Müller erzählt, dass es so etwas wie eine Kinderbetreuung für die Zeit des Trainings nicht gibt.

"Es gibt keine festgeschriebenen Regelungen, ob Sportlerinnen ihre Kinder mit zum Training nehmen dürfen oder nicht. Mein Bundestrainer hat ein Kind im gleichen Alter und hat mir direkt alle Fragen vorweggenommen und mir gesagt, dass wir alles hinbekommen. Das muss aber nicht gegeben sein. Das ist immer abhängig von handelnden Personen", erzählt die Parakanutin. Und erklärt: "Als ich von 2006 bis 2008 in den USA studiert habe, war es normal, dass die Sportlerinnen ihre Kinder mit zum Training gebracht haben. Es hat mich schockiert, dass es hier in Deutschland keine Kinderbetreuung gibt."

Ein Aspekt, den sich auch Laura Ludwig im deutschen Sport wünschen würde. "Ich habe aus Verbandsseite auch schon gehört, dass Leistungssport ein 24/7-Job ist. Das ist einfach in den Köpfen. Da aber in den letzten Jahren auch viele Beachvolleyballer Väter geworden sind, hat die Leiterin beim Olympiastützpunkt gesagt, sie habe auch schon mal über einen Kindergarten nachgedacht. Das wäre eine Überlegung wert, um vorzusorgen. Das gibt es momentan nicht. Ich habe meine Tagesmamas selbst bezahlt. Finanzielle Unterstützung gab es nicht." Auf Nachfrage bei der Deutschen Sporthilfe, ob in Zusammenarbeit mit dem DOSB an einer Kinderbetreuung für Mütter im Leistungssport gearbeitet wird, sagt Orgeldinger: "Die Deutsche Sporthilfe fördert Athletinnen direkt, finanziell und ideell. Neben einer regelmäßigen Förderung als Kadersportlerin oder in der #comebackstronger-Förderung hat jede Athletin, die beispielweise als Mutter besondere Ausgaben für die Betreuung ihrer Kinder hat, weil sie im Training- und Wettkampfbetrieb eingebunden sind, die Möglichkeit, individuelle zusätzliche Unterstützungen zu bekommen. Diese Förderungen werden jeweils individuell betrachtet und genehmigt."

Marion Sulprizio führt weiter aus: "Bisher geht es bei unseren schwangeren Leistungssportlerinnen immer um die Entscheidung entweder/- oder. Bin ich Leistungssportlerin oder bin ich Mutter. Wir haben viel zu wenige Sportlerinnen, die es hinbekommen, die Babypause als Unterbrechung der Karriere zu gestalten. Das liegt auch viel an den Verbänden, die oft keine Einsichten haben oder die Sportler aus dem System werfen aufgrund nicht erfüllter Zeiten oder Qualifikationen. Das ist der Punkt, warum es häufig um die Entweder-Oder-Frage geht."

"Es sitzen zu wenige Frauen in Entscheidungspositionen"

Auch Müller sieht das als großes Problem an. "Der Fehler liegt immer noch im System, da viele Verbände von Männern geführt werden und solche Themen gar nicht im Lebensalltag enthalten sind. Selbst wenn die Männer Kinder haben, haben sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht. Es sitzen zu wenige Frauen an Entscheidungspositionen, als dass diese Dinge mehr in den Fokus rücken. Das ist erschreckend."

Männliche Stimmen unterstützen die Kritikpunkte von Müller. So sagt Unions-Torwart Andreas Luthe zu t-online: "Positionen im Sport sollten nach Expertise vergeben werden. Unabhängig vom Geschlecht." In Bezug auf seine Branche fügt er an: "In der Vergangenheit haben sich Frauen im 'Frauenfußball' engagiert und Männer vornehmlich im 'Männerfußball'. Grundsätzlich halte ich diese Trennung für falsch und überholt. Professioneller Fußball wird heute von Frauen und Männern gespielt. Demnach ergeben sich auch zu besetzende Positionen in beiden Bereichen." Und er ergänzt in Bezug auf die Expertise unabhängig des Geschlechts: "Diese Forderung gibt es zu Recht auch in anderen Branchen und gilt demnach auch im Fußball. Ein Mann hat die Chance eine Position im Fußball der Frauen zu besetzen. Umgekehrt sollte es genau so sein."

Lahm: "Frau und Mann sollten gleichgestellt sein"

Das sieht auch der frühere Nationalspieler Philipp Lahm so, der gemeinsam mit Celia Sasic in der Doppelspitze für die Europameisterschaft 2024 agiert. Lahm als EM-Geschäftsführer, Sasic als Special Advisor. Lahm sagt zu t-online: "Frau und Mann sollten gleichgestellt sein, sie sind es aber nicht überall, auch nicht im Fußball. Wichtig ist eine bessere Infrastruktur für den Mädchen- und Frauenfußball, da gibt es auch in Deutschland historisch bedingte Rückstände, die es aufzuholen gilt. Es kommt natürlich auf die Kompetenz an. Für mich ist es selbstverständlich, dass Celia Sasic als Botschafterin der Euro 2024 meine gleichberechtigte Partnerin ist. Sie hat sehr viel erreicht in ihrer Karriere und kennt sich auch an der Fußballbasis aus."

Und genau hier muss der Rückstand gestoppt werden. "Es muss eine Normalität sein, dass man Familie hat, ein Kind bekommt und weiter mit dem Sport macht", sagt Edina Müller. Und Laura Ludwig gibt zu: "Hätte ich nicht die Vorbilder, wie die Amerikanerinnen oder die Brasilianerinnen gehabt, die das schon gemacht haben, dann hätte ich das auch nicht so gemacht, weil ich viel zu viel Respekt davor hatte. Durch die habe ich mich getraut und bin froh, beide Leidenschaften zu haben."

"Aufgabe für die gesamte Gesellschaft"

Denn auch in anderen Berufen gehen Mütter in die Babypause und Elternzeit. Doch sind sie deswegen weniger anerkannt? Nein. Haben sie deswegen eine andere Identität? Auch nicht. Warum also sollten Leistungssportlerinnen genau hier einen Nachteil erfahren, wenn sie doch auf internationaler Ebene das Land Deutschland vertreten. Und somit auch die Gesellschaft.

Philipp Lahm ergänzt: "Dass insbesondere Frauen Karriere und Familie in Einklang bringen können, ist eine Aufgabe für den Fußball und erst recht für die gesamte Gesellschaft. Vereine und der DFB sollten sich zusammen mit den Spielerinnen Gedanken machen, welche Maßnahmen dafür zu ergreifen sind." Andreas Luthe sieht das auch so: "Almuth Schult hat zuletzt gezeigt, dass es möglich ist, Familie und Profifußball zu vereinbaren. Sie kann ein positives Vorbild sein. Für Vereine und Verbände gilt es die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es akzeptiert ist. Dann werden auch weitere Frauen folgen."

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Almuth Schult
  • Eigenes Interview mit Marion Sulprizio
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