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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nagelsmann mit besonderem Kniff Mit dieser Entscheidung hatte kaum jemand gerechnet
Gegen die USA zeigte das DFB-Team eine starke Leistung. Dabei war vieles sichtbar, was Deutschland zuletzt noch vermissen ließ.
Etwa eine Stunde war der deutsche Sieg in Hartford schon alt, da äußerte sich Julian Nagelsmann bereits in den sozialen Netzwerken. "Starkes Spiel der Mannschaft. Nach Rückstand Ruhe bewahrt und viel Kontrolle, gerade in der zweiten Halbzeit. Fußballerisch viele gute Phasen im Spiel. Die nötige Gier gezeigt und im Gegenpressing präsent", schrieb der neue Bundestrainer auf der Plattform X, ehemals Twitter.
Es sei ein "besonderes Gefühl" gewesen, die Hymne bei der Nationalmannschaft singen zu dürfen. Der neue noch so junge Bundestrainer feierte einen Einstand nach Maß – und das, obwohl seine Mannschaft einem Rückstand hinterherlaufen musste.
Wäre Hansi Flick noch Bundestrainer gewesen, wer weiß, ob sich Deutschland von dem 0:1 – erzielt in der 27. Minute durch den Ex-Dortmunder Christian Pulisic – erholt hätte. Wenn das deutsche Team eines in der Flick-Ära nicht ausgezeichnet hatte, dann war es die Qualität, Rückschläge zu verkraften und Widerständen zu trotzen.
Genau diese Stärke zeigte die Nagelsmann-Elf nun allerdings gegen die USA. Nach dem Rückstand, vor dem Niclas Füllkrug wenige Sekunden zuvor die deutsche Führung auf dem Fuß hatte, spielte die deutsche Mannschaft weiterhin selbstbewusst auf – und kam folgerichtig zum mehr als verdienten Ausgleich. Damit zeigte die Nationalelf eine längst vergessene Qualität, die sie sich wieder ins Gedächtnis rief.
Nagelsmann überrascht mit Gündoğans Nebenmann
Insbesondere Kapitän İlkay Gündoğan, der eines seiner besten Spiele im DFB-Dress absolvierte, brillierte als Taktgeber und Ballverteiler, aber auch mit starkem Pressingverhalten und Balleroberungen. Die Abwesenheit des erkälteten Joshua Kimmich, der auch gegen Mexiko fehlen wird und bereits die Heimreise angetreten hat, war dem Team im von Nagelsmann gewählten 4-2-2-2-System nicht anzumerken.
Das lag auch an Gündoğans Nebenmann. Überraschenderweise agierten weder Kimmichs Münchner Mannschaftskamerad Leon Goretzka noch Leverkusens "Zerstörer" Robert Andrich neben dem Mann vom FC Barcelona, sondern der spät berufene Pascal Groß. Eine Entscheidung, mit der vor Anpfiff kaum jemand gerechnet hatte.
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Der 32-Jährige setzte nicht nur früh mit einem platzierten Pfostenschuss ein Zeichen (11. Minute), der zentrale Mittelfeldspieler aus Brighton überzeugte auch mit zielgenauen Pässen (93 Prozent Passquote) und einer starken Zweikampfbilanz (4 von 4).
Generell agierte die Mannschaft unter dem neuen Trainer als geschlossene Einheit und zeigte damit genau das, was sie monatelang unter Flick vermissen ließ. Schon im Spiel gegen Frankreich (2:1), als Rudi Völler interimsweise an der Seitenlinie stand, wirkte die Elf auf dem Platz wie von einem Phlegma befreit. Unter Nagelsmann gesellte sich nun auch noch eine überzeugende Spielweise hinzu.
Neben den angesprochenen starken Sechsern sowie einer lebhaften Offensive stand auch die deutsche Defensive weitestgehend sicher. Rückkehrer Hummels strahlte Ruhe aus, Abwehrchef Antonio Rüdiger traute sich immer wieder selbstbewusst nach vorne. Jonathan Tah agierte wie gegen Frankreich als verlässlicher Ruhepol, als rechter Verteidiger ohne überambitionierten Offensivdrang. Und auch Robin Gosens bewies Genauigkeit im Passspiel sowie eine gute Übersicht bei Diagonalbällen.
Es wirkt, als habe Nagelsmann eine verunsicherte Mannschaft richtig zu greifen gewusst. Bis auf Mats Hummels standen zehn Spieler in der Startelf, die bereits Hansi Flick im September für die Partien gegen Japan und Frankreich nominiert hatte. Jene Akteure, die noch gegen Japan wie verunsicherte Schuljungen agierten, hatten von ihrem neuen Übungsleiter nun einen klaren Plan an die Hand bekommen.
Sonderlob für den Kapitän
Die Angst, der so anspruchsvolle Ex-Bayern-Trainer könnte die Spieler mit seinen Ideen überfordern, entpuppte sich nach Spielende als unbegründet. Der neue Coach zeigte sich nach Abpfiff glücklich mit der Leistung seines Teams, insbesondere seinem Kapitän attestierte er ein "überragendes" Spiel.
Vor dem Duell mit Mexiko am kommenden Mittwoch, das wohl nur die treuesten DFB-Anhänger live verfolgen werden (Anstoß: 2 Uhr nachts), kündigte Nagelsmann diverse Änderungen an. "Wir werden gegen Mexiko schon was verändern, weil ich möglichst alle im Spiel sehen will, nicht nur im Training. Im November ist das dann vielleicht ein bisschen anders", so der 36-Jährige auf der Pressekonferenz nach dem Sieg.
Ein erster Schritt nach vorne ist gemacht, der zweite soll dann gegen Mexiko folgen, ehe es im November in Berlin gegen die Türkei dann zur Heimpremiere Nagelsmanns kommt. Sollte er auch da gewinnen, könnten ihm die Herzen der deutschen Fans schneller zufliegen als vermutet.
- Eigene Beobachtungen bei RTL
- Statistiken der DFB-Spieler bei fotmob.com
- Aussagen von Julian Nagelsmann nach dem Sieg gegen die USA
- Mitteilung des DFB
- DFB-Presskonferenz nach USA – Deutschland