Vor BVB gegen Barça Der "bessere Beckenbauer" kostete einst nur einen Euro
Mit nur 22 Jahren zählt Frenkie de Jong zu den besten Mittelfeldspielern Europas. Nun soll er den großen FC Barcelona in die Zukunft führen. Das niederländische Ass im Porträt.
Den Ritterschlag bekam er von einer Legende: "Frenkie de Jong kann beim FC Barcelona eine Ära prägen", so empfing der ehemalige Barça-Kapitän Xavi das 22-jährige Supertalent. Satte 75 Millionen Euro zahlte der spanische Topklub in diesem Sommer für den Zauberer von Ajax Amsterdam. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an den Niederländer.
Nach dem Abschied der beiden Mittelfeldstars Xavi und Andres Iniesta mangelte es bei dem Verein an der Genialität im Passspiel. Mit de Jong spielt nun neben dem unverzichtbaren Sergio Busquets endlich wieder ein echter Spielmacher im Mittelfeld. Dass er sich in die lange Tradition von großen Ex-Ajax-Spielern beim FC Barcelona einreiht, wirkt auf die Fans besonders faszinierend.
Noch ein Ajax-Spieler
Denn die Liste liest sich wie eine "Hall of Fame": Luis Suarez, Maxwell, Zlatan Ibrahimovic, Marc Overmars, Jari Litmanen, Edgar Davids, Patrick Kluivert, Richard Witschge, Frank und Ronald de Boer, Michael Reiziger, Johan Neeskens und natürlich Johan Cruyff, mit dem de Jong verglichen wird und der bei seiner Verpflichtung im Herbst 1973 als "El Salvador" (auf Deutsch: "Der Retter") begrüßt wurde.
Für de Jong sind die Vergleiche mit Cruyff nicht neu, doch sie bleiben ihm unangenehm: "Ich fühle mich geehrt, aber ich denke nicht, dass man uns vergleichen kann", sagte er im Interview mit dem "Guardian", und erklärte ganz zurückhaltend: "Er war so viel besser als ich, hatte so viel Qualität. Ich werde dieses Niveau niemals erreichen." Trotzdem ist de Jong tatsächlich in gewisser Hinsicht Cruyff ähnlich: In der Art und Weise, wie er das Spiel interpretiert. "Wenn ich den Ball habe, versuche ich mir ein Bild zu machen, wo jeder ist." Eine Aussage, die stark an das erinnert, was Johan Cruyff über seinen Stil sagte.
Tempo und Intuition
Vieles läuft bei de Jong über die Intuition: "Wenn ich den Ball bekomme, denke ich mir nicht 'Jetzt mache ich das und das'. Ich suche immer nach einem Mitspieler: Wenn er frei ist, weiß ich schon, was ich zu tun habe." Und genau diese Eigenschaft ist Barça-Trainer Ernesto Valverde besonders wichtig, damit das Passspiel seiner Mannschaft schneller und unberechenbarer wird – obwohl der Youngster vielleicht noch einige Zeit braucht, um sich der spanischen Liga anzupassen.
In den ersten Pflichtspielen garantierte de Jong zwar die höchste Passgenauigkeit seiner Mannschaft, wurde aber wegen einiger Ballverluste von der örtlichen Presse kritisiert. Zu riskant sei sein Spiel gewesen. Aufgrund seiner besonderen Rolle – quasi ein Hybrid aus Balleroberer, Spielmacher und Verteiler –, dribbelt er auch gerne mal am eigenen Sechzehner. Aber: Bei Ajax war das Positionsspiel derart gepflegt, dass ihm ein Mitspieler bei einem eventuellen Passfehler leicht helfen konnte. Doch sein Spiel wird immer besser: Beim 5:2-Erfolg gegen Valencia am Wochenende erzielte er ein Tor und eine Vorlage.
Das Schicksal des FC Barcelona
Schon vor dem Rekordtransfer zum FC Barcelona weckte die Stadt in ihm schöne Erinnerungen. Als Kind verbrachte de Jong oft den Sommerurlaub auf einem Campingplatz an der spanischen Costa Brava, wie er in einem Interview mit "FourFourTwo" erzählte: "Einst sind wir zur Stadion-Tour im Camp Nou gefahren. Ich konnte es kaum glauben, das Feld zu betreten und diese riesige Arena um mich herum zu beobachten." Im Dezember 2015 reiste er wieder nach Barcelona und war im Stadion, als das Team von Luis Enrique Real Betis 4:0 besiegte. De Jong selbst behauptet: "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich eines Tages in Barcelona landen werde."
Der Ein-Euro-Mann
Anders als andere Ajax-Juwele wie Matthijs de Ligt (heute bei Juventus Turin) und Donny van de Beek wurde de Jong nicht im Ajax-Nachwuchszentrum "De Toekomst" ausgebildet. Trotz des Wunsches seiner Familie – allesamt Fans von Feyenoord Rotterdam – entschied sich Frenkie mit sieben Jahren gegen einen Wechsel in die Hafenstadt und schloss sich Willem II an. In Tilburg machte er in der Reserveliga auf sich aufmerksam.
Erst im Sommer 2015 wechselte er zu Ajax – für nur einen Euro. Ohne Profivertrag hätte Willem II neben einer Ablöse noch eine Ausbildungsentschädigung kassieren können. Der Klub bevorzugte jedoch ein anderes Transfermodell: Für de Jong wechselten vier Ajax-Jugendspieler nach Tilburg, dazu sicherte sich Willem II zehn Prozent der Weiterverkaufserlöse bei einem Wechsel des Spielers zu einem internationalen Topklub.
Das Resultat: Willem II kassierte mit dem de Jong-Transfer nach Barcelona in diesem Sommer knapp neun Millionen Euro. Den Durchbruch bei Ajax schaffte de Jong in der Saison 2017/18, agierte aber unter Ex-Coach Marcel Keizer monatelang als Innenverteidiger neben de Ligt. Erst nachdem Daley Blind von Manchester United zurückgekehrt war, entschied sich Keizers Nachfolger Erik ten Haag, de Jong ins zentrale Mittelfeld zu ziehen – dort glänzte er als ballsicherer Spielmacher. "De Jong ist eine bessere Version von Franz Beckenbauer", stellte Ajax-Legende Arie Haan einst fest, und erklärte: "Was ich damit meine ist, dass er auch diese Geschwindigkeit und Leichtigkeit bei den Pässen mitbringt. Das ist eine große Waffe."
Seinem Spielwitz werden sie in Amsterdam wohl auf ewig hinterhertrauern. Und trotzdem freut man sich bei Ajax scheinbar, dass einer von ihnen den ganz großen Sprung nach Barcelona wagte.
Für den Tag seiner Vorstellung beim FC Barcelona dachte sich de Jongs alter Arbeitsgeber eine ganz besondere Danksagung aus: Der Klub aus Amsterdam ließ einen Bus mit einem Aufdruck eines Bildes von de Jong und der Aufschrift "Barça, genieß die Zukunft" durch Barcelona fahren. Das gleiche Statement stand auf einer ganzseitigen Anzeige in der spanischen Zeitung "Mundo Deportivo". Ehre, wem Ehre gebührt.
- The Guardian: Interview mit de Jong
- FourFourTwo: Interview mit de Jong
- transfermarkt.de: Profil de Jong
- Buch Johan Cruyff: "Fußball –meine Philosophie"