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Jürgen Klopp: Trainer-Abschied vom FC Liverpool – eine Legende bleibt er


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Die Legende verabschiedet sich
Niemals vergessen


Aktualisiert am 20.05.2024Lesedauer: 7 Min.
Ein Anhänger des FC Liverpool hat sich das Gesicht von Jürgen Klopp auf seine Wade tatoowieren lassen.Vergrößern des Bildes
Ein Anhänger des FC Liverpool hat sich das Gesicht von Jürgen Klopp auf seine Wade tätowieren lassen. (Quelle: IMAGO/Paul Greenwood/Shutterstock)

Jürgen Klopps Zeit beim FC Liverpool endet ohne einen großen Titel. Was bleibt, ist das Vermächtnis eines Welttrainers.

Mit versteinerter Miene stand er am Spielfeldrand, ehe sich sein Gesicht zu einem leicht gequälten Lächeln verzog. 18. April, Bergamo, kurz vor 23 Uhr.

Jürgen Klopp wusste in diesem Moment, dass es vorbei sein würde. Aus der Traum von einem letzten internationalen Titel mit dem FC Liverpool. Nach einer 0:3-Pleite im heimischen Wohnzimmer an der Anfield Road war ein 1:0 bei den Italienern zu wenig, um noch die Chance auf den Halbfinaleinzug zu haben.

Die Hypothek aus dem Hinspiel sei zu groß gewesen, gab Klopp nach der Partie der anwesenden Presse zu verstehen. Der Coach, nicht immer als guter Verlierer bekannt, musste die Niederlage anerkennen. Und auch wenn das Spiel mit 1:0 gewonnen werden konnte, fühlte es sich doch wie eine weitere Niederlage an.

Nur vier Tage zuvor hatten die "Reds" eine bittere 0:1-Pleite gegen Crystal Palace in der Liga schlucken müssen. Es war der Anfang vom Ende im Titelrennen für Liverpool, das mit großen Ambitionen in den Saisonendspurt gestartet war.

League Cup als einziger Titel zum Abschied

Vier Titel hätte der Klub aus dem Nordwesten Englands einheimsen können, am Ende wurde es ein einziger: der vergleichsweise unbedeutende League Cup, den man bereits Ende Februar für sich entscheiden konnte.

Die maue Titelausbeute des FC Liverpool, sie steht in großer Diskrepanz zum Lebenswerk ihres Trainers. Als Jürgen Klopp im Oktober 2015 das Zepter bei den "Reds" übernahm, war er mit einer Mission angetreten. "We have to change from doubters zu believers" (Wir müssen von Zweiflern zu Glaubenden werden).

Was nahezu sakral anmutete, ist in Liverpool zum Mantra geworden. Jürgen Klopp hat den temporär zur grauen Maus verkommenen englischen Erstligisten binnen weniger Jahre zu einem Spitzenteam der Liga geformt.

"Bevor Jürgen kam, befanden wir uns in einer Phase, in der wir begannen, uns Sorgen zu machen, in der zweiten Reihe des europäischen Fußballs zu verkommen", berichtet John Gibbons, Mitglied des Liverpool-Kollektivs "The Anfield Wrap", im Gespräch mit t-online. "Es lief ok, aber wir konnten nicht mehr um die großen Trophäen mitspielen. Als Jürgen Klopp durch die Tür kam, versprach er das alles zu ändern. Aber anstatt die Erwartungen zu dämpfen, wie so viele andere Trainer zuvor, hat er sie erhöht".

Bis auf die Europa League, in der er bereits in seinem ersten Halbjahr als Cheftrainer das Finale erreicht hatte, gewann Liverpool mit Klopp jeden möglichen Titel. "In vier Jahren werden wir etwas gewonnen haben", versprach er den Anhängern. Er sollte Recht behalten. Im Juni 2019 holte Liverpool erstmals seit 2005 die Champions League.

Am Sonntag stand das letzte Spiel mit Klopp an der Seitenlinie des FC Liverpool bevor, zu Hause gegen die Wolverhampton Wanderers. Ihm gehe die Kraft aus, hatte Klopp Ende Januar in einer Videobotschaft seinen Abschied angekündigt. Nach sieben Jahren in Dortmund und fast neun Jahren in Liverpool braucht selbst Tausendsassa Klopp eine Pause.

Der "Normal One" hat keine Kraft mehr

Die Energie, die Klopp seit Tag eins durch alle möglichen Bereiche des Klubs strömen ließ, sie hat ihn verlassen. Dem Mann, der sich damals in Anlehnung an den als "The Special One" bekannten Welttrainer José Mourinho gewohnt bescheiden als "The Normal One" – den "Normalen" – bezeichnete, hat keine Kraft mehr, den erneuten Wiederaufbau zu betreiben. Der zweifache Welttrainer, der Charismat und Menschenfänger, setzt einen vorläufigen Schlussstrich.

Seit Februar 2001 steht Jürgen Klopp fast ununterbrochen an der Seitenlinie. Der Fußball war schon immer sein Leben, bereits vor seiner Zeit als Trainer. Klopp, der es als Spieler nie über die 2. Liga hinausgeschafft hatte, avancierte binnen weniger Jahre zu einem absoluten Fachmann des runden Leders.

Bereits zum Ende seiner Spielerkarriere in Mainz galt er als verlängerter Arm des damaligen Trainers Wolfgang Frank. Zunächst ohne gültigen Trainerschein, übernahm er das Amt des Interimstrainers und machte seine Aufgabe so gut, dass ihn der damalige Sportdirektor Christian Heidel endgültig zum Chef beförderte. Der Anfang der Weltkarriere eines Mannes, dessen Wurzeln tief im Nordschwarzwald liegen.

Im Juni 1967 in Stuttgart geboren, wuchs Klopp mit zwei älteren Geschwistern in der kleinen Gemeinde Glatten auf. Es ist eine Stadt, mehr ein Dorf, wie man es in der schwäbischen Region kennt. Ein Bäcker, ein Metzger, ein Dönerladen. Wenige Fußmeter vom örtlichen Rathaus entfernt befindet sich die alte Grundschule, direkt gegenüber das Elternhaus Jürgen Klopps. Etwa 2.500 Menschen leben heute in der kleinen Gemeinde, die von den umliegenden Schwarzwaldtannen fast schon verschluckt wird.

Der Mann aus Glatten: Immer für ein "Schwätzle" gut

Seine Schwester Stefanie ist Inhaberin eines Seniorenstifts in Glatten, die Eltern mittlerweile beide verstorben. Spricht man mit Menschen in der Kleinstadt, geraten sie ins Schwärmen: "Wenn man hier in der Umgebung jemandem erzählt, dass man aus Glatten kommt, bringt das jeder mit Jürgen Klopp in Verbindung", berichtet eine Frau, die selbst aus der Gemeinde kommt.

"Als seine Mutter noch gelebt hat, war er immer mal wieder zu Besuch. Er war greifbar, nahbar. In der Ortsmitte ein kurzes "Schwätzle" halten, so habe ich ihn immer erlebt. Für uns Glattener war er ein umgänglicher Mensch, mit dem man über alles sprechen konnte", sagt die Frau voller Bewunderung.

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Im Juni 2011, wenige Tage nach dem Gewinn seiner ersten deutschen Meisterschaft mit Borussia Dortmund, stattete Klopp den Glattenern einen feierlichen Besuch ab. Die Stadt bereitete ihm einen großen Empfang. Als besonderes Geschenk erhielt er vom Bürgermeister einen Ehrenteller – und durfte sich ins Gemeindebuch eintragen.

Auch drei Jahre später war er anlässlich des Geburtstags seiner Mutter wieder in der Heimat – und damit dort, wo die Liebe zum Fußball entfacht wurde. Von 1973 bis 1983 spielte Klopp für den SV Glatten. Schwarz-Gelb sind die Vereinsfarben des Kreisligisten – dieselben jenes Klubs, mit dem er seine erste deutsche Meisterschaft feiern sollte. "Vielleicht bin ich auch deshalb zum BVB gegangen", erzählt er später. "Ich mochte den Klub schon länger."

Sportplätze neben der Kläranlage

Der Platz, auf dem Klopp das Fußballspielen lernte, ist ein reichlich unspektakulärer. "Sportanlage Riedwiesen" prangt ein großes Schild am Eingang der Sportanlage. Drei Tennis-Sandplätze befinden sich direkt neben dem Vereinsheim des SV Glatten, dessen zwei Fußballplätze an der örtlichen Kläranlage grenzen – umringt von großen Nordmanntannen.

"Es war eine sehr schöne Kindheit, die wir zusammen verbracht haben", erinnert sich Ingo Rath, der mit Klopp in der Jugend zusammengespielt hat. "Es war ein kleines Paradies. Keine große Stadt, aber jeder kannte sich und wir haben zusammen gespielt". Schaut man sich im Vereinsheim um, erinnert zunächst eigentlich nichts an eine Vergangenheit des Welttrainers in Glatten.

Doch dann grinst er einem plötzlich doch entgegen, die Arme verschränkt auf ein DinA4-Blatt gedruckt, daneben die Bierdeckel bereit zur Anwendung. Über einen QR-Code kann man seinen Persönlichkeitstyp erfassen. Umgänglich und enthusiastisch oder willensstark und entschlossen? Auf Klopp trifft alles zu.

"Wir haben als Kinder miteinander im Sandkasten gespielt", erzählt Bettina Wiedmaier, Besitzerin einer mittelgroßen Metzgereikette im "Ländle". Ihr Mann spielte früher ebenfalls gemeinsam mit Klopp beim SV Glatten, erzählt sie. Erinnerungen haben beide nur Gute. "Er war nie eingebildet. Jeder hier im Dorf freut sich für ihn und die großen Erfolge, die er errungen hat."

Titel wird es fortan allerdings keine mehr zu feiern geben. Dass Klopp sein angekündigtes Sabbatical unterbrechen wird, halten seine engsten Vertrauten für ausgeschlossen. "An alle Leute, die jetzt glauben, dass er in zwei Monaten wieder da ist: Das ist nicht Jürgen Klopp, dafür würde ich die Hand ins Feuer legen. Und ich weiß schon so ein bisschen, was er vorhat", gibt sein früherer Boss Christian Heidel bei "Sky" unkonkrete Einblicke in dessen Zukunft.

"Päckle Maultäschle" für den Jürgen

Metzgermeisterin Wiedmaier gönnt ihm die Pause – und die Ruhe mit der Familie. "Der soll mal ein halbwegs normales Privatleben haben können". Ihre Schwägerin Beate habe erst kürzlich wieder ein "Päckle selbschtgemachte Mauldäschle" nach Liverpool geschickt. "Die mag der Jürgen so gern".

Gegen Wolverhampton erfolgte nun der Abschied. Und in Liverpool vermisst man ihn schon jetzt. Direkt am Royal Albert Dock, einem Komplex aus Dockgebäuden und Lagerhäusern unmittelbar am Wasser, wurde ein großes Banner aufgehängt. "Jürgen hat uns daran erinnert, wer wir immer waren", ist in gelber Schrift auf rotem Grund zu lesen.

Direkt daneben: Das Konterfei Jürgen Klopps, der wie so oft sein Zähne zeigendes Grinsen aufsetzt. Es wird wohl kaum jemanden geben, der Klopp nicht vermissen wird. Für John Gibbons ist Klopp schon jetzt eine Legende. "Er ging immer mit gutem Beispiel voran, lobte andere für Erfolge und nahm Misserfolge auf sich. Wenn er sprach, war er ganz nah bei den Fans. Er sprach von Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit – und dass jeder seinen Teil dazu beiträgt."

Wenn Gibbons an den Abschied denkt, wird er wehmütig: "Wir werden den Trainer vermissen, wir werden den Menschen vermissen. Aber sein Vermächtnis wird weiterleben. Er hat den Verein verändert, indem er uns daran erinnert hat, was wir immer waren."

Klub-Legende Jamie Carragher, der Klopp im vergangenen Jahr noch für seine Transferaktivitäten kritisiert hatte, war bei dessen Abschiedsankündigung zunächst von einem grausamen Scherz ausgegangen. Doch es war keiner.

"Mein Herz ist gebrochen", schrieb er. Und mit Sicherheit nicht nur seins. Fans und Verein verlieren eine Trainerlegende, die niemals vergessen wird. Und noch in zehn Jahren werden Menschen zurückdenken an die Zeit mit Klopp vor "The Kop" und sich daran erinnern, wie er ein letztes Mal die Faust geballt hat, mit der unmissverständlichen, stummen Botschaft: You'll never walk alone.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort
  • "The Anfield Wrap"-Account bei X
  • Videobotschaft von Jürgen Klopp zu seinem Abschied
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