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Transfer-Wahnsinn des FC Chelsea: Ein riskantes Spiel


Chelseas 121-Millionen-Deal
Geld spielt keine Rolle mehr


Aktualisiert am 02.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Graham Potter übernahm den FC Chelsea von Thomas Tuchel. Doch der Erfolg hält sich bislang in Grenzen.Vergrößern des Bildes
Graham Potter übernahm den FC Chelsea von Thomas Tuchel. Doch der Erfolg hält sich bislang in Grenzen. (Quelle: Ryan Pierse)

Die Winter-Transferperiode ist vorbei. Vor allem ein Verein war besonders kauffreudig: der FC Chelsea. Der Klub warf mit Geld um sich – und geht ein hohes Risiko ein.

Am Ende griff Todd Boehly noch mal richtig tief in den Geldbeutel: Kurz vor Ablauf des Winter-Transferfensters verpflichtete der Chelsea-Besitzer am Dienstag Enzo Fernández vom portugiesischen Tabellenführer Benfica Lissabon. Kostenpunkt: Sage und Schreibe 121 Millionen Euro. Mit dem Transfer bricht der FC Chelsea reihenweise Rekorde: Fernández wird durch seinen Wechsel zum teuersten Premier-League-Transfer der Geschichte, zum teuersten Mittelfeldspieler überhaupt und zum teuersten argentinischen Fußballspieler jemals.

Es ist ein Deal der Marke Risikotransfer. Denn ob der junge Argentinier die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen kann, ist offen. Fraglos spielte Fernández eine starke WM und durfte an der Seite von Lionel Messi am Ende nicht nur den Weltpokal, sondern auch die Auszeichnung für den besten jungen Spieler in die Höhe recken. Doch vor dem Turnier in Katar war er noch ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt.

Kaum Erfahrung auf der großen Bühne

Fernández hat kaum Erfahrung auf der europäischen Fußballbühne. Erst vor einem halben Jahr, im Juli 2022, wechselte er nämlich von seinem argentinischen Ausbildungsverein River Plate nach Portugal zu Benfica. Damals für die heute mickrig anmutende Summe von 14 Millionen Euro. Durch eine damals vereinbarte Weiterverkaufsklausel in Höhe von 25 Prozent erhält River Plate nun noch mal 30 Millionen Euro.

Dennoch macht Benfica mit dem Fernández-Verkauf an Chelsea ein Plus von 77 Millionen Euro. Dabei machte der Argentinier gerade einmal 29 Pflichtspiele für die Portugiesen, erzielte dabei vier Tore und bereitete sieben vor. Pro Pflichtspiel hat Fernández seinen Wert also um rund 3,7 Millionen Euro gesteigert und Benfica einen Gewinn von knapp 2,7 Millionen Euro eingebracht.

Rekorde über Rekorde

Der Fernández-Deal ist Höhepunkt und Sinnbild einer beispiellosen Transfer-Offensive Chelseas, die ebenfalls Rekorde bricht. In seiner ersten Saison als Chelsea-Eigentümer seit der Übernahme im Mai 2022 hat Boehly 611,49 Millionen Euro in Transfers investiert. Zum Vergleich: Alle Bundesliga-Klubs investierten in dieser Saison eine Summe von gemeinsam 555 Millionen Euro in neue Spieler.

Kaum überraschend, dass Chelsea mit seiner Shoppingtour ebenfalls einen Rekord aufgestellt hat. Bislang gab es nämlich in der Geschichte des Fußballs noch keinen Verein, der in einer Saison mehr als 400 Millionen Euro für Transfers ausgegeben hat. Auch die Premier League insgesamt ist auf Rekordjagd. Die 20 englischen Erstligisten gaben in dieser Saison für neue Spieler knapp über drei Milliarden Euro aus und damit fast doppelt so viel wie bei der bisherigen Bestmarke.

Wie unnachhaltig speziell Chelsea dabei arbeitet, wird bei einem Blick auf die Einnahmen klar. Nur 67,83 Millionen Euro hat der Klub in dieser Spielzeit durch abgegebene Spieler eingenommen. Das macht allein in dieser Saison ein Transfer-Minus von 543,66 Millionen Euro. Die Regeln des "Financial Fairplay", nach denen ein Verein nicht wesentlich mehr Geld ausgeben darf, als er einnimmt, umgeht Chelsea durch ein Schlupfloch. Fernández und Mykhaylo Mudryk (kam für 70 Millionen Euro im Winter von Schachtjor Donezk) wurden beispielsweise mit Arbeitsverträgen bis 2031 ausgestattet, sodass die Londoner die Ablösesummen bilanztechnisch strecken können. Uefa und Fifa sollen bereits planen, dieses Schlupfloch zu schließen.

Zudem vereinbarte Chelsea für einige Deals, so auch bei Fernández, wohl Ratenzahlungen. Außerdem werden die Bilanzen durch die Einnahmen aus TV-Geldern verbessert, die in der Premier League höher sind als in den anderen europäischen Ligen.

Kehl: Chelseas Vorgehen "sehr wild"

Entsprechend gefrustet blickt man bei der Konkurrenz auf die Machenschaften bei Chelsea. Sebastian Kehl, Sportdirektor von Chelseas Champions-League-Achtelfinalgegner Borussia Dortmund, bezeichnete das Vorgehen der Londoner noch vor dem Fernández-Transfer als "sehr wild". Dem Fernsehsender Sky sagte er: "Geld spielt dort keine Rolle." Und weiter: "Wir müssen unser Geld hier auf eine andere Art und Weise einfach verdienen. Daher sind wir auch nicht in der Lage, solche Transfers umzusetzen."

Geld verdienen lässt sich im Fußball am besten mit sportlichem Erfolg. Doch da sieht es für den FC Chelsea in dieser Saison bislang gar nicht gut aus. Die Qualifikation für das Champions-League-Achtelfinale ist zwar geglückt, doch in beiden englischen Pokalwettbewerben ist man bereits ausgeschieden. In der Liga steht zudem bislang nur Platz zehn zu Buche – bereits zehn Punkte Rückstand sind es auf die Champions-League-Plätze für die kommende Saison. Nicht zuletzt deshalb zückte Besitzer Boehley im Winter noch mal so ausführlich das Scheckbuch.

Tuchel musste gehen

Auch die Trainer-Reißleine haben die "Blues" bereits gezogen. Nach einem holprigen Saisonstart wurde der deutsche Trainer Thomas Tuchel im September entlassen. Mit ihm hatte der Klub von der Stamford Bridge 2021 noch die Champions League gewonnen.

Doch der neue Besitzer wollte schnell eigene Akzente setzen und so ging es Tuchel nach dem schwachen Saisonauftakt – für viele Fans und Beobachter zu früh – an den Kragen. Nachfolger wurde Graham Potter von Ligakonkurrent Brighton & Hove Albion, für den ebenfalls 17 Millionen Euro Ablöse fällig wurden.

Nach einer vielversprechenden Anfangsphase setzt sich die sportliche Talfahrt unter dem neuen Trainer nun jedoch fort. Zum Vergleich: Tuchel übergab den Klub mit zehn Punkten aus sechs Spielen immerhin noch auf dem sechsten Tabellenplatz. Vier Monate später ist es jetzt also nur noch Platz zehn.

Ein riskantes Spiel

Trainer Potter steht schon jetzt enorm unter Druck – und dieser dürfte angesichts der kostspieligen Neuverpflichtungen nur steigen. Ohnehin ist das aufgeblähte Starensemble für den Coach schwierig zu managen. Nahezu unmöglich scheint es, jedem Spieler zufriedenstellende Einsatzzeiten zu geben. Sollte die Champions-League-Qualifikation für die kommende Spielzeit tatsächlich verpasst werden, würde sich das Problem noch mal verschlimmern. Denn Topspieler erwarten, mit ihrem Klub in der europäischen Königsklasse spielen zu können.

Zudem würden dem Verein wichtige Einnahmen für die Balance in den Finanzen wegbrechen. Todd Boehley spielt mit seiner Transfer-Offensive also ein riskantes Spiel. Es wird ein Ritt auf Messers Schneide – Ausgang offen.

Verwendete Quellen
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