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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bayern wenig meisterlich Das gab es in 1.100 Spielen nicht
![Vincent Kompany (l.) und Kingsley Coman: Sie waren mit dem FC Bayern beim Topspiel in Leverkusen klar unterlegen. Vincent Kompany (l.) und Kingsley Coman: Sie waren mit dem FC Bayern beim Topspiel in Leverkusen klar unterlegen.](https://images.t-online.de/2025/02/vKDQ6FrHMISf/774x48:1257x707/fit-in/1257x0/vincent-kompany-l-und-kingsley-coman-sie-waren-mit-dem-fc-bayern-beim-topspiel-in-leverkusen-klar-unterlegen.jpg)
Der FC Bayern hält zwar Leverkusen auf Distanz. Der historisch harmlose Auftritt im Topspiel wirft aber unangenehme Fragen auf.
Aus Leverkusen berichtet Julian Buhl
Wenn der FC Bayern Thomas Müller zu den Reportern in die Mixed Zone entsendet, obwohl der Vizekapitän nicht mal eingewechselt wurde, weiß man bereits, dass sich zuvor ungewöhnliche Dinge zugetragen haben müssen.
Das war nach dem torlosen Meistergipfel des FC Bayern in Leverkusen (0:0) am Samstagabend nicht anders, als der Münchner zur Überraschung der in der BayArena wartenden Journalisten zum Interview kam. Als t-online Müller zum Start nach seinem Fazit zu diesem seltsamen Auftritt des FC Bayern fragte, bei dem dem Rekordmeister nicht ein einziger Schuss aufs gegnerische Tor gelungen war, sagte er:
"Leverkusen hat ein gutes Spiel gemacht. Wir haben ein gutes Ergebnis mit nach Hause genommen und werden unseren Weg weitergehen." Dass Bayern grundsätzlich besser spielen könne, sei laut Müller "ersichtlich" gewesen. Aber du musst eben dann auch in diesen Spielen, wenn du merkst, dass das Momentum vielleicht nicht auf deiner Seite ist, einfach dagegen halten", so Müller weiter. "Und das haben wir gut gemacht."
Bayern so harmlos wie nie
Aber erstmals überhaupt, seit diese Daten seit 1992 statistisch erfasst werden, und nach über 1.100 Spielen, zur Halbzeitpause gar kein Torschuss und am Ende lediglich zwei Versuche, die nicht mal aufs Tor kamen. Harry Kanes harmloser und noch abgeblockter Schuss landete im Aus (73.). Auch Leon Goretzkas Kopfball flog links neben das Tor. Der Expected-Goals-Wert der Bayern, also die zu erwartende Anzahl an Toren, lag am Ende bei 0,05, was ebenfalls einen Negativrekord markierte.
Leverkusen hatte dagegen einen Expected-Goals-Wert von 2,19 und gleich zweimal großes Pech bei Lattentreffern (21., 25.). In der Nachspielzeit vergab Florian Wirtz zudem die Riesenmöglichkeit zum Siegtreffer und schoss knapp links vorbei. War das also wirklich meisterlich von Bayern?
"Ihr könnt das bezeichnen, wie ihr wollt, könnte es mit Adjektiven ummanteln, dass es kracht. Da gibt es ja ganz viele", sagte Müller in seiner ihm typischen schlagfertigen Art, als t-online ihm genau diese Frage stellte. "Ob es meisterlich war oder nicht – wir sind acht Punkte vorne. Es ist was jetzt? Februar!", sagte Müller. "Und am Dienstag haben wir die Chance, zu Hause (im Playoff-Rückspiel in der Champions League gegen Celtic Glasgow, Anm. d. Red.) weiterzukommen. Und um den Rest kümmern wir uns nicht."
Zum Zustandekommen dieses ungewöhnlichen Bayern-Auftritts müsse man "auch dazu sagen, dass Leverkusen wirklich gut gespielt hat", fuhr Müller fort. "Sie haben sich das erste Mal tatsächlich auch getraut, gegen uns zu pressen. Und leider ist ihr Konzept da so ein bisschen aufgegangen."
Dieser Makel haftet jetzt an der Meisterschaft
Mit ihrem couragierten Auftritt gegen die Rekordmeister erinnerten die Leverkusener an das, was unweit von Müller an der Wand im Stadion zu sehen ist. Dort hängt nämlich ein eingerahmtes Foto-Poster, auf dem Leverkusens Chefcoach Xabi Alonso umringt von seinen Spielern mit der Meisterschale in der Hand zu sehen ist. Aus Bayern-Sicht sind das, keine Frage, böse Erinnerungen.
Als Tabellenführer mit dem von Müller angesprochenen verteidigten Acht-Punkte-Vorsprung ist Bayern nach der titellosen vergangenen Saison nun zumindest in der Meisterschaft weiter auf dem besten Weg, die aufmüpfigen Leverkusener wieder vom Thron zu stürzen. Mit dem sechsten sieglosen Pflichtspiel gegen Bayer bleibt für Bayern dabei aber ein kleiner Makel an der möglichen Meisterschale haften. Es bleibt dabei: Gegen Xabi Alonso, der in allen sechs bisherigen Duellen mit seinem Ex-Klub nach wie vor ungeschlagen ist, können die Münchner einfach nicht gewinnen.
Freund: "Das war heute das Maximum"
Was man trotzdem nun aus Leverkusen mitnimmt? "Einen Punkt", sagte Sportdirektor Christoph Freund zu t-online und grinste. Und, dass Bayern mal ein anderes Spiel gezeigt habe, als man das normalerweise gewohnt sei, kommentierte er so: "Aber wir haben gefightet, uns den Punkt erkämpft. Das war heute das Maximum, was drin war gegen eine richtig gute Leverkusener Mannschaft."
Bayern-like war dieser Auftritt aber nicht. Er entsprach auch ganz und gar nicht dem eigentlich auf Dominanz, Ballbesitz und Pressing ausgerichteten Spielansatz von Cheftrainer Kompany.
Davon war in Leverkusen rein gar nichts mehr zu sehen. Auch Sky-Experte Lothar Matthäus verwunderte das sehr: "So harmlos habe ich die Bayern noch nie gesehen. Nicht mal zu meinen Zeiten."
"Für uns fühlt sich der Punkt besser an als für Leverkusen"
Wie Freund in seiner Analyse fortfuhr, mache er sich aufgrund der ungewohnten Harmlosigkeit aber keine Sorgen. "Wir können sicher viel besser Fußball spielen. Das haben wir sehr oft gezeigt", sagte der Österreicher und erinnerte gleichzeitig an Spiele, in denen Bayern extrem dominant aufgetreten sei, dann aber nicht gewonnen habe.
23. Spieltag
"Heute war ein anderes Spiel", sagte er, "aber die Tugenden, die heute gefragt waren, haben wir auf den Platz bekommen. Für uns fühlt sich der Punkt sicher besser an als für Leverkusen."
Eberl: "Das liegt nicht in der Bayern-DNA"
Das wertete auch Sportvorstand Max Eberl so, der zumindest mit dem Ergebnis ebenfalls zufrieden war. "Es war nicht typisch für uns, zu verteidigen, es liegt nicht in der DNA der Bayern, auf Unentschieden zu spielen", sagte Eberl bei Sky, "aber Leverkusen hat ein tolles Spiel gemacht und uns nicht viel erlaubt." Eberl gab – wie auch die Spieler und konkret beispielsweise Aleksandar Pavlović – unumwunden zu: "Eigentlich wollten wir unser Spiel durchziehen, aber das ist uns zum ersten Mal in dieser Saison nicht gelungen." Trotzdem habe "die Mentalität unserer Mannschaft gestimmt".
Dass Bayern sein Spiel nicht wie gewohnt entfalten konnte, lag auch viel an Leverkusens Granit Xhaka. Er entschied auch das Mittelfeld-Duell der beiden Kapitäne der Schweizer und der deutschen Nationalelf gegen Joshua Kimmich klar für sich. Dem 20 Jahre alten Pavlović, den er in einer Szene tunnelte (27.), erteilte er gar eine Lehrstunde in Sachen Präsenz und Spielkontrolle. Die Wirkungskreise von Jamal Musiala grenzte er ebenfalls derart ein, dass dessen erhoffter Vertragsverlängerungs-Boost komplett verpuffte.
In der Interviewzone wurde Xhaka zumindest von einem Bayern trotzdem herzlich begrüßt. Eberl nahm Xhaka, den er einst als Manager zu Borussia Mönchengladbach in die Bundesliga geholt hatte, freundschaftlich in den Arm.
Xhaka: "Sie haben uns heute gespürt, wir geben nicht auf"
Anschließend sagte Leverkusens Leader im ZDF: "Es gibt wenige Mannschaften, die Bayern dieses Jahr so dominiert haben wie wir. Wir können wirklich sehr stolz sein", sagte er. "Dieser Charakter, diese Mentalität, dieses Spiel – was gefehlt hat, war ein Tor. Wir hätten heute mehr als verdient gewonnen."
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Kompany erinnerte daran, dass die Kräfteverhältnisse sich im Hinspiel noch "fast umgekehrt" dargestellt hatten. Die spielerische Unterlegenheit hat ihm mit Sicherheit alles andere als gefallen. "Wichtig war, dass wir gezeigt haben, dass wir auch verteidigen können", sagte er und ergänzte anerkennend: "Wenn eine Mannschaft es sich verdient, dass wir mal tiefer verteidigen müssen, dann ist es so."
Xhaka sah darin durchaus ein Signal von Bayer an die Bayern und schickte mit Blick auf den Meisterkampf gleich noch eine kleine Kampfansage Richtung München: "Sie haben uns heute gespürt. Wir geben nicht auf."
Die Zeit läuft spätestens ab jetzt allerdings gegen Leverkusen und für die Bayern. Schließlich sind nur noch zwölf Spieltage zu absolvieren, an denen Bayer auf Patzer von Bayern hoffen muss. Der Harmlos-Auftritt der Münchner könnte sich dabei am Ende doch noch als Meisterstück erweisen.
- Reporter vor Ort in Leverkusen
- Mixed-Zone-Gespräche mit Thomas Müller, Christoph Freund und Aleksandar Pavlović
- Aussagen von Max Eberl und Lothar Matthäus bei Sky
- Aussagen von Granit Xhaka im ZDF