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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte wird deutlich Weltmeister kritisiert Bayern-Star: "In Frankreich erwarten wir mehr"
Ex-Bayern-Star Bixente Lizarazu spricht bei t-online über das Duell seines ehemaligen Klubs mit Paris Saint-Germain. Einen Münchner Shootingstar kritisiert er scharf.
Der ehemalige Bundesligaprofi Bixente Lizarazu hat sich noch immer nicht an den neuen Ablauf der Champions League mit 36 Mannschaften in einer großen Liga gewöhnt. In der Königsklasse treffen am Dienstagabend sein Ex-Klub FC Bayern und Frankreichs Top-Team Paris Saint-Germain aufeinander (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online).
"Es ist natürlich ein großes Spiel für beide Mannschaften", sagte Lizarazu t-online vor dem Kräftemessen der beiden Schwergewichte des europäischen Fußballs. "Die neue Champions League mit dem Ligaformat fühlt sich für mich aber noch ein bisschen komisch an."
Worauf Lizarazu damit anspielt: Sowohl für den FC Bayern als auch für PSG ist das direkte Duell am 5. Spieltag bereits eine Art Endspiel in der Königsklasse. Für beide ist ein Sieg im Grunde Pflicht, um in der Tabelle nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Schon jetzt ist die direkte Qualifikation fürs Achtelfinale für die ambitionierten Top-Klubs in weite Ferne gerückt.
Denn: Die Franzosen sind mit gerade einmal vier Punkten nach vier Spielen nur 25. der Tabelle. Die Münchner befinden sich mit sechs Zählern auf Rang 17. ebenfalls nicht im Soll, müssen sich noch deutlich steigern, wollen sie das Endspiel im eigenen Stadion im Mai 2025 erreichen. Im Falle einer Niederlage droht beiden bereits das frühe Aus – oder zumindest auf dem Weg ins Achtelfinale der Umweg über die Playoffs.
"PSG hat seine gesamte Denkweise verändert"
Für die Bayern wäre ein Ausscheiden zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe. Doch auch für Paris käme das frühzeitige Ende der Champions-League-Saison überaus bitter. Denn das würde bedeuten, dass man in der ersten Spielzeit nach dem Abgang von Kylian Mbappé den damit einhergehenden Qualitätsverlust auf internationaler Ebene nicht kompensieren konnte.
Passend dazu sagte Lizarazu, der Wechsel des Superstars zu Real Madrid bedeute für PSG "das Ende einer Ära". Der Pariser Klub habe "seine Organisation und seine gesamte Denkweise verändert." Zuvor habe PSG "die Idee verfolgt, ein Team mit großen Stars wie Messi, Neymar und Mbappé zu haben", führte der frühere Bayern-Profi aus, der in seiner Karriere mit der französischen Nationalmannschaft 1998 Weltmeister und zwei Jahre später Europameister geworden war.
"Jetzt haben sie entschieden, das zu ändern. Das Wichtigste ist jetzt das Team als Kollektiv. Sie haben ein neues Projekt gestartet und nach dem Abschied von Mbappé nun keinen großen Topstar mehr in der Mannschaft." Auch wenn es in der Champions League bisher nicht läuft: In der französischen Liga scheint dieser Plan bislang aufzugehen. Dort ist Paris nach zwölf Spieltagen noch ungeschlagen (10 Siege, 2 Remis) und mit sechs Punkten Vorsprung auf Monaco souveräner Tabellenführer.
"In großen Spielen wie gegen Bayern merkst du das"
"In Frankreich dominieren sie, keiner kann mit ihnen mithalten", sagte Lizarazu, der PSG auch grundsätzlich auf einem "guten Weg" wähnt, ein "richtiges Team" zu werden. Dann folgt aber auch schon das große Aber. "Es ist eine sehr junge Mannschaft", sagte der 54-Jährige. In der Champions League habe man bereits gesehen, "dass sie Probleme hatten – was Erfahrung und Intensität betrifft. Vor allem in den großen Spielen wie jetzt gegen Bayern merkst du das."
Sowohl gegen Arsenal (0:2) als auch zuletzt gegen Atlético Madrid (1:2) zahlte das junge PSG-Team bereits Lehrgeld. "Bayern ist der klare Favorit", ist Lizarazu der Meinung. Dennoch traut er Paris eine Überraschung in München zu. "Fußball ist manchmal verrückt", sagte er darauf angesprochen, und lachte. "In diesem Spiel kannst du dir immer alles vorstellen."
Zumal PSG hauptsächlich in der Offensive über Waffen verfügt, die den Bayern gefährlich werden könnten. An erster Stelle nennt Lizarazu in diesem Zusammenhang den früheren Dortmunder Ousmane Dembélé – und warnt auch vor Bradley Barcola auf dem anderen Flügel. "Beide sind sehr schnell, torgefährlich und können sehr gut dribbeln", so Lizarazu. "Diese beiden Spieler sind wirklich sehr gefährlich und im Eins-gegen-Eins kaum zu stoppen. Wenn du sie nicht doppelst, bekommst du Probleme."
"In Frankreich erwarten wir mehr von ihm"
Das gilt auf der anderen Seite allerdings auch für Bayerns Außenspieler und dabei allen voran für den französischen Neuzugang Michael Olise. Mit bereits sieben Toren und vier Vorlagen in den ersten 16 Pflichtspielen ist der 22-Jährige, der im Sommer für knapp 50 Millionen von Crystal Palace nach München kam, einer der Shootingstars dieser Saison.
"Olise hatte einen guten Start bei Bayern", sagte Lizarazu. "Bei der französischen Nationalelf ist das aber nicht der Fall." In seinen ersten vier Spielen für die "Équipe Tricolore" war Olise bislang noch an keinem Treffer beteiligt. "Wir sehen in Frankreich, dass er großes Talent, ein gutes Dribbling, einen guten Pass und Torabschluss hat", so der ehemalige Linksverteidiger, "aber in Frankreich und im französischen Nationalteam erwarten wir mehr von ihm."
Olise sei sehr jung und müsse seinen Rhythmus noch finden, so Lizarazu. "Es ist ein großer Schritt, bei Bayern zu spielen. Michael Olise muss noch viel lernen." Von großen Vergleichen mit Franck Ribéry, der eine Ära bei Bayern prägte und 2013 den Champions-League-Titel gewann, hält Lizarazu deshalb wenig.
"Es gibt nur einen Franck Ribéry. Und es wird immer nur einen Michael Olise geben", erklärte er. "Ich hoffe, dass er mal eine ähnlich fantastische Karriere bei Bayern macht, wie Franck sie dort hatte."
Französische Profis und ein Stück "französische Kultur" beim deutschen Rekordmeister seien schließlich mittlerweile schon eine "große Tradition", so Lizarazu. Als zweiter Franzose, der nach Jean-Pierre Papin 1997 nach München kam, begründete er diese selbst mit – und hofft jetzt auf ihre Fortsetzung.
"Die Geschichte von französischen Spielern und Bayern ist eine großartige und wunderschöne. Wenn ein Franzose zu Bayern geht, erwarte ich eigentlich immer, dass er die weiterschreibt und Erfolg hat", so Lizarazu.
Lizarazu über Upamecano: "Als hätte er Selbstvertrauen verloren"
Als Abwehrchef ist Dayot Upamecano momentan wieder auf einem guten Weg dahin, nachdem er seinen Stammplatz beim FC Bayern aufgrund mehrerer spielentscheidender Patzer zwischenzeitlich verloren hatte. Mittlerweile präsentiert sich der französische Nationalspieler wieder in Topform, blieb mit Bayern zuletzt sechsmal in Folge ohne Gegentor.
"Er hat großes Potenzial. Aber er hatte auch schon Momente, in denen es aussah, als hätte er sein Selbstvertrauen verloren", äußerte Lizarazu. "Wir haben ihn bei Bayern und in der Nationalelf schon sehr gut spielen sehen – und auch schon mit großen Problemen."
Eine ähnliche Achterbahnfahrt hat auch Kingsley Coman hinter sich. Im Sommer galt er noch als Verkaufskandidat, ein möglicher Wechsel nach Saudi-Arabien scheiterte wohl nur an seinem persönlichen Veto. Nach einem schwierigen Saisonstart gehört Coman unter Kompany nun wieder zur Stammformation.
"Wenn er verletzungsfrei und bei 100 Prozent ist, ist er ein fantastischer Spieler", sagte Lizarazu. "Er ist sehr gut am Ball, liefert gute Flanken, hat einen guten Schuss, bringt eigentlich alles mit für einen Top-Flügelspieler."
Dass er auch große Spiele entscheiden kann, zeigte Coman nicht zuletzt mit seinem entscheidenden Kopfballtreffer im Champions-League-Finale 2020. Bayern-Gegner damals: Paris. Dort spielte Coman übrigens von 2005 bis 2014 in der Jugend – den Durchbruch schaffte er nach der Zwischenstation Juventus Turin dann aber woanders: beim FC Bayern. Vielleicht war Coman also ein warnendes Beispiel, das die PSG-Verantwortlichen bei ihrer Neuausrichtung des Klubs im Hinterkopf hatten.
- Telefonisches Interview mit Bixente Lizarazu
- Eigene Recherche