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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Debakel in Barcelona Macht er es jetzt wie bei Tuchel?
Beim Debakel des FC Bayern in Barcelona ist Leon Goretzka der heimliche Gewinner. Er ist in der Mittelfeldhierarchie aufgerückt. Jetzt geht es für ihn an einen Schicksalsort.
Mit traurigem Blick saß Leon Goretzka am Mittwochabend im Bankettsaal im Untergeschoss des Teamhotels "Sofitel", in dem der FC Bayern für seine Auswärtsreise zum FC Barcelona sein Quartier bezogen hatte. Die 1:4-Niederlage, die er zuvor mit dem deutschen Rekordmeister im Duell mit Ex-Trainer Hansi Flick erlebt hatte, setzte ihm offenbar noch immer zu.
Warum? Weil er im Rahmen des Viererwechsels, den sein Trainer Vincent Kompany in der 60. Minute beim Stand von 1:4 vorgenommen hatte, zu seinem bislang längsten Saisoneinsatz kam. Besonders bemerkenswert: Kompany nahm 50-Millionen-Euro-Neuzugang João Palhinha raus und brachte Goretzka vor Konrad Laimer, den er dann erst in der 85. Minute ebenfalls noch einwechselte.
Der deutlich offensivstärkere Goretzka, den der Belgier im bisherigen Saisonverlauf kaum und insgesamt gerade einmal für 51 Spielminuten berücksichtigt hatte, sollte es im zentralen Mittelfeld also richten. Die erhoffte Wende blieb zwar aus, Goretzka darf seinen Jokereinsatz dennoch als wohlwollendes Zeichen seines Trainers verstehen. Nach der Verletzung von Aleksandar Pavlović, der an der Seite von Joshua Kimmich im zentralen Mittelfeld zuvor gesetzt war, braucht Kompany Goretzka nun plötzlich doch wieder, nachdem er ihn eigentlich bereits aussortiert hatte.
Goretzka rückt in der Mittelfeldhierarchie vor
Weil Pavlović sich am vergangenen Samstag beim 4:0 gegen den VfB Stuttgart das Schlüsselbein gebrochen hat, wird der 20-Jährige in diesem Jahr nämlich kein Spiel mehr für Bayern bestreiten können. Sein erster Vertreter dürfte in den kommenden Wochen zwar weiterhin Palhinha bleiben.
Goretzka ist, wie in Barcelona zu beobachten war, in der Mittelfeldhierarchie aber vorerst an die Position direkt hinter dem Portugiesen vorgerückt. Vor ein paar Wochen hatte Sportvorstand Max Eberl ihn im internen Teamranking noch öffentlich zur Nummer fünf erklärt. Diese Degradierung bestätigte Kompany zumindest indirekt, indem er ihn zuletzt größtenteils nur noch als Aushilfsinnenverteidiger eingewechselte. Schon zweimal strich er Goretzka komplett aus dem Kader – beim Pokalspiel in Ulm sowie in Kiel.
11. Spieltag
Am Sonntag geht es für den FC Bayern nun zum VfL Bochum. Gut möglich, dass der gebürtige Bochumer Goretzka ausgerechnet gegen seinen Heimatklub seine nächste Bewährungschance erhalten wird – möglicherweise sogar erstmals in der Startelf. Auch dabei könnte er gegen einen tief stehenden Gegner mit seiner Offensivstärke wieder gefragt sein – und Laimer weniger.
Wird Bochum zum Wendepunkt für Goretzka?
Nach schwierigen Wochen und Monaten, die Goretzka nach seiner Ausbootung in der Nationalmannschaft für die Heim-EM nun auch bei Bayern hinter sich hat, könnte die Auswärtsreise nach Bochum für ihn den Wendepunkt zum Positiven markieren.
Nachdem Goretzka schon vor der vergangenen Saison einen schweren Stand bei Thomas Tuchel hatte, seinen Ex-Trainer dann aber doch noch überzeugen konnte und am Ende auf 42 Einsätze kam, hofft er jetzt darauf, dass ihm Ähnliches auch unter Kompany gelingen wird.
Matthäus: "Bei mir würde Goretzka spielen"
Unterstützung erhielt er schon vor dem Spiel in Barcelona von Lothar Matthäus. "Leon ist ein Spieler, der meiner Meinung nach zu schlecht wegkommt, sowohl in der Nationalmannschaft als auch beim FC Bayern", sagte der deutsche Rekordnationalspieler in der Sendung "Sky90".
Matthäus merkte an, dass er zwar nicht wisse, was im Training passiere. "Aber bei mir würde wahrscheinlich Goretzka spielen." Matthäus ging sogar noch weiter: "Ich hätte dann auch vielleicht gar keinen Palhinha gebraucht für 50 Millionen. Ich hätte auf Goretzka gesetzt", sagte der 63-Jährige.
Stattdessen wurde Goretzka im Sommer aber mitgeteilt, dass er in den Planungen von Kompany keine große Rolle mehr spiele, und damit ein Abschied aus München nahegelegt. Goretzka entschied sich trotzdem zu bleiben und auf seine Chance zu warten. Die könnte jetzt gekommen sein.
"Vor fünf Wochen war er noch ganz weg", sagte Matthäus, "wer weiß, wo die Reise hingeht." Erst mal geht sie für die Bayern nach Bochum und für Goretzka damit zweifellos an seinen ganz persönlichen Schicksalsort.
- Eigene Recherche
- Aussagen von Lothar Matthäus bei Sky90 am 20. Oktober