Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Nicht mehr und nicht weniger Der Fall Wirtz: Das steckt in Wahrheit hinter den Aussagen

Hoeneß schwärmt, Leverkusen tobt: Darf Bayern so offensiv über Wirtz sprechen, obwohl er – eigentlich – nicht mal auf dem Markt ist?
Entwickelt sich der Transferpoker um Florian Wirtz am Ende noch zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern München? Während Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß öffentlich von Wirtz als "Wunschspieler" schwärmt, reagiert Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro verärgert und wirft dem Rekordmeister "Show" und Unprofessionalität vor.
Offiziell liegt bislang kein Angebot aus München vor – doch die verbalen Vorstöße sorgen für Spannungen.
Bayerns Sportvorstand Max Eberl zeigt sich von Carros Kritik unbeeindruckt: "Wir leben in einer freien Welt, da kann man das äußern. Aber mich persönlich hat das nicht tangiert, weil ich in der Causa sehr zurückhaltend war." Eberl hält sich laut eigener Aussage bewusst aus öffentlichen Diskussionen heraus und verweist auf die Aussagen von Hoeneß und Rummenigge, die den Spieler sehr schätzen.
Die Debatte wirft dennoch Fragen auf. Vor allem diese:
Ist es angemessen, dass sich wiederholt jemand vom FC Bayern öffentlich zu Florian Wirtz äußert?

Ja, das gehört zu einer modernen Transferstrategie
Das ist keine Respektlosigkeit – das ist Geschäft. Und es ist das gute Recht eines jeden Vereins, öffentlich über Spieler zu sprechen, die Fußball-Deutschland prägen. Florian Wirtz ist aktuell der vielleicht talentierteste Akteur der Bundesliga – warum also sollte ausgerechnet der FC Bayern, der größte Klub des Landes, sich dazu nicht äußern dürfen? Welcher Klub träumt denn nicht davon, diesen Spieler mal in seinen Reihen zu haben?
Uli Hoeneß hat niemanden beleidigt, nicht mit dem Geldkoffer gewunken oder Leverkusen unter Druck gesetzt. Er hat seine Bewunderung geäußert. Dahinter steckt in Wahrheit einfach ein Zeichen von Interesse – nicht mehr, nicht weniger. In einer Branche, in der Gerüchte, Meinungen und Transferdebatten zum Alltag gehören, kann das nicht ernsthaft als Skandal gewertet werden.
Wer glaubt, dass Transfers nur im Hinterzimmer entstehen, hat den modernen Fußball nicht verstanden. Öffentlichkeit gehört längst zur Strategie. Wer früh Interesse signalisiert, positioniert sich – bei Fans, Spielern und Beratern. Das ist keine Show, das ist Teil des Spiels. Leverkusen muss damit umgehen können. Der Klub will zu den Großen gehören? Dann bitte auch in solchen Momenten.

Nein, Bayern zeigt kein Fingerspitzengefühl
Die Aussagen aus München sind übergriffig. Florian Wirtz steht bei Bayer Leverkusen unter Vertrag – und zwar langfristig. Dass ausgerechnet Uli Hoeneß, der jahrzehntelang auf Respekt und Diskretion pochte, öffentlich Stimmung macht, ist ein Affront. Er sagt sinngemäß: "Wirtz gehört perspektivisch zu uns." Als wäre Leverkusen ein Ausbildungsverein für München. Das ist anmaßend – und gefährlich.
Hier geht es gar nicht nur um einen Spieler, sondern um Machtverhältnisse. Wenn Bayern bei jedem Top-Talent öffentlich klarmacht, dass es früher oder später nach München wechseln wird, torpediert das die Ambitionen der Konkurrenz. Das schadet der Liga. Und es setzt Wirtz einem unnötigen Druck aus – medial, emotional, vielleicht sogar sportlich.
Leverkusens Reaktion ist daher absolut nachvollziehbar. Ein Klub, der alles richtig gemacht hat – Ausbildung, Vertrag, Entwicklung – wird nun öffentlich übertönt. Das ist nicht clever. Wer Florian Wirtz wirklich schätzt, der spricht direkt mit Leverkusen – und nicht lautstark in jedes Mikrofon. Bayern war einst größer als das.
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