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EM 2022 in England | DFB-Star Melanie Leupolz fehlt: "Der beste Grund abzusagen"


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DFB-Star fehlt in England
Der beste Grund abzusagen

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 06.07.2022Lesedauer: 6 Min.
Melanie Leupolz: Die Chelsea-Spielerin gewann bereits 2013 mit dem DFB-Team den EM-Titel.Vergrößern des Bildes
Melanie Leupolz: Die Chelsea-Spielerin gewann bereits 2013 mit dem DFB-Team den EM-Titel. (Quelle: Hübner/imago-images-bilder)

Wenn die deutsche Mannschaft am Freitag in die EM startet, wird eine Spielerin nicht im Kader stehen: Melanie Leupolz. Der Grund ist ein besonderer.

Mit viel Selbstvertrauen, aber ohne Mittelfeldspielerin Melanie Leupolz wird die deutsche Nationalmannschaft am Freitag in die EM starten. Dass die Europameisterin von 2013 nicht am Turnier in England teilnehmen wird, steht aber bereits sei März fest. Leupolz ist schwanger.

Die 28-Jährige erwartet ihr erstes Kind. Dass die Mittelfeldspielerin des FC Chelsea dadurch das Turnier in ihrer Wahlheimat verpasst, sei zwar bitter, wie sie t-online erzählt. Allerdings freue sie sich auf den neuen Lebensabschnitt.


Doch was bedeutet eine Schwangerschaft eigentlich für eine Fußballspielerin? Und wie kompliziert gestaltet sich eine Rückkehr in den Profibetrieb? Darüber und über das am Mittwoch in Manchester startende Turnier hat t-online mit der Nationalspielerin gesprochen.

t-online: Frau Leupolz, am Mittwoch eröffnete England gegen Österreich (1:0) die EM. Trauen Sie den Gastgeberinnen den Titel zu?

Melanie Leupolz (28): Sie haben unglaublich viele Talente bei sich im Kader, gegen die ich selbst in der Women's Super League schon spielen durfte. Mit Sarina Wiegman haben sie eine Toptrainerin, die 2017 die Niederlande zum Titel geführt hat. Mit den Fans im Rücken können sie weit kommen. Generell wird die Stimmung in den Stadien fantastisch sein, da können wir uns auf ein Fußballfest freuen.

Am Freitag startet das DFB-Team ins Turnier. Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Spielerinnen in England ein?

Ich zähl' uns auf jeden Fall zu den Mitfavoriten. Der Test gegen die Schweiz (7:0) hat dem Team noch mal Selbstvertrauen gegeben. Aber beim Arnold Clark Cup haben zuletzt die Ergebnisse nicht gestimmt. Da hat sich gezeigt, dass Kleinigkeiten entscheiden. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir ein erfolgreiches Turnier absolvieren.

Sie stehen aktuell beim FC Chelsea, einem Topteam der Women's Super League, unter Vertrag. Oft liest man, in England sei alles besser und professioneller. Stimmt das?

Die deutschen Topmannschaften wie Bayern und Wolfsburg können mit den englischen absolut mithalten, da ist England keinesfalls meilenweit entfernt. Was aber in der englischen Liga deutlich besser ist, sind die von der Liga auferlegten Regeln. In der Bundesliga gibt es immer noch Spielerinnen, die Vollzeit arbeiten und dann abends trainieren. So etwas gibt es in England nicht. Das muss geändert werden, damit das Niveau in der Bundesliga steigt.

Was ist sonst noch anders bei Chelsea?

Wir müssen nach jedem Spiel eine App ausfüllen und den Platz bewerten. Ob er zu hart oder zu weich war und ob der Ball gut lief. Entsprechend müssen die Vereine für gute Plätze sorgen. Es muss bei jedem Training medizinisches Personal mit dabei sein. Ich freue mich sehr, dass die EM in England stattfindet – und Spielerinnen aus anderen Ländern sehen, welche Topbedingungen hier herrschen.

Sie persönlich können aufgrund Ihrer Schwangerschaft nicht an der EM teilnehmen.

Das ist jetzt ein völlig anderer Lebensabschnitt für mich, aber ich freue mich total. Es ist schade, dass ich die EM verpasse, aber ich hatte das Glück, beim Triumph 2013 mit dabei sein zu dürfen. Meine persönliche Situation macht mich sehr glücklich, deswegen überwiegt die Freude.

Anfang März haben Sie Ihrem Klub die Schwangerschaft kommuniziert, der veröffentlichte ein Statement. Wie fielen die Reaktionen aus?

Durchweg positiv, was ich überhaupt nicht so erwartet hätte. Gefühlt gibt es immer noch dieses Denken: "Du bist Leistungssportlerin, erst danach kannst du eine Familie gründen." Aber momentan scheint sich das zu wandeln. Es gibt mehr und mehr Spielerinnen, die nach ihrer Schwangerschaft in den Profifußball zurückgekehrt sind. Das macht Mut.

Im EM-Kader der Isländerinnen stehen beispielsweise fünf Mütter.

Auch das zeigt, dass sich etwas tut. Trotzdem hatte ich zunächst ein unangenehmes Gefühl, den Verantwortlichen meine Schwangerschaft mitzuteilen. Die Trainerin plant ja mit einem. Aber Emma Hayes (Trainerin des FC Chelsea, Anm. d. Red.) hat klasse reagiert und sich nur gefreut. Wir sind im engen Austausch bezüglich der medizinischen Betreuung und des Trainings. Auch meine Mitspielerinnen haben sich sehr für mich gefreut und eine Überraschungsparty organisiert. Diese positiven Reaktionen geben mir die Kraft und Zuversicht, zurückzukommen. Ich habe kein schlechtes Wort gehört.

Die deutsche Tennisspielerin Tatjana Maria erreichte am Dienstag sensationell das Halbfinale von Wimbledon – 15 Monate nach ihrer Schwangerschaft. Sie fühlt sich vom Weltverband WTA im Stich gelassen.

Ich kann ihren Fall nicht bewerten. Aber wenn der Verband und das Umfeld für einen da ist und Sponsoren einen nicht fallenlassen, dann ist eine Rückkehr absolut möglich. Ich möchte Vorbild sein und zeigen: "Du musst dich nicht zwischen Familie und Karriere entscheiden." Und Tatjana Maria zeigt gerade auf beeindruckende Art und Weise, dass es geht.

Wie hat die Bundestrainerin auf Ihre Schwangerschaft reagiert?

Ebenfalls nur positiv. Martina (Voss-Tecklenburg, Anm. d. Red.) meinte zu mir, dass das der beste Grund sei, so ein Turnier abzusagen. Und auch meine Nationalmannschaftskolleginnen, die ich vor der Abreise nach England im Trainingslager in Herzogenaurach besucht habe, haben sich total für mich gefreut.

Wie sehr haben sich Ihr Training und Ihr Alltag seitdem verändert?

In den ersten Monaten habe ich noch, ohne Körperkontakt, mit der Mannschaft trainiert und aufgepasst, dass ich keinen Ball in den Bauch bekomme. Mittlerweile arbeite ich viel von zu Hause aus, mache viel Yoga und meditiere – und nutze dabei auch die Produkte meines Partners Peloton, die bestimmte Prä-Natal-Kurse für werdende Mütter anbieten. Oder auch Kraftkurse, wie es mir eben gut tut. Ich gehe auch noch joggen oder aufs Bike. Jeder muss schauen, was möglich ist.

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Sie haben einen bestehenden Vertrag bei Chelsea, müssen aber logischerweise mindestens ein Jahr pausieren. Müssen Sie finanzielle Einbußen hinnehmen?

Das Feld ist absolutes Neuland. Als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, habe ich erst einmal gegoogelt, welche Rechte Leistungssportlerinnen in solchen Fällen haben – aber man findet fast gar nichts. Bei Chelsea bin ich die erste werdende Mutter. Die Fifa hat vor etwa einem Jahr neue Regelungen publiziert, die einen Mutter- und Kündigungsschutz beinhalten. Davor konnten Vereine schwangeren Spielerinnen einfach kündigen. Jetzt bekommt man auf dem Papier zumindest für ein paar Wochen Teile seines Gehalts. Ich habe mich damit aber ehrlicherweise nicht groß beschäftigt, weil ich von Chelsea eine weitaus bessere Unterstützung bekomme als das, was sie anbieten müssten.

Mit Almuth Schult befindet sich im deutschen Kader eine Mutter. Haben Sie sich mit ihr ausgetauscht, wie es ihr während ihrer Schwangerschaft erging?

Wir haben miteinander gesprochen, als ich beim DFB-Team in Herzogenaurach war. Alle Mädels hatten ganz viele Fragen, weil niemand so richtig über dieses Thema Bescheid weiß. Das Doofe ist, dass es in jedem Verein und Land eben unterschiedliche Regelungen gibt, weswegen ich keine grundsätzlichen Antworten geben konnte. Es wird schon viel Verantwortung in unsere Hände gelegt. Da gibt es keine Guideline, was beim Training richtig oder falsch ist. Chelsea hat mir aber beispielsweise eine Beckenboden-Trainerin organisiert, damit ich nach der Geburt schnell meine Kernstabilität zurückerhalte. So etwas hätte sich Almuth auch gewünscht.

Auch wenn die Geburt Ihres Kindes noch aussteht: Haben Sie schon konkrete Comeback-Pläne?

Wir wollen erst einmal die Geburt abwarten. Natürlich möchte ich so schnell wie möglich wieder auf den Platz, aber nur gesund. Es bringt nichts zu pushen. Dazu muss man schauen, wie es mit dem Kind klappt, und seine Schlaf- und Stillzeiten auch anpassen. Das sind so viele Faktoren, die nicht vorauszusehen sind. Ich spüre keinen Druck, schnell zurückkommen zu müssen. Das Wichtigste sind erst mal die Familie und unser Kind.

Lassen Sie uns zum Schluss noch einmal über den Fußball der Frauen in Deutschland sprechen. Die deutsche Liga läuft weiterhin unter dem Radar, auch die Publikumszahlen haben sich, wenn überhaupt, nur marginal verbessert. Verbände und Medienschaffende schieben sich gerne gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Was muss sich ändern?

Es ist ein ewiges Thema. Wir wissen aber, dass wir etwas bewirken können, wenn wir als Nationalmannschaft erfolgreich sind. Diesen Hype müssen wir dann marketingtechnisch versuchen mitzunehmen. Generell habe ich aber das Gefühl, dass die Fans in England dem Frauenfußball gegenüber offener sind. Es werden nicht ständig Vergleiche zu den Männern angestellt. Der Frauenfußball existiert dort als eigenständige Sportart.

Welche Rolle spielen die TV-Rechteinhaber?

Man hat bei DAZN in der Champions League sehr schön gesehen, wie gut es funktionieren kann, wenn man ein Produkt attraktiv bewirbt. Bei Länderspielen gab es zuletzt noch viel Luft nach oben. Wird eine Partie um 16 Uhr unter der Woche angesetzt, müssen zu dieser Uhrzeit viele Menschen einfach arbeiten. Nur wenige gehen da ins Stadion oder sitzen vor dem Fernseher. Natürlich sind dann die Einschaltquoten schlecht.

Welche Verantwortung tragen Verbände und Vereine?

Die müssen die Basis schaffen. Eine professionelle Basis. Klar, gute Gehälter sind wichtig. Und auch, dass wir davon leben können. Aber das Geld ist nicht unser Antrieb. Wenn du auf irgendeinem Acker spielen musst, auf dem der Ball hoppelt, und das dann nur von einer Kamera übertragen wird, am besten noch nur im Stream, irgendwo hinter der Bezahlschranke – dann sieht das wahnsinnig unprofessionell aus. Die Bereitschaft muss da sein, zu investieren.

Verwendete Quellen
  • Interview über Google Meet mit Melanie Leupolz
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