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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Fall Lewandowski Verzockt sich der FC Bayern?
Robert Lewandowski soll das Zögern des FC Bayern verärgern. Der Rekordmeister verhandelt stattdessen wohl mit einem anderen Stürmer. Vergeblich? Ein Blick auf den Vertragspoker in München – und die große Gefahr dahinter.
Dass er das Tor diesmal nicht traf, war nebensächlich. Robert Lewandowski rutschte im Training des FC Bayern bei einem Schuss derart tückisch weg, dass für wenige Stunden helle Aufregung herrschte. Ehe der Bundesliga-Rekordmeister verkündete, dass der polnische Superstürmer nur eine "kleine Blessur" habe.
Lewandowskis Vertrag sorgt für Diskussionen
Robert Lewandowski. Dieser nimmersatte Angreifer, der mit 33 Jahren noch immer so grazil durch die Sechzehner tänzelt, als wäre er erst 23. Da der Pole aber eben 33 ist und deshalb trotz 29 Toren in 26 Bundesliga-Spielen stetig an Marktwert verliert, sorgt sein Vertrag (bis 2023) weit über die Säbener Straße hinaus für reichlich Diskussionen.
Und für Gesprächsbedarf in der Chefetage. Schließlich hat der FC Bayern mit Lewandowski noch nicht verlängert. Am Tag nach dem Trainingsschock titelte die Münchner "tz": "Langsam langt es Lewandowski." Er sei verärgert, hieß es weiter. Es ist nicht das einzige Stimmungsbild, das derzeit nach außen dringt. Auffällig offensiv machten die Ex-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zuletzt in diversen Interviews ihren Standpunkt klar.
Effenberg kritisiert FC Bayern wegen Lewandowski
Die Botschaft: Höchst verdiente Spieler sollen gefälligst bleiben. Damit nicht genug. Ex-Nationalspieler Stefan Effenberg forderte in seiner t-online-Kolumne, dass die Bayern "in die Gänge kommen" müssten. Schließlich haben auch Manuel Neuer, Thomas Müller und Serge Gnabry (alle bis 2023) noch nicht verlängert. Derweil geht Niklas Süle im Sommer zu Borussia Dortmund.
Mächtige Baustellen. Genau darin liegt eine Antwort für die derzeitige Lewandowski-Irritation. Denn: Für die Münchner geht es aktuell darum, viel, sehr viel Geld für die kommenden Jahre zu verplanen.
Heißt: Wenn parallel mit Weltmeistern wie Neuer und Müller und auch noch Lewandowski verhandelt wird, geht es in einem Zeitfenster von zwei, drei Jahren um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Verschiedene finanzielle Faktoren kommen hinzu. Genauso wie die anhaltenden Spekulationen um BVB-Stürmer Erling Haaland. Die Dimensionen hier wie da sind gewaltig.
Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich
Kahn bestätigte zuletzt bei "Sky" Gespräche mit Haalands Berater Mino Raiola. Doch: Der 21-jährige Norweger soll laut "Sport Bild" und "Bild" eine festgeschriebene Ablöse von 75 Millionen Euro kosten. Dieselben Medien berichten von einem angeblichen Jahresgehalt Lewandowskis in Höhe von 24 Millionen Euro brutto. Es wäre mindestens die Größenordnung bei einem Haaland-Transfer.
Die Gehaltszettel von Neuer, Müller und Gnabry zu Lewandowski dazugerechnet, sind Kahn, Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen und Sportchef Hasan Salihamidzic schnell bei einem verplanten Investitionsvolumen im unteren dreistelligen Millionenbereich. Für zwei bis drei Jahre. Den restlichen Kader noch nicht einmal miteingerechnet.
FC Bayern muss auf dem Transfermarkt bedacht haushalten
Erschwerend hinzu kommt zum einen, dass der FC Bayern in der vergangenen Saison wegen Corona einen mickrigen Gewinn von 1,9 Millionen Euro gemacht hat. Zum anderen, dass der Rekordmeister laut Vorstandschef Oliver Kahn wegen der Auswirkungen der Pandemie weitere Umsatzeinbußen erwartet.
Und Haaland, die klar zukunftsorientierte Lösung, bekam ausgerechnet durch Matthias Sammer einen Dämpfer. "Ich weiß, dass City hinterher ist. Die Zahlen – da hatte ich ein Schleudertrauma!", erzählte Borussia Dortmunds Berater und Vertraute von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke während der Champions-League-Übertragung bei Prime Video. Dass der frühere Münchner Funktionär mehr weiß, ist wegen dieser Job-Konstellation plausibel.
Hasan Salihamidzics Arbeit gerät in den Fokus
Verzocken sich die Bayern nun bei Lewandowski? Ausgerechnet bei dem Mann, der die Titelsammlung in den vergangenen zweieinhalb Jahre durch 122 Pflichtspieltore erst möglich machte? Als Salihamidzic zuletzt nach dem 1:0 bei Eintracht Frankfurt bei Sky bekräftigte, der Klub wolle Lewandowski unbedingt halten, antwortete dieser wenige Minuten später im Interview mit demselben Sender: "Das höre ich zum ersten Mal." So gerät das Verhandlungsgeschick des bosnischen Sportvorstandes verstärkt in den Fokus.
DFB-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus kritisierte hinterher in seiner Kolumne für Sky": "Die interne Kommunikation scheint bei Lewandowski genauso unglücklich zu sein wie bei Süle. Da hätte ich mir von Hasan ein viel klareres und deutlicheres Statement in Richtung Lewandowski gewünscht." Ein solches fehlte vorher offenbar auch Süle.
"Es ist bei Niklas das Thema, dass er sich nicht genügend wertgeschätzt fühlt", erzählte dessen Berater Volker Struth unlängst bei Sport1. Weil die neuen Bosse nicht so überzeugend sind, wie einst Hoeneß und Rummenigge? Lewandowskis Entscheidung wird in jedem Fall wegweisend.
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