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Nationalspieler Sebastian Rudy über Schalke-Zeit: "Haben mich nicht geschützt"


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Nationalspieler Sebastian Rudy
"Schalke hat es verpasst, mich zu schützen"

  • Dominik Sliskovic
InterviewVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 24.01.2020Lesedauer: 7 Min.
Sebastian Rudy: Auf Schalke agierte der Nationalspieler zumeist unglücklich.Vergrößern des Bildes
Sebastian Rudy: Auf Schalke agierte der Nationalspieler zumeist unglücklich. (Quelle: RHR-Foto/imago-images-bilder)
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Sebastian Rudy kehrte nach nur einer Saison beim S04 zur TSG Hoffenheim zurück. Im Interview mit t-online.de kritisiert der 29-Jährige die Königsblauen und träumt von der EM-Teilnahme.

Die vergangene Saison war keine gute für Sebastian Rudy. Der Nationalspieler wechselte im Sommer 2018 mit vielen Vorschusslorbeeren und für viel Geld vom FC Bayern zu Schalke 04. Als absoluter Wunschspieler des damaligen S04-Trainers Domenico Tedesco sollte Rudy dem Umschaltspiel der Königsblauen eine neue Tiefe hinzufügen.

Doch es kam vollkommen anders: Rudy fremdelte mit seinem neuen Team und dem praktizierten Spielstil. Statt als Heilsbringer gefeiert wurde der heute 29-Jährige schnell zum Sündenbock für die miserablen Schalker Saison auserkoren. Nach nur einer Saison kehrte Rudy – zunächst leihweise – zu seinem Ex-Klub Hoffenheim zurück.

Im Interview mit t-online.de im Trainingslager im spanischen Marbella blickte Rudy auf seine Schalker Zeit, kritisiert die Verantwortlichen des Ruhrpottklubs und spricht über seine Chancen, den Sprung in den DFB-Kader für die EM 2020 zu packen.

t-online.de: Herr Rudy, nach nur einer Saison auf Schalke ging es für Sie im Sommer zurück nach Hoffenheim. Wieso haben Sie Gelsenkirchen verlassen?

Ich hatte für mich eigentlich den Entschluss gefasst, in der neuen Saison auf Schalke Vollgas zu geben. Doch dann habe ich relativ schnell gemerkt, dass einige Dinge einfach nicht passen. Der Kontakt zu Hoffenheim war nie ganz abgebrochen, sodass ich mich sehr gefreut habe, als sie sich um mich bemüht haben, mich zurückzuholen.

Auch wenn Sie zunächst nur ausgeliehen sind, sprechen Sie bereits von einem möglichen Karriereende bei Hoffenheim. Blicken Sie mit Bitterkeit auf die Zeit beim S04 zurück?

Nein, denn auch aus diesem schwierigen Jahr nehme ich Dinge mit, die mich für meine weitere Karriere prägen werden. Es ist auch gut, mal schlechte Erfahrungen zu machen. Daraus kann man nur für die Zukunft lernen und so an ihnen wachsen.

Omar Mascarell hatte ebenfalls ein schwieriges erstes Jahr auf Schalke und ist nun Stammspieler und Kapitän. Warum sind Sie das Wagnis, unter dem neuen Trainer David Wagner neu und unvoreingenommen auf Schalke anzugreifen, nicht eingegangen?

Es gab ziemlich klare Signale, dass es auf Schalke in eine andere Richtung gehen würde, sodass ich mir dann meine Gedanken gemacht habe. Ich habe mich entschieden, den Weg zurück zu Hoffenheim zu gehen, und bin mit dieser Entscheidung sehr glücklich.

Hatten Sie das Gefühl, dass die Schuld für die miserable Schalker Saison unverhältnismäßig bei Ihnen gesucht wurde?

Mir kam es mir definitiv so vor, als sei ich in der Öffentlichkeit zum Gesicht der Krise auserkoren worden. Auch wenn ich die Fehler immer erst bei mir selbst suche und sicher welche gemacht habe: Da hat Schalke es verpasst, mich als Spieler zu schützen.

Ihr Fokus liegt also auch für die Saison 2020/2021 nur auf Hoffenheim?

Ich bin zunächst nur ein Jahr ausgeliehen. Aber klar: Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch über dieses Jahr hinaus weiter in Hoffenheim Fußball zu spielen.

Haben Sie denn schon Signale erhalten, dass Hoffenheim sich mit Schalke über Ihren Verbleib über die aktuelle Saison hinaus einig werden könnte?

Ich bin mit den TSG-Verantwortlichen immer im ganz engen Austausch, wir kennen uns schließlich schon lange. Aber mir geht es nach der schwierigen Vorsaison in erster Linie darum, dass ich nun wieder an alte Leistungen anknüpfe. Die anderen Dinge ergeben sich dann von selbst.

In Hoffenheim trafen Sie auf einen neuen Cheftrainer. Was waren Ihre ersten Eindrücke von Alfred Schreuder in dieser Position?

Ich kenne ihn ja bereits als Co-Trainer von Julian Nagelsmann und hatte schon damals den Eindruck, dass er ein cleverer Kerl ist. Er weiß ganz genau, was er sehen will, wie er den Gegner bespielen will. Er spricht mir das Vertrauen aus, was für einen Spieler in meiner Situation natürlich goldwert ist.

Es war also auch ein weiteres Argument pro Hoffenheim, dass Sie dort auf ein bekanntes Gesicht auf der Trainerbank treffen würden.

Alfred Schreuder war ein ganz wichtiges Argument für meine Rückkehr nach Hoffenheim. Er ist nämlich ein Trainer, der weiß, wo meine Stärken liegen. Er weiß, was er von mir verlangen und wie ich der Mannschaft wirklich weiterhelfen kann.

Das klingt so, als habe Schalkes Ex-Trainer Domenico Tedesco Dinge von Ihnen gefordert, die Sie nicht bieten konnten.

Auf Schalke waren plötzlich andere Tugenden von mir gefragt. Man hat versucht, mich zu einem anderen Spieler zu machen. Es hätte jedoch klar sein müssen, dass es zu spät ist, mich mit meinen 29 Jahren umzuformen.

Ihr Spiel gegen den Ball ist wesentlich aggressiver als in der Vorsaison, Sie greifen viel öfter zur Grätsche. Inwiefern hängt dieses defensive Aufblühen mit Ihrem Wohlfühlen in Hoffenheim zusammen?

Wenn man die Unterstützung des Vereins spürt, spielt man natürlich ganz anders Fußball. Man hat Rückenwind, geht anders in Aktionen rein und traut sich viel mehr zu. Ich bin aber weiter kein Spieler, der sich über Grätschen definiert – sondern einer, der lieber auf andere Art und Weise den Ball gewinnt.

Ganz konkret gesprochen: Inwiefern genießen Sie das wesentlich ruhigere Hoffenheimer Umfeld? Gerade die mediale Betrachtung ist nicht mit den Schalker Ausmaßen zu vergleichen.

Ich war bereits zuvor sieben Jahre in Hoffenheim und habe es sehr genossen, wie familiär es im Verein zugeht. Ich bin außerhalb des Platzes ein ruhiger Mensch, sodass ich diese Ruhe bei der täglichen Arbeit sehr wertschätze.

Kommen wir noch einmal zurück zu Alfred Schreuder: In welchen Belangen ist er besser als sein Vorgänger, Julian Nagelsmann?

Ich vergleiche Trainer nur ungern, gerade weil beide – sowohl Alfred als auch Julian – hervorragende Coaches sind. Julian hat große Fußstapfen hinterlassen, aber unter Alfred haben wir in dieser Hinrunde sogar zwei Punkte mehr als im Vergleich zur vergangenen Saison geholt. Nichtsdestotrotz haben wir viele Punkte unnötig liegen gelassen. Da sehe ich uns Spieler in der Pflicht. Wenn wir die taktischen Vorgaben des Trainers auf dem Platz noch besser umsetzen, ist sicher noch mehr möglich als der aktuelle achte Tabellenplatz.

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Ein anderes Thema ist die DFB-Elf. Sie standen bei den letzten beiden Qualifikationsspielen im Kader – ist die EM im Sommer ein Thema für Sie?

Ich habe mich sehr gefreut, dass ich nach der enttäuschenden Vorsaison zum Ende des Jahres wieder eingeladen wurde. Es hat mir gut getan, wieder Nationalmannschaftsluft zu schnuppern und zu wissen, dass ich vom Leistungsvermögen dran bin, den Sprung in die DFB-Elf zu schaffen. Ich werde mich in der Rückrunde weiter anbieten, denn die EM ist ein großes Thema für mich. Ich will dort unbedingt dabei sein.

Was können Sie dem DFB-Team denn ganz konkret anbieten? Warum benötigt es Sie?

Jogi Löw weiß ganz genau, was er an mir hat. Ich bin in meinem Spiel sehr zuverlässig, selbstreflektiert in meinen Stärken und dennoch flexibel einsetzbar.

Wie schätzen Sie die deutschen Chancen bei der EM ein?

Sehr gut. Wir haben bereits in der Qualifikation richtig gute Ansätze gezeigt, sodass ich davon überzeugt bin, dass wir eine gute Rolle bei der EM spielen werden. Zwar treffen wir bereits in der Gruppe mit Frankreich und Portugal auf Spitzengegner – aber wenn man weit kommen möchte, muss man sich früher oder später ohnehin mit ihnen messen. Also warum schlagen wir sie nicht bereits in der Gruppenphase? (lacht)

Sie sehen es also als Vorteil, bereits in der Gruppenphase auf die Topgegner zu treffen?

Ja, denn dadurch ist man direkt im Turniermodus. Es gibt keine Zeit, sich erstmal einspielen zu wollen, kein Taktieren, sondern man ist direkt im ersten Spiel gegen Weltmeister Frankreich richtig gefordert. Ich glaube, das ist das Beste, was Deutschland passieren konnte.

Sie sagten, Joachim Löw wisse ganz genau, was er an Ihnen hat. Sie sind also klarer Befürworter seines Verbleibs als Bundestrainer nach der WM 2018?

Definitiv. Man hat ja gesehen, was er in den vergangenen Jahren alles geleistet hat – zuvorderst natürlich mit dem WM-Titel 2014. Viel entscheidender ist jedoch, wie er mit der Mannschaft umgeht, wie er über all die Jahre immer ein Top-Team zusammengestellt hat. Natürlich lief die vergangene WM nicht gut, das weiß auch das Trainerteam um Jogi Löw. Aber es ist – genauso wie wir Spieler – extrem darauf fokussiert, dass sich so etwas nicht wiederholt. Deshalb gehe ich von einer starken Reaktion bei der diesjährigen EM aus.

Wie betrachten Sie den von Löw eingeleiteten Umbruch?

Es ist kein einfaches Unterfangen – gerade, weil er erfahrene Namen (Thomas Müller, Jerome Boateng, Mats Hummels, Anm. d. Red.) gestrichen hat. Dadurch stehen jüngere Spieler viel stärker in der Verantwortung. Doch diese Spieler brauchen Spielpraxis, um zu lernen, damit umzugehen. Das ist kein Prozess von einem oder eineinhalb Jahren. Das braucht wesentlich mehr Zeit, das benötigt Ausdauer – und vor allem Rückendeckung. Die erhalten junge Spieler, wie etwa der aktuell leider verletzte Niklas Süle, um sich langsam weiterzuentwickeln. Was jetzt jedoch bereits feststeht ist: Deutschland kann froh sein, solche Spieler zu haben.

Joachim Löw hat noch Vertrag bis nach der WM 2022, hat in einem Interview kürzlich jedoch in Frage gestellt, ob er dieses Turnier noch als Bundestrainer betreuen wird. Würde dem DFB ein neuer Cheftrainer bereits zur WM 2022 in Katar gut zu Gesicht stehen?

Ich bin der Meinung, dass wir zunächst einmal die EM abwarten sollten. Und da ich davon ausgehe, dass wir eine gute EM spielen werden, wird es dann ganz alleine an Jogi Löw liegen, ob und wie er weitermachen wird.

Zum Abschluss: Wer macht das Titelrennen in der Bundesliga?

Normalerweise würde ich sagen, Bayern kommt zum Schluss der Saison und holt sich die Schale. Aber diese Saison liegen die Top-Teams so nahe beieinander, dass es schwer ist, auch nur irgendetwas vorauszusagen. Das ist toll für die Bundesliga, dass sich so viele Teams oben festgebissen haben und sich nicht wieder nur ein Zweikampf um den Titel entwickelt hat. Ich hoffe einfach, dass es bis zum Ende vier, fünf Mannschaften sein werden, die an der Tabellenspitze für Spannung sorgen werden.

Und wo landet Hoffenheim?

Schaue ich mir die Hinrunde an, sehe ich, dass wir einige Punkte liegen lassen haben, die wir uns verdient hätten. Von daher schiele ich schon zwei, drei Plätze höher als den aktuellen, achten Platz.

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