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Stefan Effenberg: "Beim DFB wird nicht mit einer Stimme gesprochen"


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Weltmeister-Rauswurf
Effenberg: "Beim DFB wird nicht mit einer Stimme gesprochen"

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 06.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Stefan Effenberg beurteilt die Personalentscheidungen von Bundestrainer Löw kritisch.Vergrößern des Bildes
Stefan Effenberg beurteilt die Personalentscheidungen von Bundestrainer Löw kritisch. (Quelle: t-online.de/imago-images-bilder)
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Oliver Bierhoff erklärt Thomas Müller zu einem wichtigen Spieler, wenig später streicht ihn Jogi Löw aus der Nationalmannschaft. Doch es gibt noch mehr Gründe, an der Entscheidung zu zweifeln.

Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller gehören nun also nicht mehr zur deutschen Nationalmannschaft. Ich finde es sehr positiv, dass Jogi Löw die Entscheidung persönlich überbracht hat. Man muss sie akzeptieren – aber wirklich verstehen kann ich sie nicht. Und die Spieler wahrscheinlich auch nicht. Lassen wir die Vergangenheit mit den großen Erfolgen doch einmal außen vor und schauen auf die aktuelle Situation der drei Spieler:

Thomas Müller hat beim FC Bayern in den vergangenen Monaten unter Beweis gestellt, dass er auch wichtig sein kann, wenn er kein absoluter Stammspieler ist. Er hat sich immer mit 100 Prozent eingesetzt für den Verein. Am vergangenen Wochenende gegen Mönchengladbach (5:1) war er herausragend, obwohl es sein erster Startelf-Einsatz seit einiger Zeit war.

Hummels und Boateng im besten Fußball-Alter

Ich glaube, in dieser Rolle hätte er als Spieler aber auch als Persönlichkeit doch für das Nationalteam noch wichtig sein können. Wenn Thomas Müller mit seiner unorthodoxen Spielweise eingewechselt wird, löst das etwas beim Gegner aus. Dieser Option beraubt sich Löw nun freiwillig.

Die Leistungen von Mats Hummels und Jérôme Boateng haben sich in den vergangenen Wochen ebenfalls wieder stark verbessert. Es gibt auf der Welt kaum Spieler, die so eine starke Spieleröffnung haben. Dazu sind sie mit 30 Jahren im besten Fußball-Alter. Ich bin in diesem Alter zum FC Bayern gekommen und hatte große Ziele. Warum soll es bei ihnen anders sein?

Löw muss die Konsequenzen tragen

Besonders verwundert mich, dass Löw gleich auf beide verzichtet. Ausgerechnet in der so wichtigen Innenverteidigung gibt er zwei erfahrene Spieler auf. Was gibt es denn für Alternativen? Niklas Süle hat einen großen Schritt nach vorne gemacht, er wird wohl gesetzt sein. Daneben bieten sich zum Beispiel Antonio Rüdiger, Matthias Ginter oder Jonathan Tah an. Das sind zwar gute Spieler. Aber für mich haben sie noch nicht das Niveau von Hummels oder Boateng in der aktuellen Form. Ich hoffe, dass Löw nicht durch Verletzungen oder Formschwäche in die Situation kommt, dass er sich einen der beiden zurückwünscht.

In meinen Augen war es nicht nötig, die Tür zur Nationalmannschaft für drei so verdiente Spieler gleich komplett zuzuschlagen. Klar ist: daran wird Löw in Zukunft gemessen. Sollte der Umbruch scheitern, muss er die Konsequenzen tragen.

Die Spieler könnten sogar vom Ausschluss profitieren

Für die Spieler selbst wird diese Entscheidung sehr enttäuschend sein. Die Verantwortlichen des FC Bayern haben sich über den Zeitpunkt, eine Woche vor dem wichtigen Duell des FC Bayern in der Champions League gegen Liverpool, beklagt. Ich glaube: Das sind Vollprofis, die wissen mit solchen Situationen umzugehen. Außerdem können sie auf einen großen Erfolg im Nationaltrikot zurückblicken, den WM-Triumph 2014. Wäre dieses Highlight nicht gewesen, wäre die Trauer nach so einem Abschied wohl noch größer. Es wird sie nicht komplett runterziehen.

Langfristig werden Hummels, Boateng und Müller vielleicht sogar feststellen, dass sie und auch der FC Bayern vom Aus in der Nationalelf profitieren können. Durch die Ruhepausen, die sie nun genießen können, wird ihre Karriere vielleicht sogar ein oder zwei Jahre länger gehen. Und auch die Bayern müssen sich weniger Gedanken machen um mögliche Verletzungen oder Strapazen mit dem Nationalteam für ihre Stars.

Im Tor geht die Tendenz immer mehr in Richtung ter Stegen

Dass Manuel Neuer als einziger der älteren Bayern-Weltmeister verschont worden ist, kann ich vorerst verstehen. Er hat sich in seinem Spiel zuletzt wieder sehr gefestigt. Umgekehrt ist es natürlich legitim, dass Marc-André ter Stegen Ansprüche auf die Nummer eins anmeldet. Und ich glaube auch, dass die Tendenz auch auf dieser Position hin zu einem Wechsel geht.

Jogi Löw hat ja zuletzt schon angekündigt, dass ter Stegen auch einige Einsätze in diesem Jahr bekommen soll. Die hat er sich durch konstant starke Leistungen in Barcelona verdient. Wichtig ist, dass der Wettkampf zwischen diesen beiden Weltklasse-Torhütern so fair und sportlich bleibt wie bisher.

Der Druck vor der EM-Qualifikation ist gestiegen

Ein Aspekt geht mir in der öffentlichen Diskussion bislang unter: Oliver Bierhoff hat als Nationalmannschaftsdirektor noch vor drei Wochen betont, dass Thomas Müller ein ganz wichtiger Spieler für das DFB-Team ist. Nun plant man plötzlich doch nicht mehr mit ihm. Das ist ein Widerspruch – und zeigt, dass beim DFB nicht mit einer Stimme gesprochen wird. Ich frage mich: Wie eng kommunizieren die Verantwortlichen dort wirklich untereinander?

Seit Monaten werden unsere Spieler und ihre Leistungen kritisch hinterfragt. Ich wünsche mir, dass in Zukunft auch noch mehr über die Entscheidungsträger im Hintergrund gesprochen wird.

Im Hinblick auf die EM-Qualifikation bin ich sehr gespannt. Die Niederlande und Italien sollten uns eine Warnung sein. Beide sind große Fußball-Nationen, die zuletzt einen größeren Umbruch meistern mussten – und beide haben dabei die Qualifikation für große Turniere verpasst. Wir sollten nicht so arrogant sein und glauben, dass uns das in einer Phase der Veränderungen nicht auch passieren könnte. Der Druck ist jedenfalls durch die jüngsten Entscheidungen noch einmal gestiegen.

Trotz aller Kritik: Ich hoffe, dass wir bei der EM 2020 wieder ein erfolgreiches deutsches Team sehen werden – und dann ein positives Fazit ziehen können.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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