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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Entscheidungen in der Kritik Warum der Videoassistent bei der WM besser funktioniert hat
Gerade mal ein Spieltag ist absolviert und schon sind alle genervt: Spieler, Trainer, Schiedsrichter. Auslöser: Der Videobeweis. Was bei der WM warum besser lief.
"Das war mit eines meiner schwersten Spiele." Patrick Ittrich, 39, Schiedsrichter, wirkt erschöpft im Interview mit "Derwesten.de". "Die erste Halbzeit war ein normal zu leitendes Spiel. In der zweiten Halbzeit kommt eine Entscheidung, und die stellt alles auf den Kopf. Es ist halt so in unserem Fußballsport, dass eine Entscheidung, die dann auch von der Emotionalität geprägt wird, alles aufbauscht."
Was war passiert? Als Schiedsrichter bei der Partie zwischen Wolfsburg und Schalke am Samstagnachmittag bekam Pattrick Ittrich zwei Mal ein Signal aus Köln. Erst korrigierte er nach Videostudium eine gelbe Karte für den Schalker Matija Nastasic zu einer roten. Dann wiederum revidierte er einen Platzverweis wegen einer Tätlichkeit für den Wolfsburger Wout Weghorst und gab stattdessen nur Gelb.
- Zoff am ersten Spieltag Chaos um Videobeweis
Und dies war nicht der einzige Aufreger am vergangenen Bundesligawochenende. Ob beim Freitagsspiel in München, beim Nordduell in Bremen, beim Saisonauftakt in Berlin oder am Sonntag in Mainz: Der Videobeweis drückte dem Spieltag seinen Stempel auf sorgte allerorts für Diskussionen.
Warum griff der Videoschiedsrichter ein?
Doch zurück nach Wolfsburg. Ittrich war nach Ansicht der Bilder der Meinung, dass seine ursprüngliche Entscheidung nicht korrekt war. Hinterfragt werden muss allerdings, warum Ittrich zweimal angehalten wurde, seine Entscheidung zu überprüfen. Das Videoschiedsrichter-Team um Wolfgang Stark muss der Ansicht gewesen sein, Ittrich habe eine klare Fehlentscheidung getroffen. Dabei waren beide vom 39-Jährigen getroffenen Entscheidungen zwar diskutabel, aber durchaus nachvollziehbar – und damit kein Fall für den Videoassistenten.
"Ich bin grundsätzlich froh, dass es den Videobeweis gibt", hatte der 39-jährige Ittrich noch eine Woche zuvor in der Internet-Sendung "Bohndesliga" gesagt und weiter ausgeführt: "Wenn du auf höchster Ebene einen Βock schießt, hast du erst einmal ein Problem, weil dich das extrem belastet. Der Videobeweis schützt dich vor dem ganz großen Fehler."
Soweit Ittrichs Einschätzung vor dem Bundesligastart. Keine Woche nach dieser Aussage wurde eben jener Videobeweis zu Ittrichs größtem Problem. Ittrichs Dilemma: beide getroffenen Entscheidungen waren Grenzfälle. Sollte sich der VAR in solchen Situationen nicht zurückhalten?
Für Alex Feuerherdt, Schiedsrichter-Experte und Betreiber des Podcasts "Collinas Erben", liegt genau da die Schwierigkeit. "Es gibt eben auch beim Videobeweis eine Grauzone, wo eben nicht klar ist, welche Entscheidung die richtige ist, weil es sich um eine 50/50-Entscheidung handelt. Das ist bei einem Regelwerk, das Spielräume eröffnet, gar nicht anders zu machen", so der ehemalige Oberligaschiedsrichter bei "Bohndesliga".
Was lief bei der WM besser?
Fehlende Klarheit und unterschiedliche Interpretationen führten zu jenem Chaos, das wir am ersten Bundesligaspieltag erlebt haben. Aber warum funktionierte der Videobeweis bei der Weltmeisterschaft so gut, offenbart in der Liga nun aber dieselben Schwächen wie in der Vorsaison?
Die Gründe dafür sind unter anderem Emotionalität und Kapazität. "Die Emotionalität, die wir im deutschen Fußball haben, wurde längst nicht auf die WM übertragen. Das ganze wurde neutral bewertet. Das ist für mich der Hauptgrund", so Ittrich bei "Bohndesliga". "Zudem war die Kapazität an Videoassistenten bei der WM deutlich größer. [...] Wenn man zu fünft im Videoraum sitzt, ist es viel unwahrscheinlicher, dass man zu einer glasklaren Fehlentscheidung kommt."
Fünf statt zwei Videoschiedsrichter
Die Argumentation der Schiedsrichteranzahl ist nachvollziehbar. Bei fünf Leuten ist zumindest eine abweichende Meinung wahrscheinlicher als bei zweien. Bei zwei Videoschiedsrichtern kann schneller die Entscheidung gefällt werden, dass es sich um eine klare Fehlentscheidung handelt. Bei der WM waren dementsprechend mehr Videoschiedsrichter unterschiedlicher Meinung, sodass gefühlt seltener der Entschluss gefasst wurde, es handle sich auf dem Feld um eine klare Fehlentscheidung.
Auch der Aspekt der größeren Emotionalität ist nachvollziehbar. Schließlich wird hierzulande eine Entscheidung in einer Partie zwischen Schalke und Wolfsburg kontroverser und emotionaler diskutiert, als bei einem Duell zwischen Dänemark und Peru.
Videobeweis kam bei der WM häufiger zum Einsatz
Zudem ist der Eindruck, der Videobeweis würde in der Bundesliga deutlich häufiger auftreten als bei der WM, wie es beispielsweise Sky-Experte Dietmar Hamann immer wieder betonte, falsch. Der DFB veröffentlichte Mitte August auf seiner Webseite Statistiken, die offenbarten, dass der Videobeweis bei der WM sogar tendenziell häufiger zum Einsatz kam als in der vergangenen Bundesligasaison.
Demnach wurden bei der Weltmeisterschaft bei 64 Begegnungen im Schnitt pro Spiel 0,31 tatsächliche Eingriffe des Video-Assistenten registriert. In der Bundesliga-Saison 2017/2018 waren es bei 306 Spielen 0,29 Eingriffe und in der Rückrunde nur 0,25 pro Spiel. Und auch bei der Länge steht die deutsche Profiliga besser da. Eine Überprüfung dauerte bei der WM im Schnitt 80 Sekunden, in der Bundesliga 57 Sekunden.
Dazu muss allerdings ergänzt werden: Bei der WM liefen maximal zwei Partien gleichzeitig (am dritten Gruppenspieltag). Insgesamt wurden 64 Spiele absolviert. Dieser Wert ist in der Liga bereits nach knapp sieben Spieltagen erreicht. Danach stehen jedoch 27 weitere Spieltage an. Der Vergleich hinkt also.
Ausbaufähig, ja – aber es wird immer Diskussionen geben
Nach einer funktionierenden WM und einer guten Rückrunde hofften alle auf einen Fortschritt. Zumindest in der öffentlichen Debatte ist dieser noch nicht gegeben. Wann greift der VAR warum, wieso ein? Wann ist es eine klare Fehlentscheidung? Hat der Schiedsrichter beim VAR nachgefragt oder kam das Signal aus Köln? Und wenn ja, hätte er eingreifen dürfen?
Nochmal zur Übersicht: Bei folgenden Situationen kann der Videobeweis eingreifen.
- Torerzielung (Foul, Handspiel, Abseits und andere Regelwidrigkeiten)
- Strafstoß/Elfmeter (nicht oder falsch geahndete Vergehen)
- Rote Karte (nicht oder falsch geahndete Vergehen)
- Verwechslung eines Spielers (bei Roter, Gelb-Roter oder Gelber Karte)
Voraussetzung für ein Eingreifen des Video-Assistenten ist jeweils, dass nach seiner Einschätzung eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Ist eine solche, klar falsche Wahrnehmung des Schiedsrichters auf dem Platz nicht gegeben, darf der Video-Assistent nicht eingreifen. Die Innovation stellt also kein Allheilmittel dar. Auch weiterhin wird es Szenen geben, die nicht richtig aufzulösen sind.
Videoschiedsrichter, das wird in der öffentlichen Debatte oft vergessen, sind eben auch Menschen, die eine Szene interpretieren. Sie können nicht in jedem Fall einen "Beweis" liefern, wie es der Begriff fälschlicherweise suggeriert. Hierbei kommen verschiedene Unparteiische dann auch zu unterschiedlichen Ergebnissen.
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Die einheitliche Linie ist das Wichtigste. Denn dem Fan muss vermittelbar bleiben, warum, wer, wann, was entscheidet. Das ist momentan definitiv nicht gegeben. Der Aspekt der Emotionalität wird aber bleiben – und dadurch auch die Diskussionen. Wird aber mehr Klarheit geschaffen, hat der Videobeweis auch eine Zukunft.