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Freiburgs Christian Streich zeigt emotionale Tiefe: Ist er ein Vorbild?


Meinung
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Christian Streichs Brandrede
Dumm und oberflächlich?

MeinungVon Nils Kögler

Aktualisiert am 08.04.2023Lesedauer: 3 Min.
Christian Streich nachdenklich: Der Freiburg-Coach zählt zu den wenigen Fußball-Charakteren, die Tiefe zeigen.Vergrößern des Bildes
Christian Streich nachdenklich: Der Freiburg-Coach zählt zu den wenigen Fußball-Charakteren, die Tiefe zeigen. (Quelle: IMAGO/Philippe Ruiz)

Im oberflächlichen Business Fußball lässt Freiburg-Coach Christian Streich erstaunlich viel Tiefe erkennen – und sollte damit Vorbild für seine Mitstreiter sein.

Es war eine Pressekonferenz, die Aufmerksamkeit erregte. Als Christian Streich sich am Freitag vor dem wichtigen Bundesliga-Spiel zwischen seinem SC Freiburg und dem FC Bayern München den Fragen der Journalistinnen und Journalisten stellte, ging es nicht nur um Taktik, Aufstellung und verletzte Spieler.

Streich traute sich stattdessen auch politisch aus der Deckung, kritisierte unter anderem den zunehmenden Druck auf die Menschen, sowohl im Fußball als auch in der Gesamtgesellschaft – und bemängelte dadurch entstehende psychische Probleme sowie einen "Neo-Kapitalismus", der den Wohlstand zerstöre.

Es ist nicht das erste Mal, dass Streich auf einer Pressekonferenz über den Themenkomplex Fußball hinausgeht und sich auch zu politischen oder gesellschaftlichen Themen äußert. Im sonst so oberflächlichen Geschäft Fußball ist er damit eine absolute Ausnahmeerscheinung, von der es unbedingt mehr bräuchte. Denn von Persönlichkeiten wie Streich kann der Sport am Ende nur profitieren.

Der Schrei nach Charakteren ist groß

Wenn wir an Fußballer denken, dann denken wir nämlich in der Regel an äußerst privilegierte Männer, die sich um nichts anderes kümmern müssen als den Ball. In Interviews gibt es in der Regel glattgebügelte und vom Verein vorbereitete Statements zu hören. Alles oberflächlich, keine Tiefe.

Der Schrei nach mehr "Charakteren" ertönt mit schöner Regelmäßigkeit. Doch Fußballer, die sich nicht "glattgebügelt" präsentieren, tun dies meist durch Negativschlagzeilen. Man denke etwa an Max Kruse, der gerne mit Disziplinlosigkeiten und Poker-Nächten in Erscheinung tritt. Solche Charaktere vertiefen nur das Bild von den abgehobenen Stars, über die der "Normalo" nur den Kopf schütteln kann.

Ein Stachel im Fleisch des Fußballgeschäfts

Streich zeigt, wie es auch anders geht. Mit seiner Kritik am Druck im Business Profifußball zeigt er ebenfalls Charakter und das auf eine positive Art und Weise. Er nutzt seine Plattform, um wichtigen Themen und Kritikpunkten Aufmerksamkeit zu verschaffen und ist damit ein Stachel im Fleisch eines Geschäfts, das versucht, immer mehr aus den Menschen herauszupressen, die es am Laufen halten.

Unabhängig davon, ob seine Äußerungen inhaltlich tatsächlich zu einem Umdenken bei den Funktionären führen: Dem Image des Fußballs und der beteiligten Personen können sie nur helfen. Denn ein solch sympathischer und menschlicher Charakter wie Streich zeigt, dass es eben doch Persönlichkeiten gibt, die sich ihre eigenen Gedanken machen und reflektiert mit dem Geschäft umgehen, in dem sie arbeiten.

Streich blickt über den Tellerrand hinaus

Teil dieser Selbstreflektiertheit ist auch, dass er die fußballinternen Probleme zwar sieht, aber dabei auch immer über den Tellerrand hinausblickt. So auch, als er den permanenten Leistungsdruck in seiner Pressekonferenz am Freitag als gesamtgesellschaftliches Problem brandmarkte. "Fußball ist immer Ausdruck der Gesamtgesellschaft gewesen", sagte Streich und würdigte etwa das Reinigungspersonal in Hotels, das unter enormen Zeitdruck die Zimmer säubern müsse.

Streich schafft es wie kein Zweiter, eine Brücke zu schlagen zwischen den Fußball-Millionären und uns "Normalos". Er betont immer wieder: Ja, wir im Fußball-Business haben Probleme, aber wir sind uns bewusst, dass es trotzdem viele andere Menschen gibt, die es noch schwerer haben. Streich zeigt Empathie und Einfühlungsvermögen. Jeder darf sich bei ihm gehört fühlen und das wiederum sorgt dafür, dass auch er Gehör findet. Es steigert die Bereitschaft der Menschen, seine Klagen nicht nur als Probleme von Menschen abzutun, die sich ihre Tränen mit 500-Euro-Scheinen trocknen können.

Psychische Probleme nehmen keine Rücksicht auf den Kontostand

Auch das kann dem Fußball nur helfen. Denn inhaltlich hat Streich doch zweifellos recht: Die psychischen Probleme, die aus zu großem Druck resultieren, nehmen keine Rücksicht auf den Kontostand.

Klare Kante, Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen: Es sind Eigenschaften, die Streich zu einem einmaligen wie hervorragenden Botschafter für den Fußball machen. Andere Spieler und Trainer sollten sich ein Beispiel daran nehmen. Dann kann die immer größere Entfremdung des Geschäfts Fußball von den Fans vielleicht noch verlangsamt werden – was allen helfen würde.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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