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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bayern-Trainer Thomas Tuchel Er bekommt eine neue Rolle
Thomas Tuchel ist auf den letzten Drücker Meister geworden. In der Zukunft will er den Titel früher gewinnen – und soll den Kader dafür mitplanen.
Noch ist Konrad Laimers Transfer von RB Leipzig zum FC Bayern nicht offiziell. Doch Medien wie "Sky", "Bild" und "Kicker" sind sicher, dass der Österreicher ab Sommer für die Münchner spielt. Und falls Laimer nach dem Sommerurlaub auf dem Trainingsgelände an der Säbener Straße aufschlägt, ist von denen, die ihn zum FC Bayern geholt haben, niemand mehr da.
Trainer Julian Nagelsmann, dessen Wunschspieler er war, wurde bereits im März beurlaubt. Sportvorstand Hasan Salihamidžić und Vorstandschef Oliver Kahn wurden in der vergangenen Woche abberufen. Und auch bei Marco Neppe, Technischer Direktor und rechte Hand von Salihamidžić, stehen laut "Sport1" die Zeichen auf Trennung.
Tuchels Wissen wird gebraucht
Ersatz gibt es bisher nur auf zwei Positionen: Jan-Christian Dreesen statt Oliver Kahn und Thomas Tuchel statt Julian Nagelsmann. Für die Position von Hasan Salihamidžić soll laut Aufsichtsrat Uli Hoeneß bis Weihnachten ein Nachfolger gefunden sein. Dem "Kicker" sagte er, dass man sich Zeit lassen wolle, um die richtige Person zu finden.
Dabei steht die vielleicht wichtigste Transferperiode der vergangenen Jahre bevor. Auf gleich zwei Schlüsselpositionen brauchen die Bayern dringend Verstärkung. Ein neuer Mittelstürmer soll kommen, ebenso wie ein defensivstarker Mittelfeldspieler. Beide Transfers müssen sitzen, damit es in der Champions League wieder um den Titel gehen kann.
Dabei ist Thomas Tuchels Einfluss größer als zuletzt. Denn mit dem Fehlen eines Sportdirektors oder eines Sportvorstands wird sein Wissen über den aktuellen Kader und dessen Schwächen und Lücken umso mehr gebraucht. Denn auch wenn mit Uli Hoeneß und der Rückkehr von Karl-Heinz Rummenigge zwei Experten in die Kaderplanung involviert sein werden, Teil des Tagesgeschäfts waren sie zuletzt beide nicht.
Wohl auch deshalb ist das "englische Modell" des Teammanagers laut dem "Kicker" für den Übergang denkbar. Bei den Premier-League-Teams haben die Trainer mehr Macht im Transfergeschäft. Während in Deutschland meist die Manager in Abstimmung mit den Trainern entscheiden, sieht das in England anders aus.
"Vor allem haben wir einen Thomas Tuchel"
Vorstandschef Jan-Christian Dreesen kommentierte die Thematik fehlender Sportvorstand am Sonntag gelassen: "Im Team werden wir in absehbarer Zeit einen Sportvorstand haben, wir haben neu im Team Karl-Heinz Rummenigge, wir haben immer noch im Team Uli Hoeneß. Und wir haben vor allem auch im Team einen Thomas Tuchel."
Letzteren hob er hörbar hervor. Tuchels Fachwissen wird intern sehr geschätzt, auch wenn Bayern unter seiner Ägide aus der Champions League und dem DFB-Pokal ausschied und fast noch die Meisterschaft verspielte. Dass es fast auch mit der Meisterschaft nicht geklappt hätte, wird weniger dem Trainer angekreidt, als der ehemaligen sportlichen Leitung.
Die entscheidenden Männer sind nun Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß. Rummenigge gilt als großer Tuchel-Fan, sprach sich bereits 2018 für ihn als Trainer aus, wie er in der Sendung "Sky90" einst verriet: "Er hatte sich etwas zu früh für Paris entschieden. Thomas Tuchel hätte hier durchaus ein guter Trainer sein können. Er wäre fast bei uns gelandet. Das war eine Alternative, die wir intern sehr ausgeprägt diskutiert haben." Stattdessen kam Niko Kovač an die Isar.
Tuchel überzeugte auch Hoeneß
Uli Hoeneß galt damals noch als skeptisch in Sachen Tuchel, er setzte sich für eine Vertragsverlängerung mit Jupp Heynckes ein. Als sich die Bayern-Bosse auf Tuchel geeinigt haben, hatte dieser jedoch bereits in Paris unterschrieben.
Doch bei der Besetzung der Nagelsmann-Nachfolge im März durch eben jenen Thomas Tuchel konnte auch Hoeneß im Aufsichtsrat überzeugt werden.
"Es war mir vor meiner Unterschrift ein großes Anliegen, telefonisch mit ihm zu sprechen", berichtete Tuchel bei seiner Vorstellung. "Wir hatten in dieser Woche auch die Möglichkeit, persönlich zu reden. Das ist mir sehr wichtig. Ich wollte ihm sagen, dass ich mein Bestes gebe, um gut auf seinen Klub aufzupassen. Deshalb wollte ich mich auch ausdrücklich bei ihm bedanken."
Ende April besuchte Uli Hoeneß das Mannschaftstraining der Bayern, unterhielt sich dabei aufgeregt mit Thomas Tuchel. Dabei schlug er sich auch mit der Faust in die flache Hand. Eine Geste, die für einige Nachfragen auf der anschließenden Pressekonferenz sorgte. Tuchel reagierte dabei gelassen mit einem Scherz: "Er wollte mir nur kurz sagen, wer am Wochenende spielt. Das habe ich auch gleich eingesehen."
Anschließend gab er auch eine ehrliche Antwort auf die Geste Hoeneß', ohne auf Details oder Themen des Gesprächs einzugehen: "Wenn zwei emotionale Menschen miteinander sprechen, dann kann es auch mal emotional werden. Aber über die Inhalte werde ich natürlich nichts sagen."
Es scheint, als habe Tuchel die Anerkennung und den Respekt von Hoeneß gewonnen. Auch wenn dieser zu dem Zeitpunkt "nur" ein Mitglied des Aufsichtsrats war, ist die Bedeutung seiner Meinung nicht hoch genug einzuschätzen.
Nun wird sie als Teil des Transferteams noch mal wichtiger. Genauso wie die von Thomas Tuchel.
- Eigene Recherche
- youtube.com: "Pressetalk mit Herbert Hainer und Jan-Christian Dreesen"
- kicker.de: "Quintett übernimmt Bayerns Kaderplanung: Neuer Sportvorstand bis spätestens Weihnachten"
- fussball.news: "Rummenigge: FC Bayern wollte 2018 Tuchel statt Kovac!"
- bild.de: "Was hat Hoeneß mit dem Tuchel-Deal zu tun?"
- youtube.com: "Die Vorstellung von Thomas Tuchel mit Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić"
- ardmediathek.de: "Thomas Tuchel - "'Er wollte mir sagen, wer am Wochenende spielt'"
- Kicker: "Alte Köpfe. Neue Ära" (Print vom 30.05.2023)