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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Widersprüche um Kahns Bayern-Aus Was stimmt denn jetzt?
Oliver Kahns Zeit beim FC Bayern ist vorbei. Der Vorstandschef wurde abberufen. Doch wann genau?
Wie ein Flummi hüpfte Hasan Salihamidžić vor Freude auf der Tribüne in Köln. Gerade hatte Jamal Musiala das 2:1 für den FC Bayern geschossen, die Deutsche Meisterschaft war zum Greifen nah. Salihamidžić jubelte wie die Fans ein paar Blöcke weiter. Dabei hätte er genug Grund zur Trauer gehabt. Denn seinen Job als Sportvorstand ist der 46-Jährige los, das sickerte bereits während des Spiels durch.
Sowohl Salihamidžić als auch Vorstandschef Oliver Kahn wurden von ihren Posten abberufen. Was zunächst einige Medien berichteten, bestätigte eine Stunde nach dem Abpfiff dann der FC Bayern selbst. Der Zeitpunkt überraschte dabei vor allem deshalb, weil erst am kommenden Dienstag das Treffen des Aufsichtsrats anstand. Mit einer Entscheidung wurde erst nach diesem Termin gerechnet. Diese wurde nun vorgezogen.
Doch wann genau, das ist noch unklar. Denn die Versionen von Bayern-Präsident Herbert Hainer und Oliver Kahn widersprechen sich.
Die Version des FC Bayern
Hainer hatte auf der Pressekonferenz am Sonntag erklärt: "Es war so, dass wir, Uli Hoeneß und ich, am Donnerstag mit Hasan Salihamidžić und Oliver Kahn die Gespräche geführt haben, weil wir es den beiden Betroffenen früh genug sagen wollten, damit sie Zeit haben, mit der Situation umzugehen. (...) Auch aus Respekt vor diesen beiden verdienten Ikonen des FC Bayern München, die nicht nur Manager waren, sondern auch lange Jahre hier gespielt haben."
Anschließend erklärte der 68-Jährige, dass die Gespräche mit Salihamidžić und Kahn unterschiedlich verliefen: "Mit Hasan hat das sehr gut geklappt, wir haben eine einvernehmliche Vereinbarung getroffen. Er ist mit nach Köln, dass wir dann noch Meister geworden sind, war noch schöner." Einen anderen Verlauf nahm der Termin mit dem Vorstandschef: "Dasselbe Gespräch haben wir mit Oliver Kahn geführt, das ist nicht so gut gelaufen, muss ich leider sagen. Das war sehr emotional und wir konnten uns am Ende des Tages nicht einigen, dass wir die Beendigung einvernehmlich hinkriegen."
Daraufhin sei das Treffen des Aufsichtsrats vorgezogen worden. Digital wurde dann wohl die Abberufung Kahns sofort beschlossen. Daraufhin habe er auch nicht mit nach Köln reisen können. Zudem hatte sich der geschasste Vorstandschef laut Hainer krankgemeldet: "Er hat uns am Samstagmittag mitgeteilt, dass er eine Sommergrippe hat und im Bett liegt."
Die Version von Oliver Kahn
Schon vor der Pressekonferenz von Herbert Hainer und Kahns Nachfolger, dem Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen, wurde die Version der Bayern-Seite publik, dass das Gespräch mit Kahn alles andere als ruhig gewesen sein soll. Dem widersprach Kahn auf Twitter. Am Sonntagvormittag schrieb er dort seine Variante der Geschehnisse nieder: "Die Behauptung, dass ich ausgerastet bin, als ich über die Abberufung informiert wurde, stimmt definitiv nicht. Ich habe am Freitag einen Anruf von Herbert Hainer bekommen, in welchem mir die Entscheidung mitgeteilt wurde. Es war ein ruhiges und sachliches Gespräch."
Er habe sich lediglich "über diesen Aktionismus gewundert, warum diese Entscheidung nun vorgezogen wurde". Damit spielte Kahn auf das Aufsichtsratstreffen an, was für Dienstag anberaumt war. Trotzdem wollte der frühere Torwart mit nach Köln reisen. Aber: "Am Samstagmorgen habe ich die Mitteilung erhalten, dass ich nicht mit zum Spiel kann. Auch diese Entscheidung habe ich ruhig entgegengenommen."
Wenige Stunden nach dem Meistertitel der Bayern erklärte Kahn via "Sky90": "Das war der schlimmste Tag meines Lebens, es mir zu nehmen, mit den Jungs zu feiern."
Hainer wird mit Kahns Version konfrontiert
In der Version des FC Bayern gab es das erste Gespräch am Donnerstag, in der von Kahn am Freitag. Auch die Tonalität des Gesprächs wird unterschiedlich dargestellt. Kahn sprach von einem "ruhigen und sachlichen" Telefonat, Hainer von einem persönlichen Treffen, das emotional war.
Angesprochen auf diese Unterschiede sagte Hainer: "Ich bin schon verwundert darüber. Uli Hoeneß und ich haben Donnerstag um 11 Uhr das Gespräch mit ihm geführt. Dort haben wir ihm mitgeteilt, dass wir uns von ihm trennen. Wir haben dann vereinbart, dass Oliver und ich am Freitag telefonieren."
Dieses Telefonat habe auch tatsächlich stattgefunden und sei ruhig und sachlich abgelaufen. Jedoch sei danach nichts mehr vonseiten Kahns passiert, weshalb es zur Abberufung durch den Aufsichtsrat gekommen sei.
Zum Thema Sommergrippe oder Anreiseverbot erklärte Hainer: "Ich kann nicht alles kommentieren, was er geschrieben hat. Aber, dass er uns geschrieben hat, er habe eine Sommergrippe, das haben wir auf unserem Handy."
Erinnerungen an Nagelsmann
Die widersprüchlichen Varianten erinnern an das Aus von Julian Nagelsmann als Cheftrainer des FC Bayern. Als dieser Ende März seinen Posten räumen musste, gab es beim Ablauf ebenfalls Ungereimtheiten.
Sky zitierte damals das Management des 35-Jährigen, das mitteilte, es habe vor den Medienberichten "keinen Kontakt und keinen Kontaktversuch der Bayern" gegeben. "Das Management von Julian Nagelsmann hat selbst nach diversen Gerüchten in den Medien bei Hasan Salihamidžić angerufen", schrieb die Agentur Sports 360.
Der damalige Sportvorstand hatte daraufhin im Sport1-"Doppelpass" diesen Aussagen widersprochen: "Der Erste, den wir angerufen haben, war Julian Nagelsmann." Salihamidžić sagte, dass er direkt nach Tuchels Zusage mehrfach versucht habe, "Julian zu erreichen". Irgendwann habe er dessen "Management angerufen und dann habe ich noch mal Julian angerufen".
Auch bei der Frage, ob Nagelsmanns Kurzurlaub genehmigt wurde, gab es Widerspruch. Sein Berater Volker Struth sagte im "Bild"-Podcast "Phrasenmäher": "Das war im Übrigen abgesprochen. Julian hatte kaum Leute da und ich glaube, es war so, dass man zwischen Julian und Hasan ein Gespräch geführt hat, und dann kam ganz klar: 'Ja gut, dann hau' die anderthalb Tage ab'."
Das wollte Salihamidžić so nicht stehen lassen: "Das ist nicht richtig. Ich habe Julian ab Montag in besagter Woche nicht mehr gesehen, er kam Freitagnachmittag an die Säbener Straße zurück", sagte er der "Bild"-Zeitung kurze Zeit später.
Bayern unter Beobachtung
In jedem Fall muss der Rekordmeister aufpassen, dass das eigene Bild in Sachen Kommunikation in der Öffentlichkeit nicht noch mehr Schaden nimmt. Denn solche Vorfälle schädigen den FC Bayern mehr, als den Bossen lieb ist.
Die Widersprüche muss die neue Leitung um Jan-Christian Dreesen dringend in den Griff bekommen, damit rund um den Verein wieder mehr Ruhe einkehrt. Denn nach den Fällen Nagelsmann und Kahn steht der Klub unter besonderer Beobachtung.
- youtube.com: "Pressetalk mit Herbert Hainer und Jan-Christian Dreesen"
- twitter.com: Profil von @OliverKahn
- Nachrichtenagentur dpa
- Podcast Phrasenmäher