Heute vor 30 Jahren War es Absicht?
30 Jahre ist der erste WM-Titel von Michael Schumacher her. Damals half ihm ein spektakulärer Unfall, der von ganz viel Ungewissheit gefolgt wurde.
13. November 1994, Tag der Entscheidung mitten im australischen Frühling. Am Ende einer Saison, in der die Formel 1 ihren König Ayrton Senna verloren hat, klammert sich der designierte Kronprinz Michael Schumacher fast verzweifelt an einen der Fangzäune rund um die Strecke in Adelaide. Der Titel ist zum Greifen nah, doch nur ein einziger Punkt trennt Schumacher von seinem Rivalen Damon Hill.
Ebenjener Hill war es, der den in Führung liegenden Schumacher zuvor viele Runden lang um den Kurs gejagt hatte. Dann der verhängnisvolle Moment: Schumacher rutschte in einer Kurve von der Strecke, schlug sogar leicht an der Wand an. Sein Wagen blieb zunächst ganz, der Deutsche kehrte auf den Kurs zurück. Doch nun war Hill endgültig zur Stelle und setzte schon in der nächsten Kurve zum Überholmanöver an. Schumacher, der später zumindest behauptete, Hill nicht gesehen zu haben und keine Absicht zugab, schlug seinem Kontrahenten die Tür vor der Nase zu. Es kam zur Kollision. Doch während Schumachers Wagen nach einer spektakulären Flugeinlage im Reifenstapel landete, blieb der Brite im Rennen.
Streckenposten gratulierte Schumacher
Oder doch nicht? "Ich wusste ja nicht, was mit Damon passiert war", erzählt Schumacher später. Vom Streckensprecher seien nur Wortfetzen zu ihm durchgedrungen, aber dann habe er verstanden "Hill ... Box ... Probleme". In der Tat: Hill schleppte sich mit einem platten Reifen und einer beschädigten Radaufhängung zurück an die Box. Lange untersuchten Mechaniker das Auto des Briten, dann stieg Hill aus – und Schumacher war Weltmeister.
Der erfuhr von seinem Glück durch einen Streckenposten, der ihm die Hand reichte und zum Titel gratulierte. "Dass ich Weltmeister geworden sein sollte, das habe ich lange nicht richtig kapiert", so wird Schumacher auf seiner Homepage zitiert.
Der damals 25-Jährige hatte an jenem Tag in Adelaide eigentlich eine Saison zum Vergessen hinter sich. Zwar gewann er die ersten drei Rennen gegen Senna, der mit seinem schwer zu beherrschenden Williams zu kämpfen hatte, doch Diskussionen um Regelverstöße im Benetton-Team zogen letztlich Disqualifikationen in Silverstone und Spa sowie eine Sperre für zwei Rennwochenenden nach sich. Der Ruf von Fahrer und Team war angekratzt, vorgeworfen wurde Schumacher außerdem, dass er sich nach Sennas fatalem Unfall bei der Siegerehrung in Imola feiern lassen hatte.
Dabei hatte ihn die Tragödie selbst schwer ins Wanken gebracht. Er stand am Rande eines Rücktritts. "Ich habe mich sehr intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt und mich gefragt, was mir die Formel 1 und der Rennsport noch bedeuten können", sagte Schumacher einmal.
Schumacher löst Hype aus
Und dennoch holte sich der Kerpener in Adelaide gegen alle Widerstände seinen ersten von insgesamt sieben WM-Titeln in der Formel 1, den ersten überhaupt für einen deutschen Fahrer.
In der Tagesschau am Abend verlas der Sprecher: "Michael Schumacher ist der erste deutsche Weltmeister der Formel 1. Der 25-Jährige sicherte sich heute früh den Titel beim Großen Preis von Australien in Adelaide." Zur besten Frühstückszeit im Land der Autobauer löste Schumacher endgültig eine Jahre andauernde Formel-1-Hysterie aus, mit vollen Rängen auf deutschen Kursen, phasenweise zwei Heim-Grand-Prix und Top-Einschaltquoten im TV.
"Nichts war wie zuvor"
Mit Benetton wurde Schumacher 1995 ein zweites Mal Weltmeister, dann mit ein paar Jahren Anlauf zur Ferrari-Legende: Von 2000 bis 2004 war seine rote Göttin unschlagbar, in Italien stieg er zum Volkshelden auf, "Mikele Schumaker" kam sogar dem Papst gefährlich nah.
"Nichts in der deutschen Motorsportwelt und teilweise sogar in der gesamten deutschen automobilen Welt war nach Michaels erstem Formel-1-Weltmeisterschaftstitelgewinn wie zuvor", erinnert sich der langjährige ehemalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug: "Vom Mitläufer zum Hauptdarsteller über Nacht – das hatte Hand und Fuß."
Aber das Schicksal, das es so lange so gut mit ihm meinte, hatte plötzlich andere Pläne. Der 29. Dezember 2013 teilte Schumachers Leben in ein Davor und ein Danach. Bei einem Skiunfall im französischen Meribel erlitt der zweifache Familienvater schwere Kopfverletzungen, seither wird er hermetisch von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Wie es um den Mann steht, der in 307 Formel-1-Rennen bis auf einen Schienbeinbruch 1999 in Silverstone keinen Kratzer erlitt, kann nur gemutmaßt werden.
Sein sportlicher Rekord von sieben WM-Titeln wurde mittlerweile von Lewis Hamilton eingestellt. Nach der Saison 2012 löste er Schumacher bei Mercedes ab, im kommenden Jahr wird er – wie einst Schumacher – für Ferrari fahren.
Und Hamilton kennt auch die andere Seite von Michael Schumacher, die Seite, die er abseits der Rennstrecken bis zu seinem schweren Ski-Unfall immer selbst unter Verschluss hielt: seine private Seite. "Wenn es um Michaels Vermächtnis geht, steht er für mich jedoch vor allem als Mensch im Vordergrund und weniger als Konkurrent. Es geht dabei nicht um Titel oder Trophäen, sondern um die Familie, die Corinna und er gemeinsam gegründet haben." Die Größe, die Bescheidenheit und die Aufrichtigkeit der beiden Schumacher-Kinder Gina und Mick würden viel mehr über Michaels Werte aussagen, "als ich es je könnte", erklärte Hamilton.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen SID und dpa