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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sensationswechsel von Lewis Hamilton Das Beispiel Michael Schumacher lässt Zweifel aufkommen
Der siebenmalige Formel-1-Weltmeister wird ab 2025 im Cockpit von Ferrari sitzen. Mit dann 40 Jahren wechselt der Brite noch mal – und ist damit in historischer Gesellschaft. Wie aber stehen seine Chancen auf Erfolg?
Der 1. Februar sollte eigentlich ganz im Zeichen des Deadline Day stehen, dem Ende des Transferfensters im Fußball – aber es kam ganz anders. Denn die Sportwelt wurde aufgerüttelt durch eine Sensationsmeldung aus der Formel 1: Lewis Hamilton wechselt von Mercedes zu Ferrari (mehr dazu lesen Sie hier) – ein echter Hammer, im Fußball höchstens vergleichbar mit einem Wechsel von Lionel Messi in Barcelona-Hochzeiten zu Real Madrid.
Ab 2025 wird der siebenmalige Weltmeister Hamilton für die Scuderia an den Start gehen und das berühmte Ferrari-Rot repräsentieren. Beide Teams bestätigten am Donnerstagabend entsprechende Berichte. Beim italienischen Traditionsrennstall wird Hamilton dann mit Charles Leclerc ein Duo bilden.
Doch was bedeutet dieser Wechsel wirklich?
Hamiltons Wechsel hat eine neue Dimension
Eine derart spektakuläre Personalie von dieser Größenordnung gab es in der Formel 1 seit elf Jahren nicht mehr – und kurioserweise war auch damals Hamilton beteiligt.
Denn 2013 wechselte der Brite von McLaren zu Mercedes, kam bereits als einmaliger Weltmeister zum Rennstall, wurde dort Teamkollege des Deutschen Nico Rosberg. Und gewann bis 2020 sechs weitere WM-Titel.
Was den Wechsel von Mercedes zu Ferrari nun aber so besonders macht: Das Alter des Piloten – Hamilton wäre in seiner ersten Saison für die Italiener bereits 40 Jahre alt. Und: die Dimension. Denn hier wechselt der Co-Rekordweltmeister von einem der größten Rennställe zum wohl berühmtesten der Motorsportwelt.
Ähnliche Fälle gab es in der jüngeren Vergangenheit der Formel 1 nur wenige.
Beispiel 1: Michael Schumacher. Der siebenmalige Weltmeister entschied sich 2009 sensationell zur Rückkehr in die Königsklasse, nachdem er 2006 seine Karriere eigentlich schon beendet hatte. Ab 2010 fuhr die Ferrari-Legende mit 41 Jahren für Mercedes. Trotz einiger Achtungserfolge fuhr "Schumi" allerdings meistens eher hinterher, zog auch im teaminternen Duell mit Nico Rosberg häufig den Kürzeren. Seine Bilanz: WM-Platz neun im Jahr 2010, gefolgt von Rang acht im Jahr darauf. 2012 reichte es nur noch zum 13. Platz, Mercedes entschied sich gegen eine Vertragsverlängerung – und Schumacher beendete endgültig seine große, ansonsten von so vielen Erfolgen und Rekorden gekrönte Karriere.
Beispiel 2: Fernando Alonso. Der Weltmeister von 2005 und 2006 verabschiedete sich 2018 aus der Formel 1, wechselte zu Langstreckenrennen, gewann unter anderem gleich zweimal die legendären 24 Stunden von Le Mans. 2021 kehrte der Spanier in die Formel 1 zurück, fuhr für den französischen Rennstall Alpine. Nach zwei soliden Jahren (Platz 10 2021, Rang 9 2022) wechselte Alonso 2023 zu Aston Martin – mit fast 42 Jahren. Und startete mit dem britischen Traditionsrennstall völlig überraschend noch mal richtig durch. In den ersten acht Rennen der Saison fuhr Alonso sechsmal aufs Treppchen, belegte viermal Platz drei, schaffte es zweimal sogar auf Rang zwei. Am Ende des Jahres wurde der im Cockpit gar nicht so alte "Altstar" Vierter in der WM-Wertung – ein Riesenerfolg für ihn und den Rennstall.
Hamiltons Wechsel aber hat noch einmal eine andere Tragweite – denn hier feiert kein verdienter Pilot sein Comeback oder schließt sich einem Rennstall aus dem oberen Mittelfeld an. Hier wechselt ein Topfahrer von einem Topteam zu einem anderen Topteam.
Der achte WM-Titel scheint derzeit außer Reichweite
Und dass Hamilton zumindest momentan noch immer ganz vorne mitzufahren imstande ist – wenn auch vielleicht nicht mehr in der verlässlichen Regelmäßigkeit vergangener Jahre –, scheint unbestritten: Zwar wartet der so ehrgeizige Superstar seit 2021 auf einen Sieg, schaffte es vergangene Saison im längst nicht mehr überlegenen Mercedes aber immerhin sechsmal auf das Podest, verzweifelte mitunter jedoch an der Leistung des Autos, zudem passte des Öfteren das Tempo nicht.
Trotzdem reichte es noch zu WM-Platz drei in der Endabrechnung. Dennoch plagten ihn Selbstzweifel: "Im Verlauf einer so schwierigen Saison gibt es immer mal Momente, in denen du dich fragst: Bin ich es oder das Auto? Hab ich es immer noch drauf?", gab Hamilton in einem Interview mit der BBC vergangenen November zu.
Treibt ihn die Jagd auf seinen achten WM-Titel – der ihn zum alleinigen Rekordtitelträger aufsteigen lassen würde – zur Scuderia? Die Hoffnung, den Rekord nach dem Wechsel noch mal angreifen zu können, wird da sein. Allerdings: Dass Hamilton und Ferrari dem aktuellen Weltmeister-Team Red Bull ernsthaft und langfristig Konkurrenz im Rennen um den Titel machen können, scheint ob der haushohen Überlegenheit des Rennstalls um Starpilot Max Verstappen Stand heute unwahrscheinlich. Zu weit weg sind die Österreicher in der Leistungsspitze, sowohl von Ferrari als auch von Mercedes, die verzweifelt versuchen, die Lücke zu schließen.
Große Anzeichen, die Kräfteverhältnisse könnten sich in der kommenden Saison oder 2025 maßgeblich ändern, gibt es derzeit nicht. Am ehesten schien gerade zum Ende des letzten Jahres noch McLaren in der Kombination aus einem starken Auto und talentierten Fahrern in Lando Norris und Oscar Piastri fähig, mit Red Bull mitzuhalten.
"Es ist der richtige Zeitpunkt"
"Ich versuche, die Logik hinter einem Wechsel zu Ferrari zu verstehen", schrieb Ex-Fahrer und TV-Experte Karun Chandhok am Donnerstag bei X (vormals Twitter). "Vielleicht gibt es ja gar keine. Lewis hat mehr Geld, als er jemals ausgeben könnte und hat seit zwei Jahren kein Rennen mehr gewonnen. Vielleicht verlangte sein Herz einfach nach einer neuen Herausforderung."
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Und tatsächlich: "Es ist der richtige Zeitpunkt, diesen Schritt zu gehen, und ich freue mich auf eine neue Herausforderung", erklärte Hamilton selbst am Donnerstagabend zu seiner Entscheidung. Bei Ferrari habe er übrigens einen Vertrag "über mehrere Jahre" unterschrieben, hieß es in der Verlautbarung der Italiener.
Zeit genug also, in Rot zumindest alles zu versuchen, die Spitze der Formel 1 zurückzuerobern. Chandhok glaubt ebenfalls: "Mit Ferrari seinen achten WM-Titel zu gewinnen, wäre eine legendäre Leistung."
Und vielleicht ist gerade das die letzte große Herausforderung in der legendären Karriere des Lewis Hamilton.
- bbc.com: Lewis Hamilton interview: Briton on self-doubt, Mercedes woes and a 'North Star'
- Karun Chandhok bei X
- eigene Recherche