Desaströser Start kostet Sieg Türken entblößen Nowitzki als defensive Schwachstelle
Aus Berlin berichtet Björn Wannhoff
Die türkischen Fans skandierten in der Arena lautstark "Auf Wiedersehen", während Tibor Pleiß mit der Faust auf eine Werbebande in den Berliner Katakomben hämmerte und Dirk Nowitzki seine breiten Schultern hängen ließ. Die 75:80-Pleite bei der Basketball-EM war ein herber Rückschlag für die deutschen Olympia-Ambitionen. Aber auch die Art und Weise, wie Nowitzki und Co. verloren, frustrierte und verunsicherte das deutsche Team aufs Tiefste.
Entscheidend für die Niederlage war die Anfangsphase, da waren sich alle einig. "Das Problem im ersten Viertel war, dass wir immer den Ball aus dem Netz holen mussten und dann können wir auch das Spiel nicht schnell machen. Dann müssen wir jedes Mal vortrotteln und dann irgendein System rennen, dass die wahrscheinlich eh besser kannten als wir selbst", sagte Nowitzki.
Perfekter Plan des türkischen Trainers
Während die Türkei aggressiv und konzentriert zu Werke ging, fand das DBB-Team keinen Weg in die Partie. Dazu kam, dass das Team von Trainer Ergin Ataman einen Plan verfolgte, der perfekt auf das deutsche Spiel zugeschnitten war und ausgerechnet auf Superstar Nowitzki abzielte.
Schon vor der Partie hatte das türkische Lager angekündigt, dass sie den 37-Jährigen in möglichst viele, für ihn unangenehme Situationen bringen wollte. Mit sogenannten Pick-and-Rolls, also dem Stellen von Blöcken, zwangen die Türken den Dallas-Mavericks-Star dazu, aus seiner Komfortzone herauszukommen.
"Wir haben keinen Weg gefunden, die Blutung zu stoppen"
Diese Strategie ist nicht neu, die meisten NBA-Teams praktizieren dies seit über einem Jahrzehnt gegen den Würzburger. Problematisch wurde es allerdings dadurch, dass beim Team von Trainer Ataman fast buchstäblich jeder Wurf aus der Distanz sein Ziel fand. Fünf der sechs Drei-Punkt-Versuche der Türken landeten im Ziel.
Dazu gelang es dem deutschen Team nicht, Nowitzki in irgendeiner Form zu helfen. Er stand vielmehr alleine gegen den türkischen Star Ersan Ilyasova. Vorne wurde Nowitzki hart angegangen und kam nicht an seine bevorzugten Stellen auf dem Feld. "Wir haben keinen Weg gefunden, die Blutung zu stoppen. Ich habe keine Erklärung dafür", sagte Bundestrainer Chris Fleming: "Die Einstellung, um dieses Spiel zu beginnen, war nicht vorhanden. Wir hatten kein Wurfproblem, sondern ein Bereitschaftsproblem."
Fleming nimmt Schröder früh raus
Auch Dennis Schröder wirkte bisweilen verloren, sein Gegenspieler Ali Muhammed versenkte relativ unbedrängt zwei Drei-Punkt-Würfe. In der Offensive vermochte er nicht, seine pfeilschnellen Bewegungen zum Korb hin anzubringen.
"Offensiv sind sie an allen Pick-and-Rolls drunter her gegangen und Dennis kam zu langsam. Er muss, egal wie sie verteidigen, mit Schwung über den Block kommen", kritisierte Fleming. Der Bundestrainer hatte schon bald genug gesehen und beorderte Schröders Stellvertreter Maodo Lo auf das Spielfeld. Jedoch brachte dies auch keine wesentliche Verbesserung. So ging das erste Viertel krachend mit 11:31 verloren.
Vergebliche Aufholjagd
Erst danach fand Deutschland ins Spiel zurück und erzielte in jedem der folgenden Viertel mehr Punkte als die Türkei. Das gelang unter anderem aufgrund einer Umstellung. Nowitzki, der 15 Punkte erzielte, war vermehrt auf der Center-Position zu sehen und musste weniger außerhalb der Zone aushelfen. Dazu packte Coach Fleming die Zonenverteidigung aus und machte es so den Türken deutlich schwerer.
Angeführt von Schröder, mit 24 Punkten erfolgreichster DBB-Korbjäger, startete Deutschland eine Aufholjagd im Schlussviertel. Am Ende reichte es nicht mehr, zu groß war der Rückstand. "Wir haben die letzten drei Viertel mit 15 Punkten gewonnen und hatten trotzdem keine realistische Chance, das Spiel zu drehen", resümierte Fleming.
Die anderen DBB-Akteure traten dabei offensiv wenig bis gar nicht in Erscheinung. Paul Zipser beendete die Partie mit null Punkten, ebenso wie Anton Gavel. Heiko Schaffartzik kam auf drei Punkte. Schlussendlich viel zu wenig.
Endspiel gegen Italien
Nun gilt es, die Niederlage schnell aus den Köpfen zu bekommen. Gegen Italien (heute ab 17.45 im t-online.de Live-Ticker) muss zwingend ein Sieg her, sonst gerät das Erreichen des Achtelfinals in weite Ferne und die EM würde für Deutschland wohl schon mit den Spiel gegen Spanien enden.
Soweit wollte noch niemand denken. "Ehrlich gesagt ist Italien so was von uninteressant im Moment. Wir müssen uns um Deutschland kümmern", sagte Fleming. Klar war aber für den Bundestrainer, dass seine Mannschaft anders zu Werke gehen muss und wird: "Ich bin mir sicher, dass wir morgen ein anderes Team auf dem Feld sehen werden."