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Basketball-EM 2015: Hansi Gnad im Interview


Interview mit dem 93er-Kapitän Hansi Gnad
"Wir hätten 100.000 Mark reinschreiben können"

t-online, Sebastian Schlichting

03.09.2015Lesedauer: 4 Min.
Hansi Gnad (Nr. 12) und das deutsche Team bei der Siegerehrung nach dem Finale 1993.Vergrößern des Bildes
Hansi Gnad (Nr. 12) und das deutsche Team bei der Siegerehrung nach dem Finale 1993. (Quelle: Horstmüller/imago-images-bilder)

1993 holte die deutsche Basketball-Nationalmannschaft bei der Heim-EM sensationell den Titel. Kapitän des Teams war Hansi Gnad (52). An diesem Samstag beginnt wieder eine Heim-Europameisterschaft. Gnad, inzwischen Co-Trainer bei Zweitligist Bayer Giants Leverkusen, spricht über das Geheimnis des damaligen Erfolges, das große Verletzungspech beim jetzigen Jahrgang und die Erwartungen an Dirk Nowitzki.

t-online.de: Herr Gnad, können Sie sich noch an Aivar Kuusma erinnern?
Hansi Gnad: Mein Gott, ja klar. Der hat uns 1993 im ersten EM-Spiel fast alleine erschossen.

Am Ende hieß es 113:103 für Estland. Kuusma hat 30 Punkte erzielt.
Das muss das Spiel seines Lebens gewesen sein. Für uns war es ein Schock. Es ging ja schon mies los.

Sie meinen die Atmosphäre in der Berliner Deutschlandhalle?
Da waren kaum mehr als ein paar Familienangehörige in der Halle.

Keine zwei Wochen nach dem Spiel gegen Estland war Deutschland Europameister. Wie geht so etwas?
Das hat alle überrascht. Auch uns selbst. Wie sagt man so schön: Unverhofft kommt oft.

Was ist während des Turniers passiert?
Wir hatten das Glück, dass so ein Turnier über einen längeren Zeitraum geht. Hätten wir ganz früh ein Spiel gehabt, in dem es um alles geht, hätten wir das nicht gewonnen. Die Mannschaft war noch nicht so weit.

Welches war das Schlüsselspiel?
Das dritte Gruppenspiel gegen Slowenien. Es war ein Muss-Spiel und wir haben einen rausgehauen. Wenn wir verloren hätten, wäre das wahrscheinlich auch nicht groß aufgefallen. Basketball war keine große Nummer in Deutschland.

Auch in der Zwischenrunde lief es holprig.
Nur Kai Nürnberger hat konstant auf sehr anständigem Niveau gespielt. Beim Rest lief es mal hü und mal hott. Jeder hatte mal einen richtig guten Tag und die anderen mitgerissen. In den K.-o.-Spielen war es natürlich Christian Welp. Er hat einfach die entscheidenden Dinger gemacht.

Wie hoch war die Prämie damals?
Über die Plätze eins bis drei haben wir nicht verhandelt. Das war zu unrealistisch. Da hätten wir 100.000 Mark pro Mann reinschreiben können und es hätte keiner was gesagt. Für den Titel haben wir eine für damalige Verhältnisse ordentliche Prämie bekommen. Die war fünfstellig, vor Steuern. Geld haben wir in der Nationalmannschaft sonst nicht verdient. Es gab ein paar Mark als Aufwandsentschädigung.

Welchen Anteil hatte Trainer Svetislav Pesic am Erfolg?
Er war der wichtigste Mann. Ohne ihn wäre das alles nie möglich gewesen. Als er die Mannschaft 1987 übernommen hatte, war alles drittklassig. Wir mussten Vor-Turniere spielen, um überhaupt an den Qualifikationen zu den großen Turnieren teilnehmen zu dürfen. Pesic musste anfangs froh sein, wenn er genug Leute für Lehrgänge zusammenbekam. Er hat aus einem Scherbenhaufen etwas aufgebaut, was gepasst hat.

Der Trainer hatte bereits vor der EM eine Medaille als Ziel ausgegeben.
Das war ein sehr optimistisches Ziel (lacht). Individuell waren wir weit weg von Europas Spitze. Den Titel haben wir nicht gewonnen, weil wir so gute Einzelspieler waren, sondern weil wir als Mannschaft am besten aufgetreten sind. Pesic hat früh gemerkt, dass die Chemie stimmt und am Ende etwas möglich ist.

Beim Finale in München war die Halle erstmals voll. Was war danach alles anders?
Im Finale hatten wir zum ersten Mal einen echten Heimvorteil. Plötzlich gab es einen Boom. Wir sind später zur Mannschaft des Jahres gewählt worden. Streetball war in und die Jugendlichen sind rumgelaufen wie Henning Harnisch….

…mit Stirnband und langen Haaren.
Er war ein Imagegeber für die Sportart. Beim Verband steckte alles noch in den Kinderschuhen. Erst danach hat man sich professionell aufgestellt. Sonst hätte der Boom noch größer ausfallen können.

Pesic hat vor kurzem gesagt, dass auch bei der jetzigen Heim-EM eine Medaille drin ist. Wie sehen Sie es?
Ich wünsche mir, dass er recht hat. Aber wenn ich sehe, wer alles ausfällt, läuft es mir kalt den Rücken runter.

Nun hat es auch Maik Zirbes erwischt. Damit fehlt ein halbes Dutzend Spieler.
Die Mannschaft ist immer noch gut, aber jetzt darf nichts mehr passieren. Allerdings muss man auch sehen, dass wir mit Dirk Nowitzki, Tibor Pleiß und Dennis Schröder drei Spieler haben, die zum Besten gehören, was es in Europa gibt. Das war bei unserer Mannschaft 1993 anders.

Neu dabei ist der gebürtige Slowake Anton Gavel, der kurz vor der EM seine Spielgenehmigung erhalten hat. Welche Rolle wird er einnehmen?
Gavel muss genau wie Heiko Schaffartzik Verantwortung übernehmen. Sie müssen die entscheidenden Würfe nehmen, wenn sich der Gegner auf die großen Jungs konzentriert. Auch Paul Zipser könnte ein entscheidender Faktor werden.

Ein entscheidender Faktor ist immer Dirk Nowitzki. Er ist jetzt 37 Jahre alt. Kann er auftreten wie früher?
Dirk wird nicht mehr 20 Punkte pro Spiel machen. Aber er zieht die Verteidigung auf sich, kann den Ball auf die freien Leuten bewegen. Natürlich wird er dem deutschen Spiel gut tun. Die Belastung wird er allerdings spüren, es ist ja fast jeden Tag ein Spiel.

Die deutsche Gruppe hat es in sich. Was ist möglich?
Da ist die Crème de la Crème Europas vertreten. Ganz entscheidend wird das Spiel gegen die Türkei. Auch gegen Spanien oder Serbien ist die Sache nicht von vornherein aussichtslos. Eine Überraschung ist immer drin. Auf jeden Fall ist die Mannschaft stark genug, um die Zwischenrunde zu erreichen. Die Halle wird bei den deutschen Gruppenspielen immer voll sein, diesmal gibt es einen echten Heimvorteil.

Das Interview führte Sebastian Schlichting

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