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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Baufällige Lagune sorgt für Kritik Warum hier noch immer Delfine im Zoo leben
Im Tiergarten werden Delfine gehalten. Das steht seit über einem Jahrzehnt in der Kritik. Wieso also hält Nürnberg an der baufälligen Delfinlagune fest?
Als Armin Fritz an die Scheibe in der Delfinlagune klopft, kommt Jenny angeschwommen und vollführt Kunststückchen. Kinder drücken sich die Nasen an der unterirdischen Unterwasser-Panoramascheibe platt. Es ist ein Vorgeschmack auf die Show, die gleich folgt und welche die sieben Großen Tümmler mehrmals am Tag vor Publikum aufführen. Dafür trainieren das 37 Jahre alte Weibchen und seine Artgenossen sechsmal täglich, 365 Tage im Jahr.
Er fühlt sich als Tierschützer, erklärt Fritz vor der Kulisse der Delfinlagune im Nürnberger Tiergarten. Für ihn als Tierpfleger habe das Wohl der Tiere oberste Priorität. Mit den Shows sorgten sie für ein besseres Verständnis und mehr Sympathie bei den Menschen für die Tiere, deren Lebensraum durch Überfischung und Verschmutzung immer stärker bedroht wird. Denn, so ist er überzeugt: Nur was die Menschen kennen, schützen sie. Und so sieht sich Fritz auch als Botschafter. Denn bei den "Präsentationen" – wie er es nennt – vermittle er den bis zu 1.200 Zuschauern jedes Mal Wissenswertes über den Lebensraum der Tiere.
Außerdem würden die Shows gewährleisten, dass sich die Delfine nicht langweilten. Die Tiere wollen beschäftigt werden, erklärt der Revierleiter: In der Tierhaltung falle die in der Wildnis so zeitintensive Essenssuche weg. Dabei sei der Spieltrieb der sozial lebenden Delfine groß. Zehn Mitarbeiter sind an der Anlage rund um die Uhr im Einsatz, um sich um die Tiere zu kümmern.
Tierpfleger: Den Delfinen hier geht es gut
Dass es "seinen" Delfinen hier gutgehe, davon ist Fritz überzeugt. Manche Tierschützer sehen das anders. Seitdem die Lagune 2011 eröffnet wurde, macht die Organisation Peta dagegen mobil, sie spricht von "Tierquälerei" und "unvorstellbarem Tierleid". Immer mal wieder kommt es hier deswegen zu Demonstrationen. Die Tierschützer fordern ein Ende der Delfinhaltung am Schmausenbuck und einen Boykott der Besucher.
"Die durchschnittliche Lebenserwartung der Großen Tümmler im Tiergarten Nürnberg liegt inzwischen mit 25,9 Jahren über der Lebenserwartung für Große Tümmler im natürlichen Lebensraum", betonen die Tiergarten-Verantwortlichen auf Nachfrage. Das liege auch an ihrem Geburtsmanagement, das erstgebärende Delfinweibchen bei der Aufzucht ihrer Kälber unterstütze. So seien in Nürnberg bislang sechs Kälber erfolgreich aufgezogen wurden, heißt es. Wie hoch die Sterblichkeitsrate der Tiere dagegen sei, lasse sich schwer nachvollziehen, erklärt der Pressestelle. Denn: Im Sinne des Zuchtprogramms werden Delfine – wie andere Tiere auch – für die Wahrung der Artenvielfalt unter den Zoos ausgetauscht.
Was der Tierpfleger von der Kritik hält? "Ein grundsätzliches Dagegensein ist für mich nicht akzeptabel." Er sehe nicht, dass Peta an einem Dialog interessiert sei. Für konstruktive Kritik sei er offen, betont der 58-Jährige, denn hier und da ließe sich sicher immer noch etwas verbessern. "Sobald es aber persönlich wird, ist es schwierig."
Kein Ende der Bauarbeiten in Sicht
Die Anlage teilen sich die Delfine mit Kalifornischen Seelöwen, die sich in den bis zu sieben Metern tiefen Innen- und Außenbecken frei hin- und herbewegen können – wenn eben nicht gerade Bauarbeiten durchgeführt werden. Die imposante unter- und überirdische Freianlage ist regelmäßig in den Negativschlagzeilen. Etwa weil das Becken undicht war: Salzwasser sickerte durch die 31 Millionen Euro teure Anlage (so viel war zu Beginn für sie veranschlagt). Wer für die Schäden aufkommt, darüber streitet die Stadt gerade mit der Baufirma. Zu umfangreichen Sanierungsarbeiten mussten die Delfine vorübergehend schon mal auf die kleinere und veraltete Anlage des Delfinariums ausweichen. Auch gegenwärtig sind Teile der Anlage eine Baustelle.
Im Juni wurde das Thema einmal mehr im Bauausschuss der Stadt behandelt. Dabei kamen die Experten zum Schluss: "Die Lagune ist strukturell nicht gefährdet, gleichwohl die diversen Mängel einen erhöhten Bauunterhalt nötig machten und weiter machen werden." Die Untersuchungen zeigten, dass die komplexe Wasserchemie, diverse Baumängel und einzelne Planungsmängel zu einer Vielzahl von Schadensbildern geführt haben. Ein Ende der Bauarbeiten ist also vorerst nicht in Sicht. Darin seien aber auch Arbeiten enthalten, die der normale Verschleiß mit sich bringe, betont ein Sprecher vom Hochbauamt.
Und noch eine Folge bringt die Dauerbaustelle mit sich: keine Nachzucht. Und damit Einschränkungen in der Vielfalt. Dabei würden Junge dem Sozialgefüge der rein weiblichen Delfingruppe guttun, sagt Fritz. Auf ein neues Männchen und Nachwuchs aber verzichteten die Verantwortlichen wegen des Baustellen-Stresses aktuell lieber.
Tiergarten hat sich auf Seetiere spezialisiert
Seit 1971 hält der Nürnberger Tiergarten Delfine. Damals habe es einen Boom in deutschen Zoos und Freizeitparks gegeben, erklärt der Revierleiter. Man habe erkannt, "was für faszinierende Tiere das sind" – und dass sie gut zur Dressur geeignet seien. Seitdem habe sich die Tierhaltung aber deutlich weiterentwickelt – "und das ist gut so". Die Auflagen seien strenger und kostspieliger geworden. So gibt es Delfine mittlerweile nur noch im hiesigen und im Duisburger Zoo. Warum? Weil sich der Nürnberger auf Seetiere spezialisiert hat, mit seinen Eisbären, Pinguinen und Manatis.
Bei all den Anfeindungen und Negativschlagzeilen: Wie ist es heutzutage noch, Delfinpfleger zu sein? An seinem Beweggrund, aus welchem er vor rund 40 Jahren den Beruf eingeschlagen hat, habe sich nichts geändert: Tierliebe. "Man muss mit dem Herz dabei sein, sonst funktioniert das nicht", so Fritz. Alles andere würden die Tiere merken.
- Reporterin vor Ort im Gespräch mit Armin Fritz
- Nachfrage bei Pressestelle des Tiergartens
- Nachfrage bei Hochbauamt der Stadt Nürnberg
- nuernberg.de: Ratsinformationssystem zur Stadtratssitzung vom 29. Juni 2023
- Zootierliste.de: Große Tümmler (31. August 2023)
- peta.de: 50 Jahre Delfinarium Nürnberg