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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tausende Euro Wie Hass auf den "Drachenlord" einem Hospiz zu Spendenboom verhilft
"Drachenlord" Rainer Winkler und seine Gegner stehen meist für Negativschlagzeilen. Diesmal bewirkt das bizarre Internetphänomen Gutes: Seine Anti-Fans spenden reihenweise.
Die Hater-Community des "Drachenlord" hat wieder zugeschlagen. Was hat Rainer Winkler – so der bürgerliche Name des umstrittenen YouTubers aus Mittelfranken – mit einem Spendenaufruf für ein Hospiz zu tun? Die Abneigung gegen Winkler hat in diesem Fall einen positiven Nebeneffekt für eine soziale Einrichtung.
Alles begann mit einem Wutvideo auf den "Drachenlord". Auf TikTok macht ein 52-jähriger Mann seinem Ärger über dessen "ständiges Gebettel nach Geld" Luft. Er arbeite ehrenamtlich in einem Hospiz, erklärt C. in dem Video. Winkler, der seine Unterstützer regelmäßig um Geld anschnorre, rege ihn auf. Für ihn unbegreiflich: "Und dann gibt es Menschen, die ihm tatsächlich noch etwas schicken."
Er selbst sei schwerkrank, erzählt C., der währenddessen seine versehrte Hand in die Kamera hält. Er sei nicht mehr arbeitsfähig, dennoch "versuche ich, mein Leben zu meistern." Er richtet sich an Winkler: "Und das solltest du auch!" Damit trifft er einen Nerv der Kritiker-Community, die ähnliche Vorwürfe gegen den "Drachenlord" erhebt. Winkler wolle Geld dafür, dass er nichts biete – und verprasse das dann.
Wutvideo geht viral – und sorgt für Tausende Euro Spenden
Winklers Haus im mittelfränkischen Altschauerberg ist vor einem Jahr abgerissen worden. Seitdem tingelt der Videoblogger obdachlos durch Deutschland – mal hier, mal dort nächtigt er im Hotel. Geld verdient er unter anderem mit seinen Internetauftritten. Regelmäßig bittet der 33-Jährige auch seine Community um finanzielle Unterstützung. So etwa wieder jüngst: Winkler erklärt offenbar verzweifelt, dass er "keine Kohle mehr hat" und nicht wisse, wo er diese Nacht verbringen könne.
- Prügelei am Bahnhof: Welche Konsequenzen drohen dem "Drachenlord"?
Für C. ein Anlass für sein Wutvideo, das sich schnell im Internet verbreitet. In einem einschlägigen Kanal heißt es dazu: Eigentlich sollte die Spendenaktion dem Ehrenamtlichen selbst gelten – "da er selbst vom Leben gezeichnet ist und am Existenzminimum lebt". Der aber habe selbstlos vorgeschlagen, dass sich die Spendenaktion besser an ein niedersächsisches Hospiz richten solle. Szenetypisch wurde die Aktion mit einem Motto gestartet, das sich gleich wieder gegen Winkler richtete: "Rainer hassen – Menschen helfen".
Winkler selbst hat in einem Stream dennoch eine Spende angekündigt – "wenn ich das kann". Später präzisiert er: "Ich werde spenden." Und ließ am Freitag die Zusicherung folgen: Er habe gespendet.* Wie viel, das wollte er schon vorher nicht sagen. Aber: 50 Euro würden es nicht sein, denn "die sind für mich im besten Falle eine Übernachtung in einem Hotel." Die Community dagegen will dann auch Beweise sehen: "Mach das einfach", sagt ihm einer in einem Live-Video, in dem Winkler selbst dabei war. "Wenn du etwas Gutes tust, kriegst du auch was Gutes zurück."
Tatsächlich griff Winkler auch einen anderen Vorschlag auf – zumindest als Ankündigung: In seinem Blog schrieb er, er werde im April anfangen, Sport zu treiben: "Immer vorausgesetzt, ich kann das auch durchziehen, ohne dass man mich permanent dabei belästigt".*
Schnell kamen Tausende Euro zusammen
Gepostete Screenshots zeigen, dass schnell Tausende Euro zusammengekommen sind. Die erste Zielmarke von 15.000 Euro war am Freitagmittag offenbar bereits überschritten*. Einen Betrag in dieser Höhe hatte eine Spendenaktion der "Hater"-Community schon einmal für die Opfer der Flut im Ahrtal eingebracht. Einen Spaß scheinen sich die Spendenden aus der Summe zu machen: Überraschend oft werden 15,10 Euro gespendet. Eine Anlehnung an den ersten Account des "Drachenlords" ("Drachenlord1510").
"Ich bin total geflasht", sagt der Ehrenamtliche in einem neuen Video, in dem er sichtlich um Worte ringt. Die Menschen im Hospiz St. Peter in Oldenburg könnten das Geld gut gebrauchen.
Die Einrichtung selbst wurde offenbar völlig überrollt und will sich vor einem Statement erst einmal näher mit dem Thema befassen, sagen die Verantwortlichen auf Nachfrage von t-online.
Etwas Gutes tun aus Abneigung und Trotz hat im Netz übrigens Tradition: In dem Forum pr0gramm spendeten Tausende Nutzer unter dem Motto "Krebs ist Scheiße" an die Krebshilfe, weil sie sich über einen Bericht des US-Sicherheitsforschers Brian Krebs geärgert hatten.
*Der Text wurde aktualisiert mit Rainer Winklers Reaktion vom Freitag, dass er gespendet hat. Aktualisiert wurde auch, dass der Betrag von 15.000 Euro offenbar bereits erreicht war.
- telegram: Schanzenwatch (17.3.23)
- Anfrage an das Oldenburger Hospiz
- Anfrage an Tiktoker
- Eigene Recherchen
- tiktok.de: Marcel C. (17.3.23)