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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Kölle Alaafchen" Corona lässt die Jecken in Köln verstummen
Der Rosenmontag 2021 wird sicher in die Geschichte Kölns eingehen. Es war nicht besonders schön, dafür umso trostloser. Doch manch ein Jeck ließ sich die Stimmung nicht verderben. t-online hat sich in der Stadt umgehört.
Köln steht Kopf an diesem ungewöhnlichen Rosenmontag 2021. Aber nicht, weil die Jecken so besonders ausgelassen sind am für viele Kölner wichtigsten Tag des Jahres. Sondern im Gegenteil, weil unfassbarerweise an diesem Montag nichts los ist auf den Straßen und Plätzen der sonst so jecken Stadt am Rhein.
Kein Zoch, keine Wagen, keine Musik- und Tanzgruppen, kein Dreigestirn, das Kamelle aus vollen Händen in die Menge am Zugrand wirft, keine schunkelnden Massen, keine vollen Kneipen aus denen kölsche Musik dröhnt und auch kein Kölsch. Für jeden Karnevalsfan ein wahres Trauerspiel. Corona lässt grüßen.
Um 10 Uhr auf dem Heumarkt, einem der zentralen Plätze an den tollen Tagen im Kölner Karneval, ist am frühen Morgen tatsächlich gähnende Leere. Corona hat den Kölnern sichtlich den Spaß verdorben. Verkleidete Menschen sind, wenn überhaupt, nur vereinzelt zu sehen. Was hat die unverwüstlichen Jecken an diesem trostlosen Tag dennoch dazu gebracht, sich zu verkleiden?
"Ich mache mir selbst eine Freude, weil es das erste Mal ist, dass ich an Rosenmontag Geburtstag habe", erzählt der "Tuba-Theo", wie sich der 62-jährige Musiker an den tollen Tagen nennt. Die "Tuba" ist allerdings dieses Mal eine Trompete und der Theo ist heute ein "Eichhörnchen auf dem Klapp-Rädchen". Er ist schon seit Weiberfastnacht unterwegs und musiziert für sich und die, die es hören möchten. "Gleich kommen noch vier Musikerfreunde, die mir mit dem nötigen Abstand noch ein Ständchen bringen werden", lacht Theo.
So ganz ohne Karneval geht's dann doch nicht
Ein paar Schritte weiter auf dem Alter Markt steht der Rolf in seiner Narrenuniform. Sein Alter beschreibt er mit "Ü-Nochwas" und lacht zu seinen Kumpel Klaus rüber. Sie gehören zu der Karnevalsgruppe "Colonia Waggis". Auf seiner Corona-Maske steht das Leitmotto der diesjährigen, ausgefallenen Session: "Nur zesamme sin mer Fastelovend". Für ihn ist heute ganz klar: "Wir feiern trotzdem. Aber anders – eben coronakonform."
Und er schwört, dass er und seine Mitstreiter des Frohsinns trotz allem "total im Rosenmontagsfieber sind, wie sich das für einen Kölner gehört". Dass es keinen Alkohol gibt, spiele für eine echten Karnevalisten wie ihn überhaupt keine Rolle, so Rolf. "Wir sind natürlich nicht abgeneigt, auch mal ein Kölschchen zu trinken. Aber ich finde es gar nicht so schlecht, mal völlig ohne Alkohol den Karneval zu zelebrieren."
11.11 Uhr an der Agneskirche in der Neustadt-Nord. Die katholische Gemeinde hat gläubige Jecken zu einem Karnevalsgottesdienst eingeladen. Es werden kölsche Lieder gespielt und verkleidet sein darf man auch – immerhin. Die kölschen Stadtfiguren "Tünnes" und "Schäl" stehen mannshoch vor dem Altar und bezeugen, dass dies kein gewöhnlicher Gottesdienst ist.
Bandsänger Stephan Brings und der Kölner Solo-Sänger und Komponist Stefan Knittler bringen die Besucher und Zuhörer mit kölschen Liedern wie "Mir singe Alaaf!" von der Band Brings und "Immer noch do" von der Band Kasalla in sentimentale Rosenmontagsstimmung. Die Predigt hält Kabarettist Jürgen Becker. Eine schöne Idee und alles wird auch online über einen Stream live übertragen.
Mittags ist dann am Severinstor, wo der Rosenmontagszug normalerweise gestartet wäre, doch noch ein bisschen jeckes Treiben. Zwei kölsche Jecken ziehen in zwei Bollerwagen die Musik hinter sich her. Und auf dem Chlodwigplatz hat sich eine Tanzgruppe in rotweißes Absperrband eingewickelt und lässt mit ihrer coronagemäßen Musiknummer doch noch ein bisschen Karnevalsgefühl bei den Passanten aufkommen.
Sanktionierte Unvernunft und kreative jecke Einfälle
Allerdings nicht jeder hält sich an die Regeln und ist vernünftig an diesen Corona-Karnevalstagen: Denn offensichtlich wollen einige Bürger trotz der Vorgaben in der Pandemiekrise ausgelassen feiern – verbotenerweise. Die Ordnungsbehörden in Köln haben laut offiziellen Angaben, Stand Rosenmontagmorgen, seit Weiberfastnachtsdonnerstag rund 100 Bußgelder wegen unerlaubter Partys verteilt. Oberbürgermeisterin Henriette Rekers kritisierte am Wochenende die Party-Teilnehmer heftig und zeigte großes Unverständnis für diese Disziplinlosigkeiten.
Andere Jecken auf Entzug waren da cleverer und einfallsreicher: Sie feierten allein zu Hause, verkleidet, mit Musik und Konfetti. Andere haben sich online über Video-Chatplattformen zum "gemeinsamen" Feiern miteinander verbunden. Und den Kölner Rosenmontagsumzug gab es ja auch, dieses Mal allerdings im Corona-Kleinformat, liebevoll vom Hänneschen-Theater mit Miniaturwagen und Puppen inszeniert und als Onlinestream vom WDR gesendet. Und auch wenn sich heute am Rosenmontag der Geburtstag des berühmten Kölner Karnevalssängers Jupp Schmitz zum 120. Mal jährt, jeck ist anders.
- Eindrücke vor Ort
- Eigene Recherche