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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivist mit Mission 70-Jähriger steht stundenlang in den Kölner Einkaufsmeilen
Ein Schild mit dem Aufdruck "weniger" soll die Kölner zum Nachdenken anregen. Der Umweltaktivist Herbert Küppers steht daher seit zweieinhalb Jahren regelmäßig auf den Kölner Einkaufsmeilen.
Er steht schweigend in den Einkaufsmeilen in Köln, stundenlang, mit einem Schild in der Hand. Darauf steht nur ein einziges Wort: "weniger". Herbert Küppers (70) ist Umweltaktivist und möchte mit seinen Möglichkeiten etwas dafür tun, dass die Gesellschaft bewusster lebt und konsumiert. "Ich will zum Nachdenken anregen. Und wer mich anspricht, dem erläutere ich, worum es mir geht", sagt Küppers. "Wir befinden uns in großen Teilen der Welt in einer Orgie gedankenlosen Konsums und sind dabei, unsere Ressourcen, die die Natur uns gegeben hat, einfach zu verprassen", legt er nach.
Ihm komme es daher darauf an, mit seiner Aktion dazu beizutragen, die Konsumkultur bei den Menschen zu verändern: "Warum müssen so viele große Autos in der Gegend herumfahren, in denen meist nur eine Person sitzt? Warum nicht kleine Autos bauen, die sich zwei oder drei Nutzer teilen? Dann wären die meisten Verkehrsprobleme gelöst", regt Küppers an. Weniger Elektrogeräte, weniger Computer, weniger Laubbläser, weniger Streamen im Netz sind seiner Ansicht nach Beispiele für weitere Ansätze, um nachhaltiger zu leben und Ressourcen zu sparen.
Der 70-Jährige steht seit rund zweieinhalb Jahren zwei- bis dreimal in der Woche mit seinem Schild auf den Kölner Einkaufsmeilen am Neumarkt, der Schildergasse und der Hohen Straße. "Ich stehe dort jeweils ein paar Stunden. Es ist manchmal wie in einer Meditationsübung. Es kostet auch Kraft. Aber ich weiß, dass ich das Richtige mache", sagt er nicht ohne Stolz.
Wie reagieren die Leute auf ihn?
Mit 5.000 Menschen habe er schätzungsweise während seiner Stehdemonstrationen schon gesprochen. "Das ist viel, wenn man bedenkt, wie klein meine Aktion ist", sagt er. Viele würden sich bedanken und fragen, ob sie ihn ansprechen dürfen, beschreibt er seine Erfahrungen mit den Leuten auf den Kölner Einkaufsstraßen. Natürlich würden die Menschen danach weiter, wie geplant, einkaufen gehen. Aber er glaube daran, etwas bewegen zu können. Es gehe um "weniger bei den materiellen Dingen im Leben". Liebe, Frieden und Musik könne man nicht genug haben, hebt der bekennende Alt-68er hervor.
Natürlich gibt es auch ab und an negative Erfahrungen: Er sei schon angerempelt worden oder habe sich sinnfreie, blöde Sprüche anhören müssen – meist von jungen Männergruppen. Einige Migranten hätten sein "weniger" auf sich gemünzt. Er sei davon sehr überrascht worden, konnte das aber dann schnell aufklären. Auch bei einer Aktion vor einem Lebensmittel-Discounter in Köln sei er vom Ordnungspersonal weggeschickt worden. "Ich bin nicht überall willkommen", lacht Herbert Küppers.
Ein neues Projekt im Frühjahr
In den kommenden Wochen plant der gebürtige Kölner und bekennende Alt-68er, der auch mal ein knappes halbes Jahr lang im Ökodorf "Sieben Linden" in Sachsen-Anhalt gelebt hat, ein neues Projekt: Er will mit einem "weniger"-Wohnanhänger und Trecker quer durch Deutschland fahren und an den Markt- und Kirchplätzen sein Schild präsentieren und mit den Menschen vor Ort in Kontakt kommen, wenn sie möchten.
Die Kosten für den von einer schwäbischen Firma ökologisch nachhaltig gebauten und energiesparend betriebenen Wohnanhänger von rund 50.000 Euro hat er mit der Hilfe von Freunden finanziert. Sein Leben unterhält er durch den Erlös seines früheren Bild- und Rahmen-Werkladens und die Vermietung einer eigenen Immobilie.
Er ist unabhängig und nutzt das für sein Engagement: "Ich werde so lange weiterfahren, wie ich mich wohl fühle und meine Frau, my beloved old lady, nicht vermisse", schmunzelt er.
- Gespräch mit Herbert Küppers