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"Letzte Generation": Hat Hannover die Klimaaktivisten über den Tisch gezogen?


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"Deal" in Hannover
Hat dieser Grüne die "Letzte Generation" über den Tisch gezogen?

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
MeinungVon Patrick Schiller

Aktualisiert am 01.03.2023Lesedauer: 4 Min.
Klimaaktion Letzte Generation - HannoverVergrößern des Bildes
Aktivistin der "Letzten Generation" auf dem Ernst-August-Denkmal (Archivbild): Gab es wirklich einen "Deal" mit Hannover? (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa/dpa)
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Die Verhandlungen zwischen dem grünen Oberbürgermeister Belit Onay und der "Letzten Generation" lösen eine Debatte aus. Aber gab es überhaupt einen "Deal"?

Hannover ist anders als andere Städte: Hier müssen Autofahrer nicht länger fürchten, von der "Letzten Generation" ausgebremst zu werden. Das verdanken sie ausgerechnet ihrem grünen Oberbürgermeister, der sich in der vergangenen Woche mit Vertretern der Gruppierung zusammensetzte und Vereinbarungen traf. Nur wird er dafür nicht gefeiert, sondern erntet bundesweit Kritik. Onay habe sich "erpressen lassen", sagte etwa der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, der "Welt".

Doch stimmt das eigentlich? Denn darüber, was bei den Gesprächen vereinbart wurde, gehen bei den Teilnehmern die Ansichten offenbar auseinander.

Die Klimaaktivisten sagten im Anschluss an die Gespräche, Hannover gehe auf ihre Forderungen ein, den Bundestag dazu aufzurufen, zu den Forderungen der "Letzten Generation" zu beraten und diese umzusetzen. "Ziviler Widerstand ist einmal mehr von Erfolg gekrönt", verkündete sogar ein Sprecher der Aktivisten.

Onay dagegen interpretiert die Verhandlungsergebnisse ganz anders: Er habe lediglich seine klimapolitischen Ansichten an die Bundesfraktionen geschickt. Und verfolge im Übrigen weiter seine verkehrs- und energiepolitischen Ziele für Hannover. Die Forderung nach einem "Gesellschaftsrat" gibt Onay gar nur skeptisch an den Bundestag weiter. Dafür habe er den Protest und die Blockaden von der Straße geholt, begründete Onay in einem weiteren Instagram-Post die Verhandlungen mit der "Letzten Generation".

Wer also hat recht? Und könnte die Lösung für Hannover auch eine für andere Städte sein?

Die Angst vor der "Ökodiktatur" bleibt unberechtigt

Fakt ist, Onay hat einen Brief an alle Fraktionen (abgesehen von der AfD) im Deutschen Bundestag geschickt. In dem Schreiben, das die "Letzte Generation" veröffentlicht hat, spricht sich Onay klar für die Einhaltung der Pariser Klimaziele, also das 1,5-Grad-Ziel, aus.

Tatsächlich ist das ein gemeinsamer Nenner mit der "Letzten Generation". Mit der erklärten Mobilitätswende und der Klimaschutzpolitik in Hannover entspricht dies genau Onays Programm für Hannover: Seit dem Jahr 2022 hat sich die Landeshauptstadt sogar dem Sofortprogramm "Klimaschutz Hannover 2035" verschrieben, in dem die Stadt anhand von 53 Maßnahmen bis zum Jahr 2035 klimaneutral machen will.

Einige Umweltorganisationen kritisieren dieses Paket, weil es zu lasch und unkonkret sei. Allerdings geht es auf Forderungen von Protestgruppen wie "Extinction Rebellion", "Fridays for Future" und eben die "Letzte Generation" ein.

Rückenwind von der niedersächsischen Landesregierung

Mehr noch: Als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover weiß Onay eine rot-grüne niedersächsische Landesregierung hinter sich, die in Sachen Ausbau erneuerbarer Energien bundesweit den Ton angibt – und sich auch für die Zukunft ambitionierte Ziele setzt: Onays grüner Parteikollege, Energieminister Christian Meyer, will mit dem Windenergie-Beschleunigungs-Gesetz für Niedersachsen den Ausbau des führenden Windenergiebundeslands drastisch beschleunigen. Die Landesregierung spricht gar von einem "Windkraft-Turbo".

Zudem hat die Landesregierung bereits eine "Taskforce Energiewende" eingerichtet, die zum einen Kommunen bei der Einhaltung ihrer Klimaziele beraten, zum anderen helfen soll, Prozesse unbürokratisch voranzutreiben und Bewilligungsschwierigkeiten zu überwinden. Ginge es nur nach Meyer, würde in Niedersachsen künftig ein neues Windrad pro Tag ans Netz gehen, wie er im vergangenen Jahr der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte.

Zu den Forderungen der "Letzten Generation" passt außerdem, dass Onay sich für ein Tempolimit auf Autobahnen ausspricht sowie ein günstiges, bundesweites Nahverkehrsticket und für Investitionen in die Infrastruktur von Bus- und Bahnverkehr. Auch den Ausbau des Rad- und Fußverkehrswegenetzes unterstützt er. Gemeinsam mit Hannovers Regionspräsidenten Steffen Krach (SPD) laufen hierzu längst Maßnahmen, sei es durch den Ausbau von "Velorouten" oder des Schienenverkehrs in der Stadt. Langfristig strebt Onay in Hannover ohnehin eine autofreie Innenstadt an.

Im Grunde könnte sich die "Letzte Generation" also tatsächlich freuen. Doch eine ihrer zentralen Forderungen ist die nach einem "Gesellschaftsrat". Dieser sollte aus zufällig ausgelosten Menschen bestehen und Maßnahmen erarbeiten, wie Deutschland bis 2030 kein klimaschädliches CO₂ mehr ausstoßen könnte.

Rückenwind von der niedersächsischen Landesregierung

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Onay erteilt dieser Forderung im Grunde eine Absage – wenn auch verklausuliert: "Die Forderung der 'Letzten Generation' nach einem sogenannten Gesellschaftsrat hat ein vergleichbares Ziel, weicht allerdings in der Ausgestaltung an einigen Stellen davon ab, zum Beispiel in der Frage nach der Entscheidungskompetenz eines solchen Gremiums."

In dem Schreiben an die Bundestagsfraktionen räumt er zwar "möglicherweise lohnenswerte Diskussionen mit den Aktivisten" zu dem Thema ein, machte in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) aber deutlich, dass aus seiner Sicht verfassungsrechtliche Gründe gegen einen Gesellschaftsrat sprächen. Und: "Ich vertraue unserem System, dessen Teil ich bin."

Insgesamt sind die Ergebnisse der Gespräche mit den Aktivisten also kein Schritt in Richtung politischer Legitimation ihres zivilen Widerstandes und möglicher Straftaten, wie Onay vorgeworfen wird. Auch der grüne Oberbürgermeister kritisiert die Aktionen der "Letzten Generation".

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Wer hat hier wirklich gepunktet?

Stattdessen ist ihm ein Burgfrieden gelungen, ohne im Grunde etwas anderes anzubieten als die klimapolitischen Maßnahmen, die er ohnehin vorhatte: Die Klimaaktivisten sind glücklich und nehmen nach wenigen Wochen bereits den Druck von Onay und Hannovers Stadtverwaltung. Damit ist dem Oberbürgermeister ein Coup gelungen: Ohne wirkliche Zugeständnisse punktet er bei den Aktivisten und zugleich bei den Verkehrsteilnehmern.

Damit wächst der Druck auf andere Kommunen, sich an Hannovers Verwaltung ein Beispiel zu nehmen und programmatisch in Sachen Klimaschutz nachzuziehen. Doch zumindest in Berlin will die SPD davon nichts wissen: Berlins Noch-Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schloss am Dienstag einen solchen "Deal" mit der "Letzten Generation" aus.

Verwendete Quellen
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