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Peter Feldmann: Der tiefe Fall des Skandal-Bürgermeisters


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Der tiefe Fall des Skandal-Bürgermeisters


Aktualisiert am 22.11.2022Lesedauer: 7 Min.
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Peter Feldmann vor Gericht: Die Frankfurter haben ihren SPD-Oberbürgermeister abgewählt. (Quelle: Boris Roessler/dpa)

Der ehemalige Frankfurter OB Peter Feldmann steht nach seiner Abwahl weiterhin wegen Korruptionsverdacht vor Gericht. Doch wie konnte es so weit kommen?

Rund zwei Wochen ist es her, dass Peter Feldmann sein Büro im Frankfurter Römer räumen musste. Am Sonntag darauf wurde er in einem Bürgerentscheid abgewählt. Trotzdem sorgt der ehemalige Oberbürgermeister weiterhin für Schlagzeilen: Wie am Montag bekannt wurde, hatten die AfD-Landtagsabgeordneten Rainer Rahn und Walter Feldmann wegen Steuerhinterziehung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt teilte dem "hr" mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung allerdings mangels Anfangsverdachts ablehnt.

Feldmann sorgte selbst für den Verdacht. Er versuchte, im laufenden Korruptionsprozess sich selbst zu entlasten und sagte, dass er und seine Ehefrau Zübeyde Feldmann nicht gemeinschaftlich gelebt und gewirtschaftet hätten. Das ist jedoch eine Voraussetzung für das Ehegattensplitting. Feldmann selbst hatte aus Transparenzgründen seine Steuererklärungen ins Internet gestellt und die steuerlichen Vorteile geltend gemacht.

Ein Vorwurf jagt den anderen

Diese neuen Vorwürfe wurden erst nach seiner Abwahl bekannt: Warum sich die Frankfurter Bürger und Bürgerinnen gegen den einstigen Hoffnungsträger der kommunalen SPD entschieden haben, lässt sich vermutlich auf eine Reihe verschiedener Ereignisse und Fehltritte Feldmanns zurückführen. Welches das sogenannten "Zünglein an Waage" war, das zu seiner Abwahl führte, mag von jedem unterschiedlich definiert werden.

Die letzten Monate waren für viele Frankfurter und Frankfurterinnen eine wahre Hängepartie: Erst Feldmanns angekündigter Rückzug für Januar 2023, dann das eingeleitete Abwahlverfahren der Stadtverordneten im Sommer und letztendlich sein Rücktritt vom eigenem Rücktritt – selbst langjährige Beobachter des Stadtgeschehens kommen bei der Chronologie der Geschehnisse ins Straucheln. Daneben noch der Prozess wegen des Verdachts auf Vorteilsannahme am Frankfurter Landgericht, in dem Feldmann sich aktuell verantworten muss.

Doch was genau ist mit Peter Feldmann, "dem Bodenständigen", passiert? Was dieser Tage unvorstellbar klingen mag, traf im Jahr 2011 auf den Sozialdemokraten durchaus zu: Damals war er der Mann "der einfachen Leute", fest in der Kommunalpolitik verwurzelt, einer, der die Probleme angeht. Mit seiner zurückhaltenden, aber dennoch zupackenden Art setzte er sich im internen Kandidatenwettbewerb der SPD gegen seinen damaligen Kontrahenten Michael Paris durch. Seine Themen: bezahlbarer Wohnraum, erschwingliche Fahrpreise und Bildung für alle.

Wendepunkt in Feldmanns öffentlicher Wahrnehmung

Als im Frühjahr 2012 die erste Frankfurter OB-Wahl nach der langen Regentschaft von Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) anstand, gelang es, mit Feldmann nach 18 Jahren das Amt des Oberbürgermeisters in Frankfurt am Main wieder mit einem Sozialdemokraten zu besetzen. Auch bei der nächsten OB-Wahl 2018 konnte er sich gegen Bernadette Weyland (CDU) durchsetzen – für viele Beobachter ein Wendepunkt in Feldmanns öffentlicher Wahrnehmung.

Seine Gegner warfen ihm damals vor, dass Feldmann das städtische Presseamt für persönliche PR nutzte. Fotos von Feldmann zierten die Werbeplakate der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF), er dominierte die Pressemitteilungen. Unvergessen bleibt in Feldmanns Karriere auch der 8. November 2013: Bei einer Sitzung über die Neuordnung der Dezernate eskaliert ein Streit mit dem Magistrat. Feldmann brach die Sitzung einfach ab, er sei nicht in einer "Bürgerfragestunde". Der Magistrat sprach daraufhin eine öffentliche Missbilligung aus – das erste Mal in der Frankfurter Politikgeschichte. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) berichtete.

2018 geriet Feldmann abermals in Verruf – und dieses Mal wogen die Vorwürfe deutlich schwerer: Zübeyde Feldmann, mittlerweile seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, hatte ab 2015 als Leiterin einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Frankfurt ein deutlich höheres Gehalt als andere Beschäftigte in vergleichbaren Positionen erhalten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Untreuevorwürfe gegen die Frankfurter und Wiesbadener Awo bereits Thema in den Medien.

Die Vorwürfe richteten sich auch gegen Peter Feldmann selbst: Vor seiner Wahl habe Feldmann eine Stabsstelle bei einer zur Awo Frankfurt gehörenden Stiftung besetzt. Nach Aussage einer ehemaligen Awo-Mitarbeiterin sei für ihn eine Stelle geschaffen worden, die es vorher nicht gegeben habe und die nach seinem Wechsel in das OB-Amt auch nicht mehr besetzt worden sei. Das berichtete der Hessische Rundfunk (hr).

Zur Entkräftigung der Vorwürfe beim Innenministerium hatte Feldmann damals ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt, um noch vor den Kommunalwahlen die Vorwürfe aus dem Weg räumen zu können. Der "FAZ" zufolge ließ das Ministerium wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen im Awo-Komplex das Disziplinarverfahren jedoch ruhen.

Feldmanns Devise: Aussitzen

Schon damals reagierte Feldmann stoisch: Presseanfragen wurden entweder gar nicht oder nur bei ausgewählten Medien beantwortet. Seine Devise, die sich wie ein roter Faden durch seinen Fall zieht: Aussitzen. Letztendlich bestritt er, Einfluss auf das Gehalt seiner Frau genommen oder sonst wie von seinen Kontakten zur Awo profitiert zu haben. Zübeyde Feldmann erstattete das zu viel gezahlte Gehalt zurück. Doch so recht konnte sich der oberste Amtsträger nicht von den Vorwürfen erholen. Im August 2021 trennten sich Peter Feldmann und seine Frau. Laut "Bild"-Zeitung habe das Paar bereits Monate davor getrennt gelebt.

Im August 2020 berichtete der "hr" über eine mögliche versuchte Einflussnahme Feldmanns zugunsten der Awo. Demnach soll sich der OB 2018 bei Verhandlungen zwischen Stadt und Awo für den Sozialverband eingesetzt haben, der ein Awo-Pflegeheim zur Flüchtlingsunterkunft umwandeln wollte. Daraufhin erfolgte im März 2022 der große Schlag: Die Frankfurter Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Feldmann wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme.

Und auch hier versucht Feldmann, die Vorwürfe auszusitzen: Während die Frankfurter Koalitionspartner Volt, Grüne und FDP seinen sofortigen Rücktritt fordern, sagt er: "Ich bin nicht schuldig und ich bin auch nicht korrupt." Ein Rücktritt komme für ihn nicht infrage. Er kündigte lediglich an, sich 2024 nicht mehr als Kandidat aufstellen zu lassen und bei künftigen öffentlichen Auftritten "Augenmaß walten zu lassen". Dafür sah man ihn oft: Trotz schwerer Vorwürfe gegen ihn eröffnete er noch im April das Techno-Museum Momen und trat Auslandsreisen an.

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Von Flugbegleiterinnen "hormonell außer Gefecht gesetzt"

Auch eine Reise nach Sevilla zum Europa-League-Finale der Eintracht ließ er sich nicht nehmen: Bei der Siegesfeier am Frankfurter Römer hielt er dann eine diffuse Rede, nahm den Spielern den Pokal aus den Händen und verhaspelte sich bei den Namen. Auch Eintracht-Vorstand Axel Hellmann stellte sich daraufhin gegen ihn.

Die Bürger und Bürgerinnen Frankfurts waren empört. Im Netz kursiert eine Vielzahl an hämischen Memes und Tweets. Zudem tauchte noch ein Video auf, in dem sich Feldmann auf dem Weg nach Sevilla sexistisch gegenüber den Flugbegleiterinnen äußerte: Er sei von ihnen "hormonell außer Gefecht gesetzt worden". Später entschuldigte sich Feldmann für die Aussage auf der Webseite der Stadt.

Feldmann interviewt Feldmann

Im Mai zog Feldmann schließlich Konsequenzen: In einer spontanen Pressekonferenz kündigte er an, öffentliche Termine bis nach der Sommerpause ruhen zu lassen. Trotzdem sah man ihn bei der Eröffnung der Frankfurter Fashion Week, und seine Dienstreise nach Vietnam trat er ebenfalls an. Bürger und Bürgerinnen protestierten daraufhin vor dem Rathaus, eine unbekannte Plakataktion rief zur "Entsorgung" des OBs auf.

Im Sommer war Feldmann noch mit einem kuriosen Interview in Erscheinung getreten: Auf der Website der Stadt Frankfurt räumte Feldmann mit den Vorwürfen gegen sich auf – im Gespräch mit sich selbst. Dafür erntete er große Kritik und Häme aller Frankfurter Medien.

Letztendlich reichte es dem Frankfurter Stadtparlament: In der historischen Stadtverordnetenversammlung vom 15. Juli wählten sie Feldmann als Oberbürgermeister ab – er selbst hatte zu diesem Zeitpunkt bereits angekündigt, die Abwahl nicht zu akzeptieren: "Eine Abwahl ist nicht nur teuer, sondern auch unnötig", hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Er habe seinen Rücktritt für Ende Januar angeboten, die Koalition habe sich aber "für den Weg der Konfrontation" entschieden. "Sie nehmen für eine um wenige Wochen kürzere Amtszeit eine monatelange Lähmung der Kommunalpolitik in Kauf – vom Risiko, dass am Ende nicht das von ihnen gewünschte Ergebnis steht, ganz zu schweigen."

Aber ein Einlenken seinerseits blieb aus: Stadtessen nahm er von seinem eigenen Rücktrittsangebot Abstand und kündigte auf der Webseite der Stadt an, dass er im Falle einer Nichtabwahl durch das Bürgervotum bis zum Ende seiner Amtszeit im Amt bleiben werde.

Zwischenzeitlich begann im Oktober das Korruptionsverfahren gegen Peter Feldmann am Landgericht Frankfurt. Dort sorgte er mit einer durch seinen Anwalt verlesenen Erklärung über private Details für einen erneuten Skandal: Er habe von seiner damaligen Lebensgefährtin die Abtreibung der heute sechsjährigen Tochter gefordert. Einen Tag später entschuldigter er sich dafür bei seiner Tochter auf Facebook.

Der dritte Verhandlungstermin musste wegen eines "psychischen Ausnahmezustands" des Oberbürgermeisters verschoben werden. Zudem infizierte er sich kurz vor dem Bürgerentscheid mit Corona.

Trotzdem wurden die Bürger und Bürgerinnen am 6. November zu Wahlurne gebeten. Mit einem klaren Ergebnis: Von knapp 202.000 Frankfurtern, 42 Prozent der Wahlberechtigten, stimmten 95 Prozent für die Abwahl. Angesichts der im Normalfall niedrigen Wahlbeteiligung bei kommunalen Entscheidungen in Frankfurt hätte die Absage an Feldmann nicht eindeutiger sein können.

Neuwahlen in Frankfurt am Main

Und auch an Feldmann sind die letzten Wochen wohl nicht spurlos vorbeigegangen: Vieles, was über ihn gesagt oder geschrieben wurde, sei sehr verletzend und auch erniedrigend gewesen, sagte er bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Bürgerentscheid. "Es ist erst einmal gut, dass der Konflikt vorbei ist." Nun hoffe er, dass in der Stadt mehr Frieden einkehre und die Sachthemen und sozialen Themen wieder in den Vordergrund rückten anstelle von persönlichen Befindlichkeiten. Die Neuwahlen für das Amt des Oberbürgermeisters in Frankfurt sollen voraussichtlich im März stattfinden.

Dabei hat Feldmann als OB einiges in Frankfurt bewegt: In seiner Amtszeit sorgte er für mehr Kitaplätze und schafft die Kitagebühren ab. Zudem kämpfte er für ein Flatrate-Ticket, mit dem Senioren ab 65 Jahren günstiger fahren können. Auch für den Ausbau von Baugrundstücken setzte er sich ein.

Seine Pläne für die Zukunft? Erstmal soll Ende November seine Biografie veröffentlicht werden. Zudem wolle er sich weiter für die Stadt, die Bürger und eine soziale Politik einsetzen. In Rente gehen wolle er nicht, sagte Feldmann, bei einer Pressekonferenz, ohne konkreter zu werden. Ob er weiter Mitglied seiner Partei, der SPD, sein wird, ließ er ebenfalls offen.

Der Prozess gegen Feldmann soll noch bis kurz vor Weihnachten fortgeführt werden. Am Freitag wird das endgültige Ergebnis des Bürgerentscheids festgestellt, damit scheidet der 64-Jährige aus dem Amt.

Verwendete Quellen
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