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Frankfurter setzen Zeichen gegen Antisemitismus – Roger Waters in Frankfurter Festhalle


Roger Waters in Frankfurt
Hunderte setzen ein Zeichen gegen Antisemitismus

Von t-online, jho

28.05.2023Lesedauer: 4 Min.
Jonathan Guggenberger (l) und Maya Roisman: Beide unterstützen die Kundgebung gegen Waters.Vergrößern des Bildes
Jonathan Guggenberger (l) und Maya Roisman: Beide unterstützen die Kundgebung gegen Waters. (Quelle: Jannis Holl)

Am Sonntag spielt der umstrittene Sänger Roger Waters in Frankfurt. Doch nicht ohne Gegenwehr. Fast 400 Menschen protestierten gegen den Auftritt.

Schüsse hallen vergangene Woche durch die Berliner Mercedes-Benz-Arena. Ein Mann in einem schwarzen Ledermantel und mit roter Armbinde feuert eine Salve in die Luft. Die Waffe erinnert an die Wehrmachtswaffe MP-40, Ledermantel und Armbinde an eine SS-Uniform. Der Mann, der die Maschinenpistolen-Attrappe abfeuert, ist Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters. Wegen des Auftritts ermittelt die Berliner Polizei wegen Volksverhetzung.

Am Sonntag spielt Waters in der Frankfurter Festhalle. Seine Auftritte werden seit Monaten kritisiert. Rogers fällt immer wieder mit Aussagen und Bühnenshows auf, die Kritiker als antisemitisch, holocaustverharmlosend und verschwörungstheoretisch verurteilen. Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen hatten das Konzert zunächst verboten, vergangenen Sonntag entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt, Waters dürfe auftreten. Doch nicht ohne Gegenwehr der Frankfurter Zivilgesellschaft.

Knapp 400 Menschen protestieren gegen Konzert

Es ist herrliches Pfingstwetter als sich gegen 15:30 am Sonntagnachmittag knapp 400 Menschen vor der Frankfurter Festhalle versammeln. Sie wollen ein Zeichen gegen Antisemitismus und Israelhass setzen. Aufgerufen zum Gegenprotest hat das Bündnis "Frankfurt vereint gegen Antisemitismus" zu dem zahlreiche jüdische und pro-jüdische Einrichtungen und Organisationen zählen.

Maria von Schlippenbach ist aus Langenselbold angereist, um an der Kundgebung teilzunehmen. "Das ist die erste Demonstration in meinem Leben", sagt die 69-Jährige. Als Teenagerin sei sie ein Riesen-Pink-Floyd-Fan gewesen, hätte alles getan, um auf ein Konzert zu kommen. "Aber Roger Waters Antisemitismus ist unerträglich."

So sehen es die meisten Teilnehmer. "Als Kunsthistorikerin setze ich mich gegen Judenhass in der Kunst ein", sagt Maya Roisman, 27 Jahre alt, aus Darmstadt. Die Meinungs- und Kunstfreiheit seien hohe Güter und auch Kritik am Staat Israel sei legitim. Hunderttausende Israelis würden gegen die rechte Regierung auf die Straße gehen. "Aber Israel mit Nazideutschland gleichzusetzen, ist Antisemitismus." Ihr Begleiter, Jonathan Guggenberger, 28 Jahre alt, ist extra aus Berlin angereist, um ein Zeichen zu setzen.

Pro-Waters-Versammlung angemeldet

Kurz vor Beginn der Kundgebung läuft eine Frau mit erhobener Faust durch die wachsende Menschenmenge. Immer wieder ruft sie "Roger, Roger". Vor dem Eingang zur Festhalle findet eine Solidaritätskundgebung für den umstrittenen Sänger unter dem Namen "Roger Waters – Welcome to Germany" statt. Die Veranstaltung sei gestern Abend mit zwanzig angekündigten Teilnehmern angemeldet worden, sagt Marco Weller von der Polizei Frankfurt.

"Die Vorwürfe gegen Waters sind haltlos", sagt ein Mann, der ungenannt bleiben möchte. Er sieht in der Berichterstattung eine Diffamierungskampagne wegen Waters Kritik an der Nato und den USA. Auf die Frage, wer für diese "Kampagne" verantwortlich sei, sagt er mit einem Grinsen: "Gute Frage. Sie sind der Journalist."

"Auch das ist Demokratie. Jeder kann seine Meinung kundtun. Auch deswegen sind wir heute hier", sagt Michaela Fuhrmann, 40 Jahre alt, auf die Gegenveranstaltung angesprochen. Die Leiterin für politische Beziehungen der jüdischen Gemeinde Frankfurt moderiert die Kundgebung. "Aber Waters liefert die Beweise für seinen Antisemitismus." Wo die Würde des Menschen verletzt werde, finde die Meinungsfreiheit ihre Grenzen.

Um 16 Uhr beginnt eine Gedenkzeremonie für die Jüdinnen und Juden, die 1938 nach der Reichspogromnacht in die Festhalle gebracht wurden. Von dort deportierten die Nationalsozialisten die Menschen in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald. Schülerinnen und Schüler tragen die Namen der Deportierten vor. Danach werden Auszüge des Augenzeugenberichts von Julius Meyer vorgetragen.

Konzertbesucher von Diskussionen unbeeindruckt

Jakob, David und Tiffany, alle 19 Jahre alt, verlassen die Veranstaltung danach. Ihre Israel-Flaggen tragen sie noch bei sich, als sie an der Pro-Waters-Versammlung vorbeikommen. "Packt die Flagge ein", ruft die Frau, die am Nachmittag noch die Kundgebung mit "Roger"-Rufen störte. "Ich bin in Deutschland und darf diese Flagge überall tragen", erwidert Jakob. Die Frau zeigt ihm den Mittelfinger. Die jungen Menschen laufen schnell weiter.

Die Roger-Waters-Fans, mit denen t-online am frühen Abend spricht, lassen die Spannungen und Diskussionen um sie herum unbeeindruckt. "Ich will die Musik genießen. Das Politikum blende ich komplett aus", sagt ein älterer Herr. Clemont, 22 Jahre alt, ist mit zwei Freunden aus Paris angereist, um Waters zu sehen. Dessen politischen Äußerungen interessieren ihn nicht. "I don’t care. The music is just incredible." Er habe die Aufregung in Deutschland gar nicht mitbekommen.

Frankfurts OB Josef zeigt Solidarität mit jüdischer Gemeinde

Auf der projüdischen Kundgebung hat gegen 17:30 Uhr mittlerweile das religiöse Gedenken begonnen. Als Rabbiner Julian-Chaim Soussan sein Gebet auf Hebräisch spricht, ist die Menge ganz ruhig. Gemeinsam mit Vertretern der christlichen Gemeinde Frankfurts zündet der Rabbi eine Kerze zum Gedenken an die Opfer des Holocaust an. Es folgt eine Schweigeminute.

Auch Frankfurts Oberbürgermeister, Mike Josef, spricht an diesem Abend. Sichtlich bewegt, aber mit lauter Stimme, spricht er der jüdischen Gemeinde die Solidarität der Stadt aus. Dann gedenkt er der Menschen, die in der Frankfurter Festhalle zusammengetrieben wurden. "Dass sich an diesem Ort die Stimme des Judenhasses erhebt, ist unerträglich." Währenddessen rückt Waters Auftritt immer näher. Angesichts der Vorkommnisse beim Konzert in Berlin erwartet Michaela Fuhrmann besorgt die ersten Berichte aus der Halle.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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