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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte über Regionalflughäfen "Der Flughafen Hahn ist ein Zombie"
Viele deutsche Regionalflughäfen haben keine Perspektiven, sagt eine Studie aus dem Jahr 2020. Ökonom Matthias Runkel ist skeptisch, was ein Investor mit dem Flughafen Hahn anfangen könnte.
Der Flughafen Hahn soll verkauft werden – und hat gleich das Interesse mehrerer Investoren auf sich gezogen. Darunter auch ein russischer Oligarch. Viele Regionalflughäfen hätten aber kaum eine wirtschaftliche Perspektive – sagt Matthias Runkel. Er leitet den Bereich "Verkehrs- und Finanzpolitik" am "Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft" (FÖS), einer überparteilichen Denkfabrik. Im Interview spricht er über die zukünftigen Herausforderungen vieler Regionalflughäfen und warum der Steuerzahler so oft einspringen muss.
t-online: Um den Flughafen Hahn hat sich ein Bieterkampf entspannt. Dabei galt er als unverkäuflich. Wieso will jemand diesen Flughafen?
Matthias Runkel: Sollten es tatsächlich wirtschaftliche Interessen sein, muss man schauen, ob die potenziellen Käufer den Flughafen zukünftig überhaupt ohne staatliche Zuschüsse betreiben können. Gemäß den Beihilferichtlinien der EU sind diese ab dem Jahr 2024 eigentlich verboten. Darüber hinaus sollte beim Verkauf kritischer Infrastruktur geprüft werden, ob nicht auch politische Interessen im Spiel sind. Hahn wird vom US-Militär genutzt, ist mehrheitlich im Besitz eines chinesischen Unternehmens und könnte nun an einen russischen Oligarchen verkauft werden. Es könnte aber auch ein recht banaler Grund sein: Viktor Charitonin hält zwei Drittel der Anteile am Nürburgring und könnte über den Flughafen bequem anreisen. (lacht)
Wieso gibt es überhaupt Regionalflughäfen in Deutschland?
Es gibt keinen zentralen Plan für das deutsche Flughafennetzwerk. Die vielen Regionalflughäfen sind entstanden, weil jemand vor Ort entschieden hat, dass es einen Flughafen in der Region geben sollte. Mal waren es regionale wirtschaftliche Interessen, mal aber auch bloß das Prestigeobjekt eines Politikers. Der verkehrliche Nutzen oder die betriebswirtschaftliche Rentabilität waren dabei nicht immer maßgebend. Noch heute arbeitet kaum einer der deutschen Regionalflughäfen wirtschaftlich, und die Defizite werden meist von der öffentlichen Hand übernommen. Zukünftig werden Entscheider aufgrund der EU-Richtlinien die langfristige wirtschaftliche Perspektive und die Rolle des Flughafens im Flughafennetz stärker berücksichtigen müssen.
Sie haben bereits 2020 in einer Studie auf die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Regionalflughäfen hingewiesen. Wieso kommt mancher Airport auf keinen grünen Zweig?
Das Problem einiger Regionalflughäfen ist, dass sie sehr abhängig von einzelnen Fluglinien sind. Billiganbieter wie Ryanair oder Wizz Air haben dann große Verhandlungsmacht und drücken die Marge. Die "konventionellen" Airlines haben meist wenig Interesse an Regionalflughäfen. Die Lufthansa hat vor einigen Jahren, ohne Erfolg, gegen die Subventionierung des Flughafens Hahn und die damit verbundenen Vergünstigungen für Ryanair geklagt, weil sie sich im Wettbewerb benachteiligt sah. Subventionen spielen also eine wesentliche Rolle im Luftverkehr. Zusätzlich stehen die Flughäfen im Wettbewerb miteinander und kannibalisieren sich so teils gegenseitig. Während man Bahnhöfe und Zugverbindungen hat sterben lassen, wurden bei den Flughäfen große Überkapazitäten geschaffen. Hier sehen wir aktuell hoffentlich einen Wandel in dieser Denkweise.
Sie nannten Regionalflughäfen einmal "Zombie-Flughäfen". Können Sie das erklären?
Wir haben in einer Studie Kriterien wie Wirtschaftlichkeit, Konnektivität und Passagierzahlen untersucht. Demnach spricht bei vielen Flughäfen vieles für eine Schließung. Regionale Effekte und wirtschaftliche Interessen haben wir außen vor gelassen. Diese sind natürlich zusätzlich zu berücksichtigen. "Zombie-Flughäfen", weil viele mit öffentlichen Geldern am Leben gehalten und so vor der Pleite bewahrt werden. Der Flughafen Hahn ist so ein Fall. Er ist seit Jahren defizitär. Die anstehende Verschärfung der EU-Beihilferichtlinien macht die Zukunft der Regionalflughäfen ungewiss und es wird wohl weitere Insolvenzen geben.
Was bedeutet diese Verschärfung der Richtlinien konkret?
Ab 2024 sind Betriebsbeihilfen für Regionalflughäfen eigentlich nicht mehr erlaubt und es muss ein Geschäftsplan erarbeitet werden, mit dem die Betriebskosten eigenständig finanziert werden können. Aufgrund der Covid-Pandemie ist jedoch mit einer Verzögerung zu rechnen. Früher oder später werden die Regeln aber in Kraft treten und dann könnte ein Regionalflughafen-Sterben einsetzen. Ich bin da sehr gespannt, welche Pläne der mögliche Investor für Hahn hat – bisher hat es ohne öffentliche Gelder ja nicht funktioniert.
Die Zukunft vieler Regionalflughäfen ist also ungewiss.
Hinter diesen Entwicklungen steckt eine zentrale Frage, deren Antwort wegweisende gesellschaftliche Bedeutung hat: Wie weit reicht die staatliche Daseinsvorsorge im Verkehr? Bahn, ÖPNV, Flughäfen, Auto – sie alle werden bezuschusst. Wo die Grenze liegt, sollte gesellschaftlich diskutiert werden. Muss auch der Urlaubsflug bezuschusst werden? Denn das wird er: Jedes Flugticket subventioniert der Steuerzahler. Über Beihilfen für Flughäfen, die internationale Umsatzsteuerbefreiung der Tickets, über die Energiesteuerbefreiung des Treibstoffs Kerosin.
Das ist klimaschädlich und nicht besonders gerecht, denn nur eine privilegierte Minderheit fliegt regelmäßig. Die Mehrheit fliegt selten oder gar nicht, zahlt im Gegensatz zu den Vielfliegern aber Energiesteuern auf Benzin, Diesel, Heizöl und so weiter. Die Gesamtheit subventioniert also eine Minderheit. Das muss sich meiner Einschätzung nach ändern. Die EU-Kommission beispielsweise schlägt vor, den Mindeststeuersatz auf Kerosin zu erheben: Der oft bemühte Mallorca-Flug wäre dann etwa 30 Euro teurer. Wirklich betroffen wären hingegen Vielflieger und Fernreisen. Das ist in Ordnung, denn der Preis fürs Flugticket sollte die wahren Kosten widerspiegeln. Und die sind deutlich höher.
- Telefonat mit Matthias Runkel