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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Viele leere Stühle bei Merz-Auftritt Kretschmer wettert gegen Grüne und SPD: "Kriegt euch wieder ein"
Bei einer CDU-Veranstaltung in Dresden bleiben viele Plätze leer. Ministerpräsident Kretschmer macht Demonstranten verantwortlich. Aber stimmt das überhaupt?
Viel sagte der sächsische Ministerpräsident beim gemeinsamen Wahlkampfauftritt mit Friedrich Merz nicht. Doch in seinen wenigen Worten entlädt sich Frust. Frust über die vielen leeren Sitzplätze in der eigentlich ausgebuchten Veranstaltungshalle in Dresden. "Das, was wir hier gerade vor der Halle erleben, das ist einmalig und man muss wirklich sagen: Grüne und SPD kriegt euch wieder ein – ihr spaltet dieses Land."
Viele angemeldete Gäste hätten es wegen der Demonstranten nicht in die Halle geschafft, so Michael Kretschmer. Merz legt in seiner Rede nach und sprach von gewalttätigen Demonstrationen: "Diejenigen, die heute Abend Straßenbahnen blockieren, Kreisgeschäftsstellen der CDU beschädigen und in Berlin das Adenauerhaus lahmlegen – die übertreiben es mit diesem Demonstrationsrecht."
Die Darstellung der CDU-Spitze steht jedoch im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Polizei. "Der Polizeidirektion Dresden sind keine Behinderungen von Gästen bekannt. Die Anfahrt zur Messe war jederzeit gegeben", teilt ein Sprecher mit. Es wurden auch keine Ermittlungsverfahren wegen möglicher Blockaden eingeleitet.
Ein weiterer möglicher Grund für die leeren Plätze: Im Vorfeld hatte es Aufrufe von linker Seite gegeben, Plätze zu reservieren und dann nicht zu erscheinen. Welches Ausmaß der Blockadeversuch der anderen Art tatsächlich angenommen hat, dazu äußerte sich die CDU bislang nicht.
Tausende protestieren in Dresden gegen Merz und die AfD
Der Protest in Dresden lässt sich sowieso nicht auf Blockadewillen reduzieren. Nach Veranstalterangaben schlossen sich 2.500 Menschen dem Protestzug durch die Stadt an. "Ich hoffe, dass auch CDU-Wähler unter uns sind – aber ich hab noch keine gesehen", sagte ein 51-jähriger Dresdner nach fast zwei Stunden auf der Demo.
"Für mich ist die Abstimmung mit der AfD ein totaler Schock", erklärte David Finzel. Der 20-Jährige hatte 2024 unter anderem mit CDU-Mitgliedern in Radeberg bei Dresden Demos gegen Rechtsextremismus organisiert. "Ich fand es schockierend, dass Friedrich Merz auf die AfD reingefallen ist und fast alle CDU-Abgeordneten mitgezogen haben."
Eine 58-jährige Demonstrantin stand abseits der Großdemos. Früher hatte sie mal Sympathien für die CDU. "Es gab einen Moment, da hat mir Angela Merkel großen Respekt abgenötigt", sagte sie. 2015 habe Merkel die christlichen Werte ernst genommen. "Merz hingegen wirkt als Brandbeschleuniger." Das schnelle Vorpreschen des Kanzlerkandidaten habe sie überrascht. "Ich hätte mir mehr Zeit gewünscht, um als Gesellschaft ins Gespräch zu kommen."
"Es fühlt sich so an, wie ein Prozess, der immer weiter aufgeweicht wird, bis wir eine blau-schwarze Partei haben", sagte ein 45-jähriger Vater, der mit seinen beiden Kindern demonstrierte. Er habe das Ausmaß dessen, was passiert sei, noch gar nicht ganz begriffen. "Es ist einfach müßig, für bloße Grundrechte einstehen zu müssen."
- Reporter vor Ort
- Antwort der Polizeidirektion Dresden auf Anfrage – per Mail eingegangen