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Zum journalistischen Leitbild von t-online.TV-Star nimmt Ukrainer auf "Wenn sie telefonierten, hatten sie Tränen in den Augen"
Tausende Ukrainer flüchten derzeit nach Berlin – wer hilft ihnen hier? TV-Star Simon Gosejohann hat eine geflüchtete Familie für mehrere Tage bei sich aufgenommen. Was er an den berührenden Abenden mit der Familie erlebte, erzählt er hier.
Mit dem Zug oder mit dem Bus, oft nach tagelanger, nervenaufreibender Flucht: Tausende flüchten in diesen Tagen vor dem Krieg in der Ukraine – und kommen erst einmal in Berlin an. In der Hauptstadt kümmern sich neben den Helfern der Stadt auch Hunderte Ehrenamtliche um die Geflüchteten. Einer von ihnen: TV-Komiker Simon Gosejohann.
Gosejohann ist den meisten wohl als der witzige Typ aus dem Fernsehen bekannt – etwa aus den TV-Formaten "Comedystreet", "Elton vs. Simon" oder zuletzt "Lucky Stars".
Nun hilft der Wahl-Berliner den Opfern des Ukraine-Kriegs: Gemeinsam mit seiner Freundin Melanie hat Gosejohann eine ukrainische Mutter und ihren 17 Jahre alten Sohn am ersten Märzwochenende, kurz nach Kriegsausbruch, bei sich aufgenommen.
"Die Initiative kam von meiner Freundin. Sie sagte direkt: 'Lass uns das machen'", erzählt Gosejohann t-online. Als erstes räumten sie das Kinderzimmer frei. "Das war das, was wir entbehren konnten. Wir leben ganz normal, nicht in einer Villa mit Flügeln in jeder Himmelsrichtung", witzelt der 46-Jährige.
Drei Tage unterwegs: Mutter und Sohn fliehen aus der Ukraine nach Berlin
Und weiter: "Weil wir nur ein relativ kleines Zimmer bereitstellen konnten, wollten wir eine Mutter mit Kind aufnehmen." Freundin Melanie fuhr also zum Berliner Hauptbahnhof, um eine passende Familie zu suchen. Und war schnell wieder da: Kurze Zeit später stand Melanie mit einer ukrainischen Mutter und ihrem 17-jährigen Sohn vor der Tür – Lena und ihr Dan.
Eine Reise voller Strapazen hatten die beiden da hinter sich: Mit dem Zug waren sie gerade aus Poltawa – einer Stadt gut 300 Kilometer östlich von Kiew – nach Berlin geflüchtet. Drei Tage waren sie unterwegs. Doch einen mussten sie zurücklassen: Dans Vater, Lenas Mann. Denn: Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen die Ukraine derzeit nicht mehr verlassen.
Doch davon und von dem Leid in der Ukraine wollten die beiden bei ihrer Ankunft erst mal nicht erzählen. Lena und Dan brauchten zunächst etwas ganz anderes, wie Gosejohann sich erinnert. "Das Erste, was die beiden nach ihrer Ankunft bei uns wollten, war duschen. Das Zweite einen vollen Magen: Wir hatten gerade gekocht und dann brauchten beide erst mal eine Mütze voll Schlaf."
Komiker Gosejohann: "Beim Thema Ukraine wechselte die Stimmung"
Eigentlich waren Mutter und Sohn nur auf der Durchreise nach Kopenhagen. "Wir sagten ihnen, dass es egal sei, ob sie nun einen, zwei oder fünf Tage bleiben. Wichtig war uns, dass sie erst mal ankommen und sich wohlfühlen. Dann wollten wir weiterschauen."
"Was wir den beiden bieten konnten und was sie auch gerne angenommen haben, war Normalität", erinnert sich der "Comedystreet"-Star. Gemeinsame Abende auf dem Balkon, Filmabende und ein Lagerfeuer – dazu ein paar Blinis, eine osteuropäische Pfannkuchenspezialität. Gosejohann: "Es war einfach friedlich. Das haben wir alle sehr genossen."
Den Krieg in der Ukraine hat Simon Gosejohann selbst nicht angesprochen. "Aber wenn die beiden mit dem Vater, der in der Ukraine bleiben und kämpfen muss, telefonierten, hatten sie Tränen in den Augen. Man hat sofort gemerkt, dass die Stimmung beim Thema Ukraine schnell wechselte. Da war natürlich der große Stress, unter dem die beiden stehen, zu spüren."
Ukrainer reisen weiter nach Kopenhagen: "Wollen sich eine Zukunft aufbauen"
"Wenn sie über den Krieg hätten reden wollen, wäre das für mich total in Ordnung gewesen", erklärt der 46-Jährige. "Aber wir haben viel mehr die Sehnsucht nach Stabilität gespürt. Die konnten wir ihnen bieten."
Auch ihn selbst beschäftige der Angriffskrieg des russischen Militärs auf die Ukraine sehr, gibt der Komiker zu. Umso befreiender sei das Gefühl gewesen, aktiv helfen zu können. "Wir hatten natürlich auch Glück mit den beiden. Der Umgang war so lieb und herzlich, dass man sich richtig gefreut hat, dass sie es da rausgeschafft haben."
Nach fünf Tagen im Hause Gosejohann ging die Reise für die beiden Ukrainer schließlich weiter. In Kopenhagen haben sie zunächst für zwei Monate eine Wohnung gefunden. "Ich habe ihnen geholfen, die Zugtickets zu besorgen. Sie wollen dort versuchen, sich eine Zukunft aufzubauen." Mit dem 17-Jährigen habe er auch jetzt noch unregelmäßigen Kontakt, erzählt Gosejohann.
Komiker Gosejohann will mit Hilfe inspirieren
Auf Instagram machte der TV-Star das Erlebte nach Abreise der Gastfamilie öffentlich. Er wolle andere inspirieren, ebenfalls mit anzupacken, sagt er. "Natürlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob und wie er helfen kann. Ich möchte auch niemandem ein schlechtes Gewissen machen, wenn er gerade nicht mit mithelfen kann", stellt er klar.
"Ich wollte der Sache einfach ein Gesicht geben. Ein Mann und seine Freundin – zwei Menschen aus der Mitte der Gesellschaft – nehmen Geflüchtete bei sich auf und siehe da: Es funktioniert! Sogar mit einem kleinen Happy End", schwärmt er.
- Gespräch mit Simon Gosejohann