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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diplomaten als Verkehrssünder CDU-Innenexperte: "Manche nutzen einfach ihren Status aus"
Unfallflucht, falsch geparkt, zu schnell unterwegs: Wenn Diplomaten zu Verkehrssündern werden, hat die Polizei nicht viel in der Hand. Für normale Bürger kann das zum Problem werden, weiß der CDU-Mann Frank Balzer.
Sie rasen durch die Innenstadt, parken im Halteverbot und sind immer wieder auch in Unfälle verwickelt. Ausländische Diplomaten haben im vergangenen Jahr in Berlin Tausende Male gegen die Verkehrsregeln verstoßen. Die Summe der dafür eigentlich fälligen Verwarnungsgelder oder Geldbußen: über 200.000 Euro. Doch die mussten die Diplomaten gar nicht bezahlen. Der Grund: ihre Immunität.
Der Berliner CDU-Innenexperte Frank Balzer sieht hier die Berliner Landesregierung in der Pflicht. "Ich denke schon, dass der Senat hier aufs Auswärtige Amt zugehen muss, dass das so nicht geht und die Diplomaten auch zu entsprechendem Handeln aufgefordert werden müssen", erklärt der 57-Jährige im Gespräch mit t-online.
Eine schriftliche Anfrage Balzers an die Berliner Innenverwaltung hatte ergeben, dass die Polizei im Jahr 2021 9.973 Verkehrsverstöße von ausländischen Diplomaten registrierte. Das ist zwar ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Jahr 2018, als die Zahl mit 21.000 Ordnungswidrigkeiten mehr als doppelt so hoch lag. Das liege laut Balzers Einschätzung jedoch nicht daran, dass sich die Diplomaten und ihre Mitarbeiter auf einmal vorbildlich verhalten, sondern "ausschließlich" an der Corona-Pandemie.
Diplomaten in Berlin: "Status wird genutzt, um sich ein paar zusätzliche Freiheiten rauszunehmen"
Die Top-Ten der betroffenen Staaten umfassen Saudi-Arabien, Griechenland, USA, Irak, Russland, Sudan, Ägypten, Jemen, Indonesien und Turkmenistan. Doch woran liegt es, dass gerade Diplomaten aus diesen Ländern immer wieder gegen Verkehrsregeln verstoßen? "Manche haben sicher eine gewisse Grundeinstellung, im eigenen Land schnell zu fahren oder nicht kontrolliert zu werden. Manche nutzen auch einfach ihren Diplomatenstatus ein wenig aus", glaubt Balzer.
Besonders erschrocken habe ihn, dass Griechenland als europäisches Land so weit vorne liegt. Eine genaue Erklärung hat er dafür zwar nicht, blickt man auf die vergangenen Jahre zurück, falle aber auf, dass sehr häufig die gleichen Länder in der Spitzengruppe der Verkehrssünder landen, so Balzer. "Das lässt gewissermaßen den Rückschluss zu, dass der Diplomatenstatus genutzt wird, um sich ein paar zusätzliche Freiheiten rauszunehmen."
Zu den häufigsten Verstößen zählten im vergangenen Jahr Parkverstöße und Geschwindigkeitsüberschreitungen. Es kam zwischen Januar und November 2021 jedoch auch zu 46 Verkehrsunfällen mit Fahrzeugen des diplomatischen Corps. Daten für den Dezember liegen noch nicht vor. Insgesamt 15 Menschen wurden dabei laut Antwort der Innenverwaltung leicht verletzt. In 28 Fällen – gut 60 Prozent – bestand der Verdacht der Unfallflucht.
"Im Zweifel bleibt man auf den Kosten sitzen"
Wegen der Immunität des internationalen Botschaftspersonals kann die Berliner Polizei entsprechende Verkehrsverstöße nicht ahnden. Für Personen, die in einen Unfall mit einem Diplomaten-Fahrzeug geraten, kann diese Immunität jedoch zum Problem werden, weiß CDU-Mann Balzer. Denn auch in diesen Fällen haben deutsche Behörden keine rechtliche Handhabe für Sanktionen. Kann der Unfallverursacher jedoch nicht belangt werden, müssen die Betroffenen auf die Kulanz der Versicherungen setzen. "Sonst bleibt man im Zweifelsfall auf den Kosten sitzen", so Balzer.
Bis auf die Ansprache der einzelnen Ländervertretungen durch das Auswärtige Amt lässt sich gegen Verkehrssünder in Diplomaten-Fahrzeugen nach Balzers Einschätzung jedoch nicht viel unternehmen. "Es ist nun mal weltweit so geregelt, dass Diplomaten diesen Status haben, da geht es um Appelle."
- Antwort der Berliner Innenverwaltung auf die schriftliche Anfrage der CDU
- Gespräch mit Frank Balzer
- Material der Nachrichtenagentur dpa