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Lottie alias Visa Vie: Long Covid verändert Leben der Berlinerin radikal


Interview
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Moderatorin leidet unter Long Covid
"Wenn ich fit genug bin, gehe ich zweimal im Monat spazieren"

InterviewVon Kristina Sirjanow

10.12.2024 - 16:19 UhrLesedauer: 5 Min.
Lottie: Eine Infektion mit dem Corona-Virus hat die Podcasterin aus Berlin dauerhaft krank gemacht.Vergrößern des Bildes
Lottie: Eine Infektion mit dem Coronavirus hat die Podcasterin aus Berlin dauerhaft krank gemacht. (Quelle: NDR Beba Lindhorst)
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Während Corona für die meisten Menschen mit dem Ende der Pandemie verschwunden ist, kämpfen andere mit den Folgen der Erkrankung. Eine von ihnen ist die Podcasterin Lottie, die vielen als Visa Vie bekannt ist. Wie Long Covid ihr Leben veränderte.

Als Lottie am 8. November 2021 einen positiven Corona-Test in den Händen hält, weiß sie noch nicht, dass damit die schlimmste Zeit ihres Lebens beginnt. In den Monaten nach der Infektion entwickelt die Moderatorin verschiedene Krankheiten. Darunter eine Herzmuskelentzündung, die bei der 37-Jährigen zum chronischen Absterben von Herzmuskelzellen führt.

Die gebürtige Berlinerin ist als Moderatorin Visa Vie deutschlandweit bekannt geworden. Seit diesem Jahr bevorzugt sie in der Öffentlichkeit den Namen Lottie. Vor ihrer Corona-Infektion legte sie in Clubs auf, trieb Sport, feierte mit ihren Freunden – sie lebte ihr Leben. Dieses Leben führt Lottie heute nicht mehr, denn sie ist sehr krank geworden.

Halt in dieser schweren Zeit findet Lottie nicht nur in ihrem Mann, dem Rapper Savvy, sondern auch in ihrer Arbeit. In ihrem neuen Podcast "Plot House" erzählt sie mit wechselnden Gästen besonders tragische, überraschende und kuriose Geschichten, die wirklich passiert sind.

Im Interview mit t-online verrät Lottie, wie es ihr drei Jahre nach ihrer Corona-Infektion geht, warum ihr Storytelling Kraft gibt und welche Wünsche sie als chronisch Kranke hat.

t-online: Wie würden Sie die Lottie beschreiben, die Sie vor Ihrer Infektion mit Corona und Long Covid waren?

Lottie: Ich war in der glücklichsten Phase meines Lebens. Ich hatte genau vier Wochen zuvor die Liebe meines Lebens geheiratet, war beruflich sehr erfolgreich und wollte mit meinem Mann die Welt bereisen und eine Familie gründen.

Und wie viel von der Lottie von damals ist heute noch da?

Ich bin immer noch viel von der Lottie, die ich damals war, aber eine nachdenklichere, einsamere und eingeschränktere Version von mir. Aber die Liebe zum Leben ist größer geworden und auch die Dankbarkeit für die scheinbaren Selbstverständlichkeiten des Lebens. Heute weine ich vor Freude über Kleinigkeiten, die früher ganz normal waren, wie ein schöner Abend mit Freunden oder eine Reise ans Meer. Und was hinzugekommen ist, ist Resilienz. Sehr viel Resilienz.


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95 Prozent der Zeit bin ich zu Hause.


Lottie


Im November 2021 sind Sie an Corona erkrankt. Wann haben Sie wirklich begriffen, dass Sie chronisch krank sind?

Ich hatte Corona und musste 14 Tage zu Hause das Bett hüten. Der Arzt meinte, es sei normal, dass ich nach Corona nicht fit sei, und in ein paar Wochen werde alles wieder gut, aber es ging mir immer schlechter.

Ich hatte immer noch die Hoffnung, dass irgendwann alles wieder gut wird. Aber ich glaube, spätestens nach einem Jahr wusste ich, dass die Realität anders aussieht und ich mich langsam damit abfinden muss, dass es nicht mehr so sein wird wie vorher.

An welchen Krankheiten leiden Sie als Folge der Covid-Infektion?

Heute leide ich unter anderem an Diabetes Typ 1, Bluthochdruck, einer Fettstoffwechselstörung, einem chronischen Erschöpfungssyndrom, einer chronischen Gefäßentzündung und einem posturalen Tachykardiesyndrom (POTS) – einer Erkrankung, die durch einen starken Anstieg der Herzfrequenz beim Sitzen oder Stehen gekennzeichnet ist.

Wie sieht ein normaler Tag für Sie heute aus?

95 Prozent der Zeit bin ich zu Hause auf der Couch, im Bett oder in meinem kleinen Arbeitszimmer und bereite meine Podcasts vor oder nehme sie auf. Manchmal habe ich Arzttermine oder muss für Untersuchungen ins Krankenhaus. Wenn ich fit genug bin, gehe ich derzeit ein- bis zweimal im Monat spazieren. Ansonsten schaue ich mir mit meinem Mann gute Filme oder Serien an. Und wenn ich davor und danach noch genug Energie und Zeit zum Ausruhen habe, gibt es auch mal einen kleinen Spieleabend mit Freunden.


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Die Tatsache, dass meine Herzmuskelzellen nicht aufhörten abzusterben, hat mich am meisten verzweifeln lassen.


Lottie


Was waren die schlimmsten Momente im bisherigen Krankheitsverlauf?

Immer wenn eine neue Diagnose oder ein neues Medikament kam, war ich am traurigsten, weil es etwas Endgültiges hatte. Und die Tatsache, dass meine Herzmuskelzellen nicht aufhörten abzusterben, hat mich am meisten verzweifeln lassen.

Was hat Ihnen in dieser Zeit am meisten geholfen?

Ein halbes Jahr nach Beginn meiner Erkrankung habe ich eine Therapie begonnen, vor allem weil ich eine leichte posttraumatische Belastungsstörung entwickelt habe und eine Zeit lang wirklich sehr stark mit Panikattacken und depressiven Schüben zu kämpfen hatte. Aber ich glaube, meine größte seelische Stütze und Heilung war und ist mein Mann.

Was sind neben der gesundheitlichen Situation die größten Herausforderungen für Menschen mit Long Covid?

Viele Betroffene haben das Gefühl, ständig beweisen zu müssen, dass sie krank sind. Das ist nicht nur belastend, sondern auch entwürdigend. Wir brauchen eine Gesellschaft, die zuhört und Empathie zeigt. Außerdem gibt es noch viel zu wenig Wissen über Long Covid. Wir brauchen mehr Forschung, die nicht nur die Symptome behandelt, sondern wirklich die Ursachen versteht und Therapien entwickelt. Dafür muss natürlich Geld bereitgestellt werden – und zwar schnell.

Zudem braucht es bessere soziale Absicherungen für Betroffene, die ihre Jobs verlieren, weil sie nicht mehr arbeiten können und keine finanzielle Sicherheit haben.


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Viele Betroffene haben das Gefühl, ständig beweisen zu müssen, dass sie krank sind.


Lottie


Es gibt Leute, die leugnen, dass Long Covid überhaupt existiert. Andere wollen einfach nicht mehr über Corona sprechen. Wie gehen Sie mit solchen Menschen um?

Es ist definitiv nicht leicht, damit umzugehen, wenn wildfremde Menschen glauben, mehr über deinen Gesundheitszustand zu wissen als du selbst. Ich kann verstehen, dass Menschen aus Angst oder Skepsis einfache Erklärungen für komplexe Themen suchen, aber wenn das in Verschwörungstheorien oder Hass umschlägt, habe ich dafür kein Verständnis.

Dass der Großteil der Gesellschaft nicht mehr über Corona reden will, finde ich sogar verständlich, denn die Pandemie war für fast alle eine belastende Zeit. Aber diese Ermüdung führt dazu, dass diejenigen, die weiter kämpfen müssen, kaum noch gehört werden. Man hat das Gefühl, dass das Thema abgehakt ist, aber für viele ist es leider noch lange nicht vorbei.

(Quelle: Heiko Landkammer)

Zur Person

Lottie interviewte über zehn Jahre lang für unterschiedliche Magazine und Sender unter dem Künstlernamen Visa Vie Musikschaffende der deutschen Rap-Szene. Danach machte sie sich als Podcasterin einen Namen. Für ihr Hörbuch "Das allerletzte Interview" (2018) und den Podcast "Weird Crimes" (2021 bis 2024) wurde sie mit dem Deutschen Podcast-Preis ausgezeichnet. Ihre neue Produktion "Plot House" ist alle zwei Wochen donnerstags überall zu hören, wo es Podcasts gibt.

Durch Ihre Podcasts wie "Plot House" können Sie in andere Welten eintauchen. Was bedeutet diese Arbeit für Sie in Bezug auf Ihre gesundheitliche Situation?

Für mich ist es meistens eine Zeit, in der ich es schaffe, alles andere auszublenden. Heilung ist es nicht, aber Ablenkung und oft auch Motivation, vor allem wenn ich weiß, dass ich Geschichten erzählen kann, die andere Menschen inspirieren, ihnen Mut machen oder sogar etwas verändern können. Dann bekommt das ewige allein zu Hause Sitzen einen Sinn.

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  • Erfahren Sie hier, wie Sie Long-Covid-Symptome erkennen können und wer am häufigsten davon betroffen ist

Es heißt: "Alle Wünsche werden klein gegen den, gesund zu sein". Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Inzwischen habe ich meine Träume und Wünsche dem chronischen Kranksein angepasst. Ich hoffe nur, dass es nicht schlimmer wird und ich im Rahmen meiner jetzigen Möglichkeiten bleibe. Mein größter Wunsch ist es, dass endlich keine Herzmuskelzellen mehr absterben.

Meine ganz konkreten Ziele sind, dass ich es neben "Plot House" endlich schaffe, mein erstes richtiges Buch zu schreiben, und dass ich mit meinem Mann in Zukunft mindestens die Hälfte des Jahres am Meer verbringen kann, weil es mir dort so viel besser geht als überall sonst.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Lottie alias Visa Vie
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