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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streicheleinheiten für Beagle Lilly Gnadenhof bei Berlin: Misshandelte Tiere verbringen hier ihre letzten Tage
Auf einem Gnadenhof bei Berlin können Schweine, Hunde und Co. ihren Lebensabend verbringen. t-online stellt die Tiere, die niemand haben will, vor.
Die Tiere sind behindert, alt, schwerkrank, misshandelt oder vernachlässigt worden. Sie hatten kein gutes Leben. Sie alle werden hier sterben. Aber vorher können sie hier Ruhe finden – noch einmal in Würde leben und in Würde sterben. Der Ort, um den es geht, ist ein Gnadenhof. Er liegt etwa eine Autostunde von Berlin entfernt im beschaulichen Ortsteil Wensickendorf der Stadt Oranienburg.
Steven Giese kennen die traurige Vergangenheit jedes Tieres, das er seine Obhut nimmt. Der gebürtige Berliner betreibt den Gnadenhof gemeinsam mit einem 40-köpfigen Team. Rund um die Uhr sind die Mitarbeiter für die Tiere da. Gieses Wohnhaus liegt in unmittelbarer Nähe des Gnadenhofes.
"Gnadenhof ist immer Endstation"
Auf dem Hof gibt es etwa 80 Tiere. Darunter sind Schweine, Gänse und Enten. Sie wurden unter anderem vor dem Schlachter gerettet. Es gibt auch Hunde und Katzen. Für die Tiere werden keine neuen Besitzer mehr gesucht, weil sie in Tierheimen jahrelang nicht vermittelt werden konnten. "Der Gnadenhof ist immer die Endstation", sagt Steven Giese. "Hier sind die Haustiere, die ewig in einer Warteschlange waren und wo nichts passiert ist."
Lilly hat keine Augen mehr
Zu den Tieren, für die der Gnadenhof Endstation ist, gehört die Hündin Lilly. Glücklich tollt der Beagle über die Wiese, schnüffelt neugierig am Boden und scheint gar nicht genug Streicheleinheiten bekommen zu können. Aber Lilly ist kein gewöhnlicher Beagle. Sie ist eine ehemalige Laborhündin: "An ihren Augen wurde Kindershampoo getestet", sagt Giese. Er kann nicht verstehen, warum immer noch jedes Jahr so viele Tiere in Tierversuchen für Produkte für den Menschen leiden müssen – dabei gebe es fast immer Alternativen.
Als Lilly auf den Gnadenhof kam, hatte sie noch zwei Augen. Zusammen mit den Tierärzten, mit denen der Gnadenhof zusammenarbeitet, wurde versucht, die Augen mit Medikamenten zu retten, aber sie waren zu stark verätzt. Also wurden beide Augen entfernt. Heute ist Lilly eine glückliche und den Menschen zugewandte Hündin, obwohl sie so viel Schlimmes erlebt hat.
Cooper hat deformiertes Gesicht
Lillys Spielkameraden sind die behinderte Mopsdame Leyla, die dreibeinige Dackeldame Mura und der Hund Cooper. "Wahrscheinlich ist ihm seine Mutter als Welpe auf die Schnauze getreten", sagt Giese. Der Kiefer- und Nasenbruch sei von seinen damaligen Besitzern nie behandelt worden, deshalb sehe bei ihm "alles ziemlich schräg" aus, sagt Giese. Mit diesem Aussehen fand er nie wieder einen neuen Besitzer und landete auf dem Gnadenhof.
Neben Hunden leben auf dem Gnadenhof auch Katzen mit fehlenden Augen, Ohren, Beinen oder anderen körperlichen Behinderungen. Der Gnadenhof ist kein Auffanglager für gesunde Katzen, die ihren Besitzern "zu lästig" geworden sind und noch eine Chance auf Vermittlung haben, erklärt Giese. "Wir nehmen nur unvermittelbare Katzen auf."
R2D2 hat einen Riss im Panzer
Ein ganz besonderer Bewohner des Gnadenhofs ist eine Riesenschildkröte. Während die ehrenamtlichen Mitarbeiter auf dem Hof ausmisten, die Tiere versorgen, bauen und Schubkarren schieben, dreht die Schildkröte mit dem Namen R2D2 ihre Runden im Gehege. Langsam tapst sie über den Rasen und nimmt ein Bad im Teich.
R2D2 kam als Baby mit einer Panzerdeformation auf den Gnadenhof, erzählt Steven Giese die Geschichte der Schildkröte. Noch heute ist der tiefe Riss in seinem Panzer zu sehen. R2D2 ist das einzige Wildtier, das auf dem Gnadenhof geblieben ist. Heute ist die Schildkröte zwölf Jahre alt.
Ehrenamt mit vielen Problemen
Neben Haus- und Nutztieren leben auch gerettete Wildtiere wie Dachse, Waschbären, Nerze, Mäuse, Fledermäuse und Vögel auf dem Gnadenhof. Wer in der Region ein verletztes oder in Not geratenes Wildtier findet, kann sich an die hauseigene Wildtierrettung wenden. Die Tiere werden dann auf dem Hof gesund gepflegt und anschließend wieder in die Freiheit entlassen. "Meistens sind die Wildtiere nach drei bis vier Wochen wieder weg", sagt Giese.
Alle, die auf dem Gnadenhof helfen, tun dies ehrenamtlich in ihrer Freizeit. "Wir opfern alles, was wir haben", sagt Giese, aber die Tiere gäben viel zurück. Die Mitarbeiter leisten einen großen Beitrag zum Tierschutz in der Region. Dennoch sehen Giese und sein Team viele Steine, die ihnen in den Weg gelegt werden. Wer ihnen das Leben besonders schwer macht, lesen Sie hier.
Der Gnadenhof & Wildtierrettung Notkleintiere e. V. Wensickendorf ist ein gemeinnütziger Verein und auf Geld- und Sachspenden angewiesen. Auf der Homepage des Vereins gibt es eine Wunschliste für Sachspenden. Wer ehrenamtlich auf dem Hof mitarbeiten möchte, kann sich per E-Mail an info@notkleintiere.de wenden.
- Gespräch mit Steven Giese auf dem Gnadenhof in Wensickendorf (Oranienburg)