Kugelbomben, Molotow-Cocktails und Co. 390 Festnahmen, Attacken auf Polizei: So lief die Silvesternacht in Berlin
Berlin hat die Silvesternacht ohne die großen Ausschreitungen überstanden. Dennoch kam es zu Randale und Attacken auf die Rettungskräfte.
Friedliches Feiern in kleinem Kreis, heftiges Feuerwerk auf Plätzen und Straßen sowie aggressives Böllerwerfen und Abfeuern auf andere Menschen – die Silvesternacht in Berlin offenbarte wieder alle Aspekte der Großstadt. Die Polizei meldete 390 Festnahmen sowie 720 eingeleitete Ermittlungsverfahren.
54 Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt – einer davon schwer. Er kam in ein Krankenhaus. Von den 54 Beamten wurden laut der Polizei 30 durch Pyrotechnik verletzt.
Im ganzen Stadtgebiet sei es immer mal wieder zu Beschuss mit Böllern und Raketen auf Polizei und Feuerwehr und auch von Menschen untereinander gekommen, sagte eine Sprecherin. Besondere örtliche Schwerpunkte habe es dabei aber nicht gegeben. "Diverse Angriffe mit Pyro, Schreckschuss & Flaschen auf Einsatz- und Rettungskräfte" werden gemeldet, hieß es. Viele sehr laute Explosionen deuteten auch auf illegale Böller hin. Immer wieder waren auch Schüsse aus Schreckschusspistolen zu hören.
Polizei: 99,9 Prozent der Menschen feiern friedlich
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik betonten am frühen Abend, der Großteil der Berliner feiere friedlich, das gelte für "99,9 Prozent der Menschen" in der Stadt. Die Polizei hatte vor Silvester immer wieder erklärt, in so einer großen Stadt lasse sich leider nicht jeder Krawall mit Feuerwerk verhindern.
Das zeigte sich bereits Stunden vor Mitternacht, nahe dem Alexanderplatz. Dort beschossen sich größere Gruppen von insgesamt rund 500 Menschen mit Silvesterraketen. Polizisten trieben die Gruppe nach eigener Aussage auseinander und kontrollierten sie, hieß es im Internetportal X (vormals Twitter). Aus einer Gruppe von 200 Menschen in der Nähe sei die Polizei mit Raketen oder anderer Pyrotechnik beschossen worden.
Polizei beschlagnahmt Molotow-Cocktails
In Neukölln wurden neun Verdächtige gefasst, die Molotow-Cocktails gebastelt hatten. "Sie füllten Benzin in Glasflaschen und steckten gerade Stofffetzen als Lunte hinein, als sie von unseren Einsatzkräften in Neukölln entdeckt wurden", schrieb die Polizei. Grillanzünder hätten sie auch dabei gehabt. Elf Molotow-Cocktails wurden sichergestellt. Ob es sich um politisch motivierte Extremisten handelte, konnte die Polizei zunächst nicht sagen.
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Außerdem seien dort in Neukölln mehrfach Autos beschossen worden, auch Polizei- und Rettungsfahrzeuge, meldete die Polizei. "In der Hermannstraße schießen Personen mit Raketen auf unsere Einsatzkräfte." Im Stadtteil Gropiusstadt sei ein geparkter Polizei-Einsatzwagen durch die Explosion einer Kugelbombe stark beschädigt worden. Zu weiteren Angriffen auf Rettungskräfte kam es laut der Polizei unter anderem in der Grunerstraße in Mitte, in der Huttenstraße in Charlottenburg, in der Müllerstraße in Wedding, in der Knobelsdorffstraße in Charlottenburg, in der Dolgenseestraße in Lichtenberg, sowie in der Silbersteinstraße und in der Hasenheide in Neukölln.
In der Sonnenallee – früher einer der Silvester-Hotspots gefährlicher illegaler Böller – blieb es wegen der von der Polizei verhängten Böller-Verbotszone zunächst ruhig. Gehwege waren über mehrere Hundert Meter mit Gittern abgesperrt, die Durchfahrt für den Autoverkehr wurde gestoppt. Kreuzungen leuchtete die Polizei mit Scheinwerfertürmen aus. An Eingängen mussten alle Menschen, die in die Verbotszone wollten, ihre Taschen vorzeigen. Lange Schlangen bildeten sich, einige Menschen protestierten.
Insgesamt waren fast 5.000 Polizisten in der Nacht im Dienst, um ähnliche Krawalle und Ausschreitungen wie im vergangenen Jahr zu verhindern: 3.500 Polizisten aus mehreren Bundesländern waren auf den Straßen im Einsatz.
Besonders in Silvester-Brennpunkten früherer Jahre in Neukölln, Mitte und Schöneberg hatte sich die Polizei sichtbar auf den Straßen postiert. Dazu kamen 1.000 Polizisten in Streifenwagen und Wachen sowie 500 Bundespolizisten in und an den Bahnhöfen. Das war das größte Polizeiaufgebot in einer Silvesternacht Berlins.
Kai Wegner: "Nacht der Repressionen"
Noch in der Nacht tauschte sich Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), zusammen mit Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mit Rettungskräften aus. Er hatte bereits am frühen Abend ein hartes Vorgehen der Polizei bei Randale und Ausschreitungen angekündigt. "Und heute ist die Nacht, wenn's denn notwendig ist, die Nacht der Repression, wo der Rechtsstaat sich versuchen wird durchzusetzen. Und ich bin mir auch sicher, dass er sich durchsetzen wird", sagte er.
"Starke Präsenz, konsequentes Handeln und volle Rückendeckung für unsere Polizei helfen, solche Lagen im Griff zu halten", teilte Wegner später an Neujahr auf dem Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, mit und weiter: "Berlin hatte die Lage im Griff." Das Einsatzkonzept sei ein Erfolg gewesen.
In der Silvesternacht 2022/2023 hatte es bundesweit Ausschreitungen und Angriffe auf Polizisten sowie Rettungskräfte gegeben, besonders betroffen war Berlin. In diesem Jahr war die Polizei zusätzlich besorgt wegen des Gaza-Kriegs nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas auf Israel und der aufgeheizten Stimmung in Teilen der arabischstämmigen Bevölkerung in manchen Stadtteilen.
Eine pro-palästinensische Demonstration am späten Abend wurde daher verboten. An einer Demonstration am Nachmittag nahmen etwa 2.000 Menschen teil. Trotz des Verbots einer Demo palästinensischer Gruppen zum Thema Krieg in Gaza versammelten sich vor Mitternacht Menschen, die Polizei griff ein und verhinderte eine größere Versammlung.
Feuerwehr im Dauereinsatz
Auch die Feuerwehr hatte gut zu tun: Schon im Lauf des Tages verletzten sich Menschen mit Feuerwerk und mussten behandelt werden, wie die Polizei mitteilte. Ein 40-jähriger Mann verlor durch eine illegale Signalrakete im Ortsteil Kaulsdorf eine Hand. Unmittelbar nach der Zündung sei die Rakete in seiner Hand explodiert.
Außerdem kam es zu zahlreichen Bränden, die gelöscht wurden. So brannte es in einem 15. Stock und dann auch auf den Balkonen im 16. und 17. Stock in einem Hochhaus in Prenzlauer Berg. Bei einem anderen Wohnungsbrand im selben Stadtteil wurde ein bewusstloser Mensch gerettet, eine Katze starb. Die Silvesternacht ist für die Feuerwehr die einsatzreichste Nacht des Jahres mit Hunderten Rettungs- und Löscheinsätzen. Mehr als 1.500 Sanitäter und Feuerwehrleute waren demnach mit 421 Fahrzeugen im Dienst.
"Wir sind zufrieden mit unserem Einsatz, wir haben die Feuerwehr erfolgreich geschützt", sagte ein Polizeisprecher gegen 3 Uhr am Neujahrsmorgen. Ein Sprecher der Feuerwehr sprach von einem "normalen Silvester". Es habe keine größeren Einsätze für die Berliner Feuerwehr gegeben.
Dennoch gab es im Berliner Unfallkrankenhaus es viel zu tun, wie das Haus selbst auf dem Nachrichtenportal X, vormals Twitter, bekannt gab: "Schwere Augenverletzungen, Brandwunden, und immer wieder Sprengverletzungen an den Händen und Gesicht weisen die inzwischen 22 Patienten mit #Böllerschmerz auf", hieß es gegen 4.15 Uhr.
Am Brandenburger Tor feierten derweil Tausende Menschen bei der traditionellen Silvester-Party, begleitet von hohen Sicherheitsvorkehrungen. Nach Angaben der Veranstalter wurden bis zum frühen Abend 45.000 Tickets verkauft, die Party war für bis zu 65.000 Menschen ausgelegt. Die Bühnenshow wurde im ZDF live übertragen. Erstmals seit der Corona-Pandemie gab es auch wieder ein Höhenfeuerwerk.
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
- berlin.de: Pressemitteilung der Polizei vom 1. Januar 2024
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