Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Jahresrückblick 2023 Über ein Löwenschwein, Rammstein und Klimakleber
Die Ereignisse in Berlin haben sich in diesem Jahr regelrecht überschlagen. Ein Rückblick mit Höhen und Tiefen.
2023 neigt sich mit großen Schritten dem Ende entgegen. Es war ein bewegtes Jahr – mit so manchen Höhen, aber auch mit einigen Tiefen. Vor allem in Berlin war viel los. Blicken wir gemeinsam zurück auf ein ereignisreiches Jahr mit vermeintlichen Raubkatzen, Aktivisten, die sich auf die Straße klebten und einem Stadtteil, der deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte.
Das Löwenschwein von Kleinmachnow
Wenn wir selbst einen Aufreger für das Sommerloch hätten schreiben dürfen – auf dieses fantastische Kunstwerk wären wir nicht gekommen. Eigentlich waren alle fünf Akte eines echten Dramas dabei: die Entdeckung der Löwin (Exposition), die Suche nach der Raubkatze (Steigerung), das Löwengebrüll und die Warnungen an die Bürger (Höhepunkt), die Pressekonferenz des Bürgermeisters (retardierendes Moment) und das Ergebnis der Kotprobe (Moment der letzten Spannung).
Schlussendlich soll die vermeintliche Löwin aus Kleinmachnow also ein Wildschwein gewesen sein. Und über dieses Wildschwein hat die halbe Welt berichtet – kann man sich nicht besser ausdenken.
Auch wir waren natürlich vor Ort. Um 6.30 Uhr klingelte mein Handy damals mit einem aufgeregten Redakteur am Telefon, der mir die Geschichte einer Löwin in der Nähe von Berlin erzählte. Eine Stunde später war er dann vor Ort und berichtete für uns live aus Kleinmachnow. Wollen wir über den Taxipreis von Berlin-Mitte nach Kleinmachnow sprechen? Lieber nicht. Aber es hat sich rentiert. Das Löwenschwein war bei unseren Lesern mit Abstand am beliebtesten.
Und ob es tatsächlich ein Wildschwein war? Bleibt offen. Damit bleibt zumindest Raum für eine mögliche Fortsetzung dieses Sommer-Klassikers. Der Sommerloch-Oscar für das Jahr 2023 geht aber definitiv nach Kleinmachnow.
Die Akte Lindemann
Während die vermeintliche Löwin nur wenige Tage für Aufruhr sorgte, beherrschte Till Lindemann mehrere Wochen das Geschehen in den Medien. Die Vorwürfe von sexuellen Übergriffen während der Rammstein-Konzerte sowie die Behauptung, er habe eine "Row Zero" professionell mit jungen Frauen besetzt, standen dabei im Mittelpunkt. Lindemann hat diese Vorwürfe stets bestritten.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen Till Lindemann am 29. August eingestellt. Es konnten keine Belege für ein strafbares Verhalten gefunden werden. Hier lesen Sie die Details zu der Entscheidung. Damit handelt es sich bei dem Sänger der Band Rammstein weder offiziell um einen Tatverdächtigen noch um einen Beschuldigten.
Ich selbst war im Juli beruflich auf einem Berlin-Konzert von Rammstein in Berlin. Mein Eindruck: Viele Fans gingen maximal unreflektiert an die Sache heran. Sich mit den Vorwürfen auseinandersetzen? Sich eine eigene Meinung darüber bilden? Fehlanzeige. Ob man als Gesellschaft so weiterkommt? Fraglich. Aber hey, Hauptsache, die Pyroshow war geil.
Der Problembezirk Neukölln
Apropos Pyro: Die gab es auch vor ziemlich genau einem Jahr in Neukölln – ein unrühmlicher Tag für den Berliner Bezirk. Kein Stadtteil ist in Deutschland wohl mittlerweile bekannter als Neukölln.
Silvesterkrawalle, Schwimmbad-Pöbeleien, Israel-Hasser – wenn es um gescheiterte Integration geht, wird der Berliner Problembezirk gerne als mahnendes Beispiel vorgehalten. Dass eine solche Verteufelung aber genau der falsche Ansatz ist, bleibt vielen verborgen.
Natürlich gibt es in Neukölln viele Probleme. Aber Neukölln ist auch nicht der schlimmste Ort der Welt, zu dem ihm die politische Rechte gerne stilisieren würde. Anstatt mit dem Finger auf die teilweise gescheiterte Integration zu zeigen, wie wäre es stattdessen damit, die Probleme bei der Wurzel zu packen und zu bekämpfen?
Es sollte mehr Geld in Sport- und Freizeitangebote gesteckt werden. Und der komplizierte Nahostkonflikt sollte verpflichtend im Geschichtsunterricht behandelt werden. Sicher nicht der Heilige Gral, um alle Probleme zu lösen. Aber zumindest ein Ansatz. Und damit schon mehr als so mancher Politiker bislang präsentiert hat.
Nervige Klimakleber
Unzählige Blockaden und fast tägliches Verkehrschaos auf den Straßen Berlins. Dazu noch Farbattacken auf geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor oder die Weltzeituhr am Alexanderplatz. Liebe Klimakleber, ihr habt viele Bürger in diesem Jahr ziemlich genervt.
Dabei ist der Grundgedanke absolut richtig. Man kann dem Klimaschutz nicht genug Aufmerksamkeit entgegenbringen. Und ja, alle Menschen in Deutschland sollten mehr dafür tun, die gesetzten Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen. Aber so, wie es die "Letzte Generation" macht, wird es nicht funktionieren. Das, was sie macht, konterkariert alles, was sie eigentlich erreichen möchte.
Der Kampf für den Klimaschutz sollte für alle Menschen in Deutschland existenziell sein. Jetzt sollte die "Letzte Generation" nur noch lernen, dieses überlebenswichtige Unterfangen auch richtig an die breite Masse zu kommunizieren. Dieses Unterfangen mag ein sehr schmaler Grat sein – aber wenn es sich dafür nicht lohnt zu kämpfen, wofür dann?
Verpasster Marketing-Coup
2024 verspricht viel – vor allem sportlich. Die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land steht im Sommer bevor. Schreibt Deutschland in Berlin ein neues Sommermärchen?
Das offizielle EM-Maskottchen heißt übrigens Albärt – und ist ein Teddybär. Die Bekanntgabe erfolgte wenige Tage vor der Entdeckung des "Löwenschweins" in Berlin. Schade eigentlich, da ist der Uefa ein echter Markting-Coup durch die Lappen gegangen.
Liebe Leserinnen und Leser, was bleibt, ist Ihnen für Ihre Treue in diesem Jahr zu danken. Mögen sich Ihre Vorsätze und Wünsche erfüllen. Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut ins neue Jahr.
- Eigene Beobachtungen