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Lindemann-Verfahren wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt: Was das bedeutet


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Verfahren gegen Lindemann eingestellt
Diese Formulierungen der Ermittler lassen aufhorchen


29.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Till Lindemann (Archivbild): Er war am Sonntag im Kitkat.Vergrößern des Bildes
Till Lindemann: Die Ermittlungsverfahren gegen ihn wurden eingestellt. (Quelle: Gonzales Photo/Sebastian Dammark/imago-images-bilder)
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Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt die Ermittlungen gegen Till Lindemann ein. Ein Beweis für seine Unschuld ist das nicht, wie die offizielle Begründung zeigt.

Wochenlang überschlugen sich die Meldungen in der "Causa Lindemann". Gegen den Frontsänger der Band Rammstein wurden schwere Vorwürfe erhoben. Von sexuellem Missbrauch, dem Einsatz von Betäubungsmitteln und Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen war die Rede. Der Rockstar ließ alle Anschuldigungen dieser Art über seine Anwälte als "ausnahmslos unwahr" zurückweisen – und wehrte sich juristisch gegen die Berichterstattung.

Eine Konzertbesucherin namens Shelby Lynn hatte die Sache gegen Lindemann ins Rollen gebracht. Sie hatte am 22. Mai dieses Jahres den Tourauftakt von Rammstein erlebt und anschließend berichtet, hinter den Kulissen der Show an den 60-jährigen Musiker herangeführt worden zu sein. Dort sollte es zu Sex kommen, doch sie lehnte ab. Allerdings veröffentlichte sie Bilder von Blessuren, konnte sich eigene Gedächtnislücken nicht mehr erklären – und rief damit andere Frauen und Medien auf den Plan, die in der Folge konkrete Vorwürfe gegen Till Lindemann erhoben.

Erst Vilnius, jetzt Berlin: Verfahren werden eingestellt

In Deutschland waren teils detaillierte bis verstörende Berichte in der "Süddeutschen Zeitung" sowie der "Welt" zu lesen, später brachte auch der "Spiegel" eine ausführliche Geschichte über Lindemann und sein angebliches Fehlverhalten. Doch bis auf Shelby Lynn blieben die restlichen Zeuginnen anonym. Ein in Litauen eröffnetes Ermittlungsverfahren wurde schließlich im Juni wegen fehlender Beweise eingestellt.

Nur in Berlin liefen die Ermittlungen gegen Lindemann weiter. Die Staatsanwaltschaft hatte dies "aufgrund von Anzeigen Dritter" eröffnet – mehr dazu lesen Sie hier. Öffentlich wurde dabei die Vorladung der YouTuberin Kayla Shyx als Zeugin im Verfahren, die zuvor in einem viel beachteten Video von ihren Erfahrungen bei einem Rammstein-Konzert in Berlin berichtet hatte. Doch jetzt steht fest: Auch dieses Verfahren wird nicht fortgeführt.

"Die Auswertung der verfügbaren Beweismittel [...] hat keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Beschuldigte gegen deren Willen sexuelle Handlungen an Frauen vorgenommen, diesen willensbeeinflussende oder -ausschaltende Substanzen verabreicht oder gegenüber minderjährigen Sexualpartnerinnen ein Machtgefälle ausgenutzt hat, um diese zum Geschlechtsverkehr zu bewegen", schreibt die Berliner Staatsanwaltschaft am Dienstag in einer Pressemitteilung.

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t-online hat zu dem Lindemann-Verfahren eine erfahrene, auf Sexualstrafrecht spezialisierte Anwältin befragt. Diese ordnet ein: "Eine Anklage erfordert stets einen hinreichenden Tatverdacht. Die Staatsanwaltschaft muss also mit über 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Beschuldigte im gerichtlichen Verfahren verurteilt werden wird. Diese Prognose kann sie auf alle ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel stützen", so Rechtsanwältin Galina Rolnik. Dies ist in dem Fall Lindemann offenbar nicht erfolgt. Die Beweislage war der Staatsanwaltschaft zu dünn, eine Anklage kam nicht in Betracht.

Kayla Shyx' Aussagen werden als "zu unkonkret" bezeichnet

Einen Grund dafür gibt die Staatsanwaltschaft nun selbst in ihrer Mitteilung an. "Mutmaßliche Geschädigte haben sich bislang nicht an die Strafverfolgungsbehörden gewandt, sondern ausschließlich – auch nach Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens – an Journalistinnen und Journalisten, die sich ihrerseits auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben." Deshalb sei es der Behörde nicht möglich gewesen, "etwaige Tatvorwürfe ausreichend zu konkretisieren". Auch die "Glaubwürdigkeit der mutmaßlichen Geschädigten" sei auf diese Art nicht überprüfbar gewesen.

Die Influencerin Kayla Shyx findet ebenfalls Erwähnung. Ihre Aussagen seien der Staatsanwaltschaft "zu unkonkret" geblieben. Shyx habe zudem "kein eigenes Erleben strafrechtlich relevanter Vorfälle schildern" können. "Die von ihr geschilderten Umstände stellten entweder Rückschlüsse aus Beobachtungen dar oder sind ihr von anderen geschildert worden."

Dies scheint der entscheidende Punkt in der Sache zu sein: Strafbare Handlungen konnten nicht nachgewiesen werden. Das sogenannte "Row Zero"-System, bei dem unter anderem die selbsternannte Tourmanagerin Alena Makeeva eine Schlüsselrolle spielte, ist davon nicht betroffen. Frauen hatten unter anderem auch bei t-online beschrieben, wie sie für Sex mit Lindemann an den Rockstar herangeführt wurden. Doch ob es hinter verschlossenen Türen zu einvernehmlichem Sex oder zu Übergriffen kam, konnte durch das Berliner Ermittlungsverfahren nicht aufgeklärt werden. Es galt und gilt die Unschuldsvermutung.

Gegen eben jene Makeeva, die jahrelang mit Lindemann auch bei seinen Solotourneen unterwegs war, wird nun ebenfalls nicht mehr ermittelt: "Gegen die Tourmanagerin war aufgrund von Medienberichten wegen des vermeintlichen Zuführens junger Frauen bei Konzerten in den Backstagebereich Anzeige erstattet worden. Insoweit haben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben. Das gegen sie geführte Verfahren wurde daher in gleicher Weise eingestellt." Dies bedeutet nicht, dass die Russin keine Frauen vermittelt hat. Es zeigt eben nur, dass der Staatsanwaltschaft keine ausreichenden Hinweise für eine Straftat in diesem Zusammenhang vorlagen.

Ermittlungen in Sexualstrafsachen können Jahre dauern

In Berlin hatte man außerdem versucht, die Erkenntnisse der litauischen Polizei für die eigenen Ermittlungen zu verwenden. Ein offenbar ebenfalls ergebnisloses Unterfangen: "Der Staatsanwaltschaft Berlin lagen Unterlagen der litauischen Behörden vor. Diese wurden ausgewertet. Auch hier ergaben sich keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für Sexualstraftaten durch den Beschuldigten."

Nach aktuellen Erkenntnissen werden demnach keine Verfahren mehr gegen Till Lindemann geführt. Seine Anwälte feiern die Entscheidung entsprechend wie einen Sieg. "Die rasche Einstellung des gegen meinen Mandanten geführten Ermittlungsverfahrens belegt, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Beweise bzw. Indizien zutage gefördert haben, um meinen Mandanten wegen der Begehung von Sexualstraftaten anklagen zu können. An den Anschuldigungen war schlichtweg nichts dran", teilte Lindemanns Anwalt Björn Gercke zur Verkündung mit.

Tatsächlich ist die Einstellung des Verfahrens schneller erfolgt als erwartet. So sagte die Anwältin Galina Rolnik nach der Eröffnung des Verfahrens zu t-online: "Üblicherweise nehmen die Ermittlungen in Sexualstrafsachen mehrere Monate bis Jahre in Anspruch, weshalb eine Anklage in nächster Zeit nicht zu erwarten ist." Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft begannen am 7. Juni. Nicht einmal drei Monate später gehen sie nun zu den Akten.

Verwendete Quellen
  • Pressemitteilung der Berliner Staatsanwaltschaft
  • twitter.com: Profil von @schertzbergmann
  • Anfrage an Anwältin Galina Rolnik
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