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80 Jahre Wannseekonferenz der Nazis: Der Holocaust war längst im Gange


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80 Jahre Wannseekonferenz
Als die Nazis tagten, hatte das Morden längst begonnen

Von Marc von Lüpke

Aktualisiert am 20.01.2022Lesedauer: 5 Min.
Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich 1938 (r.): Heydrich als Chef des Reichssicherheitshauptamtes war 1942 der einflussreichste Teilnehmer der Wannseekonferenz.Vergrößern des Bildes
Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich 1938 (r.): Heydrich als Chef des Reichssicherheitshauptamtes war 1942 der einflussreichste Teilnehmer der Wannseekonferenz. (Quelle: Scherl - Süddeutsche Zeitung/ullstein-bild)

15 Männer organisierten vor 80 Jahren die Ermordung von Millionen Juden. Unter den Bürokraten des Massenmords gebärdete sich ein Mann besonders radikal. Der Holocaust war derweil längst im Gange.

Es war ein prachtvoller Ort, an dem am 20. Januar 1942 Grauenhaftes besprochen wurde. "Am Großen Wannsee 56/58" lautet die Adresse der Berliner Fabrikantenvilla aus dem Jahr 1915, die 1942 einem ganz anderen Zweck diente: als Gästehaus der SS.

So war es auch einer der wichtigsten und gefürchtetsten Männer des nationalsozialistischen Staates, der zu dieser später als Wannseekonferenz bekannt gewordenen Besprechung in die Villa gebeten hatte: Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer und Leiter des Reichsicherheitshauptamtes (RSHA), dem unter anderem die Geheime Staatspolizei (Gestapo) unterstand.

Ein gefürchteter Mann

Weit entfernt wurde Heydrich allerdings noch ganz anders tituliert. In der Hauptstadt Tschechiens nannten die Menschen den SS-Führer "Henker von Prag", weil Heydrich dort in der Funktion als Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren für seine Gnadenlosigkeit bekannt war.

Am 20. Januar 1942 begrüßte Heydrich nun seine 14 Gäste am Wannsee, allesamt SS-Führer, Parteifunktionäre und hohe Beamte aus Ministerien. Männer wie Wilhelm Stuckart aus dem Reichsinnenministerium, Otto Hofmann vom SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, Karl Eberhard Schöngarth, seines Zeichens Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes im besetzten Polen, dem sogenannten Generalgouvernement.

Ebenfalls anwesend war Roland Freisler, der später als Präsident des Volksgerichtshofs der furchtbarste unter den vielen furchtbaren Juristen des "Dritten Reiches" werden sollte. Damals war Freisler allerdings noch Staatssekretär im Reichsjustizministerium. Nicht zu vergessen, auch Heinrich Müller, Chef der Gestapo, nahm an der Wannseekonferenz teil.

Mitgebracht hatte er seinen Untergebenen Adolf Eichmann, der das Referat IV D 4 im Amt IV des RSHA leitete. Es war auch bekannt als "Judenreferat" und avancierte zu einer zentralen Institution des Holocaust, der Ermordung der europäischen Juden.

"Muss so oder so Schluss gemacht werden"

Und genau diesem Zweck diente die Wannseekonferenz. Wie auch dem mörderischen Ehrgeiz Reinhard Heydrichs. Gleich zu Beginn informierte der 38-Jährige die Versammelten darüber, dass Herrmann Göring ihn "mit der Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage" betraut habe, wie der Historiker Robert Gerwarth in seiner Biographie über Heydrich schreibt.

"Vorbereitung"? Tatsächlich war die Ermordung der Juden bereits im Gange:

  • Im August 1941 brachten Männer eines deutschen Polizei-Bataillons und eines "Sonderaktionsstabes" etwa 23.000 Juden bei der ukrainischen Stadt Kamenez-Podolsk um.
  • Einen Monat später organisierte das Sonderkommando 4a der SS-Einsatzgruppe C die Ermordung von 33.000 Juden beim Massaker von Babyn Jar in Kiew.
  • Seit Anfang Dezember 1941 wurden Juden in Chełmno im Generalgouvernement in Lkws durch Abgase getötet, wie der Historiker Peter Longerich in seinem Buch "Wannseekonferenz. Der Weg zur 'Endlösung'" schreibt.
  • Rudolf Lange, Anfang 1942 Teilnehmer der Wannseekonferenz, hatte Wochen zuvor im lettischen Riga Tausende Juden erschießen lassen.

Insgesamt waren bei diesen und anderen Mordtaten zum Zeitpunkt der Wannseekonferenz bereits Zigtausende Juden umgebracht worden. Aus seiner Feindschaft ihnen gegenüber hatte Adolf Hitler wenig Hehl gemacht. "Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muss die notwendige Folge sein", äußerte sich der "Führer" nach einem Tagebucheintrag von Joseph Goebbels am 12. Dezember 1941 entsprechend.

"Umweg zum Tod"

"Wenn er [der Jude], dabei kaputtgeht, da kann ich nicht helfen", schwadronierte Hitler dann am 25. Januar 1942, kurz nach der Wannseekonferenz. "Ich sehe nur eines: die absolute Ausrottung, wenn sie nicht freiwillig gehen." Gleichsam sprach Hans Frank, Hitlers Statthalter im besetzten Polen: "Mit den Juden – das will ich Ihnen auch ganz offen sagen – muss so oder so Schluss gemacht werden."

Somit war die Wannseekonferenz weniger der Auftakt des Holocaust, sondern eine Aussprache unter seinen Vollstreckern. Beziehungsweise von Vertretern der Instanzen, die ihn auf organisatorischer Ebene vorantrieben. "Die Tötung zumindest aller arbeitsunfähigen Juden im deutschen Machtbereich" war, wie der Historiker Ulrich Herbert zusammenfasst, beim "RSHA, bei den Umsiedlungsexperten und den deutschen Besatzungsbehörden schon seit Längerem für unvermeidlich" gehalten worden.

Wie aber sollten die grauenhaften Pläne zur Auslöschung der Juden umgesetzt werden? Heydrich hatte dazu seine Vorstellungen: "Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen." Konkret stellte sich Heydrich vor, dass die Juden dort Straßen bauen sollten. "Wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird", so der RSHA-Chef. Als "Umweg zum Tod" beschreibt Ulrich Herbert diesen geplanten "Arbeitseinsatz". Die Überlebenden wiederum müssten später "entsprechend behandelt" werden, so die SS-Pläne.

Um die unfassbare Dimension des von Heydrich und seinen 14 Gästen auf der Wannseekonferenz besprochenen Menschheitsverbrechens deutlich zu machen: Rund elf Millionen Juden gedachte der RSHA-Chef dieses grausame Schicksal zu. Eine Dimension des Massenmordes, die selbst der zynische Heydrich erst nach Kriegsende für komplett realisierbar hielt.

In einem Punkt setzte sich Heydrich nicht durch

Josef Bühler, Emissär von Hans Frank aus dem Generalgouvernement, machte am 20. Januar 1942 allerdings noch einen Vorschlag: "Dass das Generalgouvernement es begrüßen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde". Einem Gebiet, in dem "die Juden dort nur zu einem geringen Teil arbeitsfähig" wären.

Was können diese Worte bedeutet haben? Es war der Wunsch nach dem Bau weiterer Vernichtungslager, wie Robert Gerwarth vermutet. Das Lager in Belzec war zu diesem Zeitpunkt seit Wochen im Aufbau, im März 1942 sollte es den regulären "Mordbetrieb" aufnehmen. Weitere folgten. So etwa Treblinka und Sobibor. Auschwitz spielte eine besondere Rolle in den Planungen der SS, es war Konzentrations- und Vernichtungslager zugleich.

Eine andere Gruppe von Menschen sollte darüber hinaus ebenfalls noch Thema der Wannseekonferenz werden. Und zwar die "Halbjuden" wie auch Juden in "Mischehen" im Deutschen Reich. Sollten sie ebenfalls in das Deportationsprogramm einbezogen werden? In ihrem rassistischen Weltbild hatten die Nationalsozialisten eine perverse Kategorisierung ersonnen. So gab es etwa die Einteilung in "Mischlinge 1. Grades" und solche "2. Grades". Von diesen Menschen ging angeblich die Gefahr "rassischer Verunreinigung" aus, entsprechend wollte Heydrich diese "beseitigen".

In dieser Frage allerdings konnte sich der Chef des RSHA nicht durchsetzen. Das Reichsinnenministerium fürchtete den Aufwand in Sachen Verwaltung.

Ehrung von Heinrich Himmler

Reinhard Heydrich war trotzdem zufrieden mit den Ergebnissen der Wannseekonferenz, schließlich hatte er sich mit seinen zentralen Anliegen durchgesetzt. Auch wenn die Wannseekonferenz in ihrer "historischen Bedeutung [...] für die Geschichte des Holocaust überschätzt worden ist", wie Robert Gerwarth schreibt, so ist sie doch schockierender Ausdruck des Fanatismus der Nationalsozialisten.

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Fast sechs Millionen Juden sollte das nationalsozialistische Deutschland ermorden, bis der Krieg in Europa am 8. Mai 1945 endete. Reinhard Heydrich war zu diesem Zeitpunkt schon lange tot. Am 27. Mai 1942 wurde der "Henker von Prag" bei einem Attentat schwer verletzt, starb ein paar Tage später. Als "edel, anständig und sauber" pries ihn Heinrich Himmler in seiner Trauerrede.

Thomas Mann, deutscher Literaturnobelpreisträger im Exil, fand passendere Worte für Heydrich: "Wohin dieser Mordknecht kam, floß das Blut in Strömen".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie, München 2011
  • Peter Longerich: Antisemitismus. Eine deutsche Geschichte, München 2021
  • Peter Longerich: Wannseekonferenz. Der Weg zur 'Endlösung', München 2016
  • Nikolaus Wachsmann: KL. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, München 2015
  • Ulrich Herbert: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 2. Auflage München 2017
  • Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz: Protokoll vom 20. Januar 1942
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