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Briefe von Adolf Hitlers Vater: Was enthüllt der Dachbodenfund in Österreich?


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Dachbodenfund in Österreich
Was enthüllen die Briefe von Adolf Hitlers Vater?

Von Marc von Lüpke

22.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Adolf und Alois Hitler (rl.): Wie sehr beeinflusste die Erziehung den späteren Diktator? Diese Frage stellt Historiker Roman Sandgruber in einem neuen Buch (Bildcollage t-online).Vergrößern des Bildes
Adolf und Alois Hitler (r.): Wie sehr beeinflusste die Erziehung den späteren Diktator? Diese Frage stellt Historiker Roman Sandgruber in einem neuen Buch (Bildcollage t-online). (Quelle: glasshouse images/ullstein-bild)
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Adolf Hitler war ein Diktator und ein Massenmörder. Und bislang gaben nur wenige Quellen Aufschluss über seine Kindheit. Doch jetzt nutzte der Historiker Roman Sandgruber einen Fund.

"Heil Hitler!", schmetterten sich die Deutschen seit Errichtung der Nazi-Diktatur unter Adolf Hitler entgegen. Der Gruß hätte aber auch durchaus umständlicher werden können. Denn 1932 sorgte ein Artikel des "Wiener Sonn- und Montagsblatts" für Aufregung. Die Überschrift des Textes lautete: "Hitler heißt Schicklgruber!"

Kurz darauf wurde klar: Das Blatt lag richtig. Tatsächlich hat Adolf Hitler den Nachnamen, unter dem er bekannt und gefürchtet wurde, einem bürokratischen Akt zu verdanken. Denn im Jahr 1876 war aus Alois Schicklgruber, dem späteren Vater des Diktators, durch eine Änderung im Taufbuch Alois Hitler geworden. Sein Sohn war da noch lange nicht geboren.

Ein Dachbodenfund soll Hitler verständlicher machen

Wie stark prägte der 1903 verstorbene Alois Schicklgruber seinen Sohn? Über diese Frage sinnieren Historiker schon lange – wie über Hitlers Kindheit und Jugend insgesamt. Erschwert wird diese Annäherung durch ein gewaltiges Manko: Denn historische Quellen aus dieser Zeit sind Mangelware. 31 neu entdeckte Briefe aus dem 19. Jahrhundert ermöglichen nun aber etwas mehr Einblick in Hitlers Familie.

Bei ihnen handelt es sich um Korrespondenz Alois Hitlers mit dem Straßenmeister Josef Radlegger. Alois Hitler hatte von Radlegger einen Bauernhof in Hafeld in Oberösterreich erworben. Ein derartiges Konvolut ließe das Herz jedes Historikers höher schlagen, in diesem Falle war Roman Sandgruber der Glückliche. Radleggers Urenkelin hatte sie vom Dachboden herunter dem emeritierten Historiker und früheren Leiter des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Johannes Kepler Universität Linz anvertraut. Sie sind eine Grundlage für Sandgrubers neu erschienenes Buch "Hitlers Vater. Wie der Sohn zum Diktator wurde".

Mithilfe der in Kurrentschrift verfassten Briefe kommt die Nachwelt Alois Hitler etwas näher, und damit indirekt auch Adolf. Dass ein Vater Einfluss auf die Entwicklung seines Sohnes hat, ist unstrittig. Wie sehr es im Falle der Hitlers gewesen ist, bedarf aber tatsächlich der Diskussion. Dabei begibt sich Roman Sandgruber auf eine eindrucksvolle Spurensuche.

Sorgsam argumentierend rückt der Historiker manch falsch kolportiertes Bild von Alois Hitler gerade. Unehelich geboren, machte Alois trotzdem eine für diese Zeit beeindruckende Karriere als Zollbeamter. Als Autodidakt, wie es sein Sohn viele Jahre später ihm gleichtun sollte. Die Ablehnung der Wissenschaft, die bemerkenswerte Beratungsresistenz gegenüber Leuten, die es besser wissen, es sind beides Eigenschaften, die sich beim Vater und Sohn Hitler gleichermaßen finden.

Hitlers Vater wollte Bauer werden

Gleichwohl war der Vater keineswegs der tumbe Mann, als der er bisweilen dargestellt wird. Seine Leidenschaft war die Imkerei, nicht nur aus Interesse, sondern weil sie eine profitable Einnahmequelle gewesen ist. Der große Traum des Alois Hitlers war darüber hinaus der eigene Bauernhof, modern bewirtschaftet und geführt. Ein Traum, der sich erfüllen sollte – und wieder zerplatzte.

Ähnlich schwierig, wie es beruflich lief, gestaltete sich das Beziehungsleben des Alois Hitler: Drei Mal schloss er den Bund fürs Leben. Einmal war ihm die Ehefrau um ein Dutzend Lebensjahre voraus, daraufhin heiratete er eine wesentlich jüngere. Von der ersten hatte sich Alois getrennt, er hatte neben ihr ein anderweitiges Liebesleben verfolgt, die zweite starb. Seine letzte und noch jüngere Angetraute, Klara Hitler, sollte dann als Mutter des späteren Despoten die bekannteste werden. Sie war allerdings auch Alois' Großcousine, was die Heiratsformalitäten schwierig machte.

Was aber sagt dieses turbulente Leben des Alois Hitler über seinen Sohn aus? Während der Vater nebenbei ein bewegtes Liebesleben gepflegt hat, ist das Thema Sexualität bei Hitler höchst umstritten. Erst kurz vor seinem Suizid 1945 heiratete er die Langzeitgefährtin Eva Braun. Ob die Beziehung zwischen beiden auch intim gewesen ist? Das ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Als sicher gilt hingegen, dass Alois Hitler seinen Sohn mit Brutalität erzog: "Adolf Hitler war ein vom Vater unterdrücktes und geschlagenes Kind", fasst Sandgruber zusammen. Und zitiert Hitlers Schwester Paula, wonach Adolf "jeden Tag eine richtige Tracht Prügel" vom Vater erhalten habe. War es unter anderem die Trunksucht, die Alois Hitler zu derartigen Mitteln greifen ließ?

Wann wurde Hitler zum Antisemiten?

Sandgruber zweifelt an der These, dass Alois Hitler ein schwerer Alkoholiker gewesen sei. Dafür hat er gute Argumente: Denn der Besuch im Wirthaus diente damals vielen Gästen nicht in erster Linie, sich heillos zu betrinken, sondern dort wurde über Politik und Gesellschaft diskutiert. Themen, zu denen Alois Hitler seine Meinungen hatte.

Gehörte dazu der Hass auf Juden, der einen Kern der menschenverachtenden Weltanschauung Adolf Hitlers später ausmachen sollte? Alois Hitler war wohl kein eingefleischter Antisemit, wenn man Sandgruber folgt, der diese Frage aufgrund des Quellenmangels verständlicherweise nicht abschließend beantworten kann. Wann wurde der Sohn aber zum Judenhasser? An dieser Stelle hat der Historiker weitere Anhaltspunkte aufgetan, die Aufschluss versprechen in Form des Originalmanuskripts der Aufzeichnungen von August Kubizek, eines Jugendfreundes Adolf Hitlers, verfasst im Kriegsjahr 1943.

Demnach könnte Hitler seinen Antisemitismus bereits in Linz entwickelt haben, wo er vor seinem Umzug nach Wien gelebt hatte. An dieser Stelle kritisiert Sandgruber auch prominente Hitler-Experten wie Brigitte Hamann und Ian Kershaw. Und noch eine weitere Korrektur der Geschichte der Hitlers gelingt Roman Sandgruber: So stellte er fest, dass die Familie ein Jahr lang im Ort Urfahr wohnhaft gewesen ist. Für den Lebenslauf des späteren Diktators Hitler aus seiner Sicht wohl ein "Makel", denn der Vermieter war ein wohlhabender Jude aus Linz. Es ist kaum verwunderlich, dass diese Episode im "Dritten Reich" eher verschwiegen wurde.

Ein anderes Thema war ebenfalls im Nationalsozialismus brandgefährlich: Hitlers Vorfahren. Denn Alois Hitler war dereinst unehelich geboren worden, der Vater unbekannt. Für einen Mann wie Adolf Hitler, der von seinen Millionen an Untertanen lupenreine Abstammungsnachweise abforderte, war das eine hochbrisante Angelegenheit. "Von Familiengeschichte habe ich gar keine Ahnung", stellte Adolf Hitler einmal klar. "Auf dem Gebiet bin ich der Allerbeschränkteste." Er wusste, warum.

Roman Sandgrubers Buch ist daher ein weiterer Baustein, um den Werdegang des Sohnes Adolf Hitler zum Diktator ein Stück weit zu verstehen. Doch weil die zugrundeliegenden Briefe vor allem Aufschluss über den Vater geben, bleibt es das auch: ein Baustein.

Verwendete Quellen
  • Roman Sandgruber: Hitlers Vater: Wie der Sohn zum Diktator wurde, Wien und Graz 2021
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