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DDR-Hardliner Günter Schabowski: "Einer der Schlimmsten"


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Betonkopf und Maueröffner
Günter Schabowski: "Einer der Schlimmsten" in der DDR


Aktualisiert am 08.11.2019Lesedauer: 5 Min.
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Bau vor 60 Jahren: Historische Aufnahmen zeigen, wie die Mauer zwischen Ost und West entstand – und schließlich fiel. (Quelle: t-online)
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Günter Schabowski galt als Hardliner in der SED. Ausgerechnet er verhieß dann den DDR-Bürgern am 9. November 1989 in holprigen Worten die Reisefreiheit. Später kritisierte Schabowski das System hart. Ein Porträt.

1988 sorgen Vorfälle an der Erweiterten Oberschule Carl-von-Ossietzky in Berlin-Pankow für Aufsehen in der DDR. Der friedliche Protest einiger Schüler weckt das Interesse der Stasi. Am Ende sorgt der Ost-Berliner SED-Chef Günter Schabowski dafür, dass sie von der Schule fliegen.

Dabei fängt alles ganz harmlos an. Im selbst ernannten Friedensstaat DDR unterschreiben einige angehende Abiturienten ein Poster gegen Militärparaden. Außerdem verspotten sie mit einem ironischen Kommentar zu einem Gedicht die Nationale Volksarmee. Schon längst werden sie zu diesem Zeitpunkt von Spitzeln der Staatssicherheit überwacht. Als sie dann schließlich auch noch Sympathien für die polnische Gewerkschaftsbewegung Solidarność äußern, ist die Schulleitung alarmiert.

Die Vorfälle werden schließlich der Partei gemeldet. Im autoritären DDR-System ist Kritik unerwünscht. Bildungsministerin Margot Honecker kocht vor Wut. Eltern der Schüler bitten wiederum den Parteifunktionär Schabowski zu vermitteln. Doch der macht deutlich, was er von den mutigen Schülern hält. Er weist die Schulleitung an, "eine Atmosphäre zur Ablehnung der Handlungsweise der provozierenden Schüler herauszubilden". Im Klartext: Die Mitschüler sollen dazu gebracht werden, von selbst den Ausschluss ihrer Klassenkameraden zu beschließen. Schließlich werden die Klassenverbände gezwungen, über den Verbleib ihrer Mitschüler abzustimmen. Vor versammelter Mannschaft inszeniert die Schulleitung dann den Verweis der Protestler. Das Votum der Schulkameraden gibt der Sanktion eine Art pseudodemokratischen Anstrich.

Vom Hitlerjungen zum Parteistudium in Moskau

Nur ein Jahr später leitet dann ausgerechnet derselbe Schabowski auf der weltberühmten Pressekonferenz am 9. November 1989 den Mauerfall ein. Nach der Wende zeigt er später als einziger hoher Funktionär des SED-Staats öffentlich Reue. Dabei war der am 4. Januar 1929 im pommerschen Anklam geborene Schabowski lange ein ergebener Parteisoldat.

Von Anfang an begegnet er straffer politischer Organisation. Kurz nach Schabowskis viertem Geburtstag übernehmen die Nazis die Macht. Als Jugendlicher ist er Hitlerjunge, bringt es zum Scharführer. Kurz nach Kriegsende macht er im zerstörten Berlin sein Abitur.

Schabowski fasst neue Gedanken. Erst tritt er der kommunistischen Gewerkschaftsbewegung und dann der SED bei. Politische Konformität wird im Arbeiter- und Bauernstaat von jedem verlangt. Doch Schabowski will mehr – er macht Karriere.

Vom Redakteur einer Gewerkschaftszeitung steigt er zum Chefredakteur des Parteiorgans "Neues Deutschland" auf. Auf dem Weg dahin wird ihm eine besondere Ehre zuteil: ein Parteistudium in Moskau.

Christa Wolf hatte Angst vor Schabowski

Für die SED ist ein Journalist, wer "mit journalistischen Mitteln an der Leitung ideologischer Prozesse teilnimmt". Die Medien unterliegen strenger Zensur, haben keine Kontrollfunktion, sondern erfüllen Propagandazwecke.

Günter Schabowski versteht sein Handwerk und agitiert wortgewaltig. In der DDR zählen die zahlreichen, hinter vorgehaltener Hand erzählten politischen Witze zu den wenigen Möglichkeiten der Kritik. Schabowski wird – wegen seiner Linientreue und seines berüchtigten Hangs zum Jähzorn – als "Schah Bowski" verspottet.

Mit 56 Jahren wird er 1985 nach dem Sturz eines Widersachers zum Berliner SED-Chef. Mit seiner Ernennung zum Sekretär des Zentralkomitees untersteht er Erich Honecker persönlich. Spätestens ab jetzt ist er in alle politischen Entscheidungen des Regimes eingeweiht. Und Schabowski steht hinter der repressiven Honecker-Politik.

Die Schriftstellerin Christa Wolf, selbst SED-Parteimitglied, berichtet: "Ich erinnere mich an einen der wenigen Auftritte Schabowskis im Schriftstellerverband. Vor dem hatte man Angst."

Vergebliche Versuche des Machterhalts

Trotzdem versteht Günter Schabowski früh, dass die DDR-Führung nicht in der Lage ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Die Massenausreise über die Prager Botschaft der Bundesrepublik und die ungarische Grenze, der Straßenprotest von Oppositionellen oder Gorbatschows Reformen: "Statt auf die Probleme der SED zu sprechen zu kommen, beschrieb er angestrengt und mit rotem Kopf die Leistungsfähigkeit der DDR", erinnert sich Schabowski 2004 an eine Honecker-Rede anlässlich des 40. DDR-Geburtstags am 7. Oktober 1989.

Deshalb zettelt Schabowski etwas später gemeinsam mit Kollegen wie Egon Krenz eine Art Revolte im Politbüro an. Honecker muss eine von Schabowski aufgesetzte Rücktrittserklärung unterschreiben. Kleine Reformen sollen das protestierende Volk beruhigen. Auf der größten nicht staatlich gelenkten Demonstration der DDR-Geschichte am 4. November stellt sich Schabowski sogar als Redner zur Verfügung. Er fühlt sich wie ein Erneuerer.

Ironischerweise steht Schabowski jetzt auf derselben Rednerliste wie Christa Wolf. Er erinnert sich: "Die Pfiffe, die Buhrufe, die mir entgegenschlugen, das Meer von Transparenten mit frechen, witzigen Parolen, die die stolpernde SED-Macht verhöhnten und 'flächendeckend' das Blickfeld ausfüllten, das war die Szenerie, die ich an jenem denkwürdigen 4. November 1989 auf dem Alex wahrnahm."

Trotz der Ablehnung glaubt er weiter, die Partei sei unverzichtbar: "Wir bleiben die Vorhut, die die Menge braucht, die sich selbst nicht begreift."

Ein symbolischer Gedanke für die Arroganz der untergehenden Parteiführung. Bis zum Ende seiner Ansprache wird Schabowski ausgepfiffen. Für ihn kein Problem: "Ich fühlte mich nicht schlecht. Ich hatte 'Präsenz' bewiesen."

Der 9. November ändert alles

Sich zu stellen, war Schabowski wichtig – und diese Eigenschaft spielte auch beim Mauerfall eine Rolle. Als das Politbüro als letzten Strohhalm am 9. November 1989 die Lockerung der Reisegesetze beschließt, fehlt Schabowski. Er diskutiert vor dem Gebäude mit Journalisten.

Später am Tag verkündet er dann bei der Regierungspressekonferenz diese Änderungen. Von der von Krenz geforderten Sperrfrist bis zum 10. November weiß er nichts. So setzt Schabowski mit seinem weltberühmten Gestotter die Ereignisse des Abends in Gang und verhindert, dass sich die Grenztruppen an den Übergängen bis zum nächsten Tag vorbereiten können.

Mit 20 Jahren Abstand sagt Schabowski dem "Tagesspiegel" 2009: "Der 9. November 1989 ist für mich ein Tag, auf den ich mit Genugtuung und auch mit einem gewissen Stolz zurückschaue." Das unterscheidet ihn von vielen seiner ehemaligen Parteimitstreiter.

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Schabowski bittet um Verzeihung

Schabowski beginnt schnell, grundsätzliche Kritik am Sozialismus zu äußern. Mit dem Mauerfall ist für ihn eins klar: "Die Frage nach der Lebenstauglichkeit einer sozialistischen Ideologie- und Zwangsgesellschaft hatte sich beantwortet."

Ab 1993 muss er sich bei den Politbüro-Prozessen wegen Totschlags gerichtlich verantworten. Während einer Verhandlung bittet er die Angehörigen der Mauertoten um Verzeihung. Das Schicksal der Flüchtlinge berührt ihn: "Als einstiger Anhänger und Protagonist dieser Weltanschauung empfinde ich Schuld und Schmach bei dem Gedanken an die an der Mauer Getöteten."

Schabowski wird 1997 zu drei Jahren Haft verurteilt, allerdings schon nach einem Jahr vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen begnadigt.



Danach tritt er besonders durch seine harsche Kritik an der Linkspartei in Erscheinung, der er vorwirft, nichts aus dem Scheitern der Vorgängerpartei gelernt zu haben.

Es wird einsam um Schabowski. Nur seine Frau Irina, eine ehemalige TV-Journalistin, und seine beiden Söhne geben ihm Rückhalt. Für die alten Mitstreiter um Krenz und Hans Modrow ist er längst ein Verräter.

Seine Frau kämpft um das Andenken des Maueröffners. Zum Beispiel, als das Bonner Haus der Geschichte für 25.000 Euro den berühmten Zettel von der Pressekonferenz erwirbt. Dabei handele es sich um den kaltblütigen Verkauf einer gestohlenen Sache. Die Schabowskis hatten den Zettel nach der Wende Bekannten geliehen und ihn nie zurückbekommen.


Schabowski selbst ist in seinen letzten Jahren schwer krank. Ihn quält unter anderem Demenz. 2015 stirbt er im Alter von 86 Jahren. An den 9. November 1989 konnte sich Günter Schabowski nicht mehr erinnern.

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