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Schlacht von Stalingrad: Kapitulation vor 75 Jahren


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Die Schlacht von Stalingrad
"Drum haltet aus, der Führer haut uns raus!"


Aktualisiert am 29.01.2018Lesedauer: 10 Min.
Stalingrad 1943: Nach härtesten Kämpfen ergaben sich die Soldaten der 6. Armee am 31. Januar und 2. Februar.Vergrößern des Bildes
Stalingrad 1943: Nach härtesten Kämpfen ergaben sich die Soldaten der 6. Armee am 31. Januar und 2. Februar. (Quelle: ullstein bild)

Hunger, Kälte, Tod: Vor rund 75 Jahren kapitulierte die deutsche 6. Armee in Stalingrad. Monatelang kämpften und starben die Soldaten in der umzingelten Stadt. Bis zuletzt hofften viele Landser, dass Adolf Hitler sie retten würde. Vergeblich.

Die Katastrophe beginnt am 19. November 1942. In der Nacht sind sowjetische Pioniere ausgeschwärmt und haben Wege durch die Minenfelder geräumt. Um 5.20 Uhr erhalten die Artilleristen der Roten Armee dann den Angriffsbefehl. Aus mehr als 3.000 Mörsern und Geschützen eröffnen sie das Feuer auf die feindlichen Linien. So heftig ist der Beschuss, dass noch gut 50 Kilometer entfernt deutsche Offiziere aus ihren Betten fallen. "Der Boden zitterte und wankte", erinnerte sich Major Winrich Behr später.

Jahrelang war die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg von Sieg zu Sieg geeilt. Am 22. Juni 1941 überfielen Hitler und die Wehrmacht die Sowjetunion. Der Feldzug sollte schließlich an einer fernen Stadt an der Wolga enden: Stalingrad. Sowjetische Divisionen kesselten die ganze deutsche 6. Armee ein, mehr als 250.000 Soldaten. Zehntausende starben in den nächsten Wochen und Monaten in heftigen Kämpfen, an Hunger, Kälte und Seuchen. Die deutsche Kapitulation in Stalingrad war vor 75 Jahren ein Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg. t-online.de erinnert heute und in den nächsten Tagen an dieses Ereignis: HANS-ERDMANN SCHÖNBECK, ein Stalingrad-Überlebender, erzählt vom Leben und Sterben in der umkämpften Stadt. MILITÄRHISTORIKER SÖNKE NEITZEL erklärt, warum ausgerechnet Stalingrad zu einer entscheidenden Schlacht an der Ostfront wurde. FELDPOSTBRIEFE schildern das Leid und die Hoffnung der eingeschlossenen Soldaten der 6. Armee. SOWJETISCHE DOKUMENTE lassen deutlich werden, wie entschlossen die Rotarmisten ihre Heimat verteidigten. FRIEDRICH PAULUS, Befehlshaber der 6. Armee, ist eine der tragischsten Figuren der Schlacht um Stalingrad. Ein Porträt zeigt, warum der Offizier seine Männer bis zum bitteren Ende weiterkämpfen ließ. Kolumnist GERHARD SPÖRL erklärt, warum es so wichtig ist, dass wir den Zeitzeugen zuhören.

Allerdings gilt der Dauerbeschuss zunächst nicht der deutschen Wehrmacht: Sondern ihren rumänischen Verbündeten, die die nördliche Flanke der deutschen 6. Armee am Fluss Don absichern. Die 6. Armee versucht derweil seit Wochen vergeblich, die Stadt Stalingrad einzunehmen.

Jetzt wehren die unzureichend ausgerüsteten Rumänen in eisiger Kälte Angriffswelle um Angriffswelle der Sowjets ab: Zehntausende Rotarmisten stürmen immer wieder gegen ihre Linien an, unterstützt von zahlreichen Panzern vom Typ T-34. Daneben galoppieren sowjetische Kavalleristen, bewaffnet mit Maschinenpistolen, auf ihren Pferden über das Schlachtfeld. Schließlich erlischt der Widerstand der Rumänen, auch ihre weiter südlich eingesetzten Kameraden werden von anderen sowjetischen Divisionen überrannt.

Mit Wodka begießen drei Tage später die Rotarmisten, die von Norden und Südosten aufeinander getroffen sind, knapp 70 Kilometer westlich von Stalingrad ihren Erfolg. Erstmals, seit Hitler und seine Wehrmacht die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überfallen hatten, kann die Rote Armee mit der "Uranus" genannten Operation einen großen Triumph feiern. Sie hat die 6. Armee vollkommen umzingelt: rund 250.000 deutsche Soldaten mit Teilen der 4. Panzerarmee, dazu zwei rumänische Divisionen, eine Einheit Kroaten und Zehntausende sowjetische "Hilfswillige" der Wehrmacht. "Armee eingeschlossen!", meldet Friedrich Paulus, Befehlshaber der 6. Armee, am 22. November 1942 an die Heeresgruppe B. Der Militärgeistliche Kurt Reuber notiert im Kessel von Stalingrad: "Angst, Furcht, Schrecken".

Knapp drei Monate zuvor hatte Paulus seiner 6. Armee den Angriff auf Stalingrad befohlen. Der Auftrag: Das kriegswichtige Rüstungszentrum ausschalten und die Wolga sperren, über die sich die Sowjetunion mit Öl aus dem Kaukasus versorgt. Und schließlich will Hitler auch einen symbolischen Sieg erringen: Immerhin trägt die Stadt den Namen seines Rivalen Stalin. "Es soll hier kein Stein auf dem anderen bleiben", fasst Reichspropagandaminister Joseph Goebbels die deutschen Pläne zusammen.

Video | Stalingrad-Überlebender: "Wir waren verraten und verloren"
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Quelle: t-online

Mit rund 300.000 Mann ist die 6. Armee zu diesem Zeitpunkt einer der stärksten Verbände der sieggewohnten Wehrmacht. Und trotzdem zu schwach, um Stalingrad im Handstreich einnehmen zu können, wie es Hitler von Paulus fordert. Der General hatte von Anfang an Bedenken gegen die Pläne des Führers. Und sollte am Ende recht behalten. "Der Kampf um Stalingrad verläuft sehr zäh", erklärt Paulus am 7. Oktober 1942. Eine Untertreibung.

Am 23. August 1942 flog die Luftwaffe einen ersten verheerenden Angriff auf die Stadt. "Achtung, Genossen, eine Luftwarnung…", warnten die Behörden die rund 600.000 Einwohner Stalingrads. Hunderte Heinkel-111-Bomber und Sturzkampfbomber vom Typ Junkers 88 warfen an diesem Tag rund 1.000 Tonnen Bomben über der Stadt ab. Nicht nur auf militärische Ziele, sondern "auf alles", wie der Autor Antony Beevor einen Zeitzeugen zitiert. Zahlreiche tote Zivilisten sind die Folge, bevor die 6. Armee überhaupt die Stadtgrenze erreicht.

Als die deutschen Luftflotten von der Stadt ablassen, ist Stalingrad ein Trümmerfeld. Die Arbeiterquartiere sind zerbombt, eine kilometerhohe Rauchsäule aus den brennenden Öltanks am Ufer des Wolgastroms weist den heranmarschierenden Deutschen den Weg. Nur knapp 40.000 Rotarmisten stehen zu diesem Zeitpunkt zur Verteidigung bereit. Diese sind allerdings wild entschlossen. "Die Stadt muss gehalten werden. Schluss!", erklärt Stalin.

Bereits im vergangenen Juli hatte der sowjetische Diktator seinen Befehl 227 ("Keinen Schritt zurück") erlassen. "Jeden Stützpunkt halten, uns in jeden Meter Sowjeterde krallen", verlangt Stalin von seinen Männern. "Und ihn bis zum letzten Blutstropfen verteidigen." Für die Soldaten der Roten Armee gibt es von da an nur eine Richtung: Vorwärts. Wer zurückweicht oder flieht, den erwartet die Hinrichtung.

Anfang September 1942 erreicht Paulus mit seinen Verbänden schließlich gegen heftigsten Widerstand Stalingrad. Wo die sowjetische 62. Armee unter ihrem Befehlshaber General Wassili Tschuikow, einem gelernten Schlosser, in der Trümmerlandschaft bereitsteht. Der frisch ernannte Tschuikow, der seine Autorität bisweilen durch Faustschläge ins Gesicht seiner Untergebenen unterstreicht, hat sich schnell Respekt verschafft. Einen Offizier, der sich unerlaubt aus dem Gefechtsstand entfernt hatte, erschießt er vor angetretener Truppe. "Wir werden diese Stadt verteidigen", erklärt der General seinen Männern. "Oder wir werden bei diesem Versuch sterben."

Die Rotarmisten aber kämpfen und sterben nicht nur aus Furcht. Viele wollen ihre Heimat gegen die nationalsozialistischen Invasoren verteidigen, andere streben nach Vergeltung für die von den Deutschen begangenen Gräueltaten. Ein Soldat schreibt: "Ich habe die geschändete Heimat gerächt."

Mit Maschinenpistolen und Scharfschützengewehren, Granaten und Messern bekämpfen die Rotarmisten die Deutschen, die seit September ins Innere der lang gezogenen Stadt, am linken Ufer der Wolga, eindringen. Die Gefechte um Stalingrad sind anders als alles, was die Landser bislang erlebt haben. Meter für Meter, Haus für Haus müssen sich die Männer in erbitterten Gefechten freikämpfen. Bisweilen halten die Deutschen den ersten Stock eines Hauses, während sich darüber die Rotarmisten verschanzt haben. Die Herrschaft über das Treppenhaus wird so entscheidend. Oft wechselt ein Häuserblock mehrmals am Tag die Besitzer.

"Rattenkrieg" nennen die Landser diese Art der Kriegsführung. Die Männer wünschen sich eine "ruhige Nacht" statt einer "guten". Nachts durchstreifen sowjetische Trupps die Stadt, mit Messern und anderen lautlosen Waffen lauern sie den Deutschen auf. Gefangene Landser werden als "Zungen" zum Verhör geschleift. Mit Flammenwerfern versuchen die Deutschen, die Sowjets aus den Kellern zu treiben, Scharfschützen nehmen jeden Gegner aufs Korn, der sich zeigt. Allein der legendäre Scharfschütze Wassili Zaizew soll rund 250 Deutsche getötet haben.

"Aus der Ferne schallt das Rattern von MPs herüber, und ab und zu verspürt man den Gluthauch der an allen Ecken und Enden brennenden Stadt", beschreibt ein deutscher Offizier das Leben und Sterben in Stalingrad. Die Verlustraten auf beiden Seiten schnellen in die Höhe. Paulus, ein hochgewachsener Offizier, der mehr Zeit am Kartentisch als an der Front verbracht hat, verzweifelt zunehmend an seiner Aufgabe. Unter Druck beginnt seine linke Gesichtshälfte unkontrolliert zu zucken.

Vor den Verteidigern Stalingrads, in der nationalsozialistischen Ideologie zu "Untermenschen" degradiert, bekommen die Soldaten der 6. Armee Respekt. Das Kaufhaus "Univermag", der Mamajew-Hügel oder die nördlich gelegenen Fabrikgebäude: Keinen Flecken Stalingrads gibt die Rote Armee kampflos auf. "Wie die Hunde Stalingrad verteidigen, könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen", schreibt ein Gefreiter. Ein kleiner Trupp von Rotarmisten verteidigt über mehrere Tage das Getreidesilo der Stadt. Abgeschnitten von den eigenen Linien, ohne Versorgung mit Nahrung und Munition, wehren die Männer Angriff auf Angriff ab. Inmitten derartiger Kämpfe leben einige Tausende Zivilisten weiterhin in der Stadt. Und versuchen, nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Weitab der Front wartet Hitler auf die Nachricht vom Fall Stalingrads. Ende September meldet Paulus, um seinen Führer zufriedenzustellen: "Seit dem 26. September weht die Reichskriegsflagge auf dem Parteigebäude". Tatsächlich wird immer noch heftig gekämpft. Am 8. November 1943 tönt Hitler schließlich anlässlich des Jahrestags seines misslungenen Putschversuchs von 1923: "Ich wollte zur Wolga kommen und zwar an einer bestimmten Stadt. Zufälligerweise trägt sie den Namen Stalins. Dort war ein gigantischer Umschlagplatz, den ich nehmen wollte". Kurze Pause. "Wir haben ihn nämlich." Restlos erobert war die Stadt aber auch zu diesem Zeitpunkt nicht.

Während in Stalingrad eine deutsche Division nach der anderen verblutet, plant die Rote Armee längst die Vernichtung der 6. Armee. Seit Wochen führt sie heimlich frische Divisionen heran: Infanterie und Artillerie, Panzer und Kampfflugzeuge. Die sowjetischen Generäle rund um Marschall Georgi Schukow wissen, dass die deutschen Frontlinien dünn sind, die Nachschubwege am Rande der Leistungsfähigkeit.

"Die Tage, die hinter uns liegen, waren grauenvoll. Eine Beschreibung zu geben, ist mir nicht möglich."

Am Morgen des 19. November 1942 geht die Rote Armee schließlich zum Angriff auf die 6. Armee und ihre rumänischen Verbündeten über. Wenig später stecken die Deutschen in der Falle, die Sowjets haben sie völlig überrascht. Panisch wirft Paulus seine Panzerverbände Richtung Westen. Zu langsam, zu spät. Treibstoff ist mittlerweile Mangelware. "Es war das erste Mal, dass die Russen Panzer in der Weise einsetzten, wie wir es zu tun pflegten", erkennt ein deutscher Offizier die Leistung der Gegner an.

"Wir sind umzingelt", schreibt der Sanitäter Paul Gerhardt Möller am 24. November 1942 nach Hause. "Die Tage, die hinter uns liegen, waren grauenvoll. Eine Beschreibung zu geben, ist mir nicht möglich." Sein Befehlshaber Paulus erbittet von Hitler eindringlich "Handlungsfreiheit": Der General will aus dem etwas mehr als 1.500 Quadratkilometer großen Kessel, bestehend aus Stalingrad und karger Donsteppe, ausbrechen.

Hitler aber bleibt stur. "Jetzige Wolga-Front [...] unter allen Umständen halten", ergeht der Befehl an die 6. Armee. Eine "Festung" soll Stalingrad nun sein. "Paulus, depressiv und von der Ruhr geplagt, nimmt Zuflucht in Durchhalteparolen an seine Soldaten: "Drum haltet aus, der Führer haut uns raus!"

Bis dahin soll die Luftwaffe die nun auf rund 250.000 Mann zusammengeschmolzene Truppe versorgen. Reichsluftmarschall Hermann Göring, berüchtigt dafür, mehr zu versprechen, als er halten kann, sagt der 6. Armee gegen den Rat seiner Offiziere eine Luftbrücke zu. 500 Tonnen Lebensmittel, Munition, Kleidung, Ersatzteile und Treibstoff brauchen die Eingeschlossenen täglich. Diese Menge können die Piloten, die unter feindlichen Flakbeschuss immer wieder in den Kessel rein- und rausfliegen, an keinem einzigen Tag liefern.

Im Kessel leiden die Soldaten, bereits vor der Umkreisung sind die Rationen gekürzt worden. Der Winter zieht heran: Eisige Winde fegen über die Steppe, der Boden friert bei Minusgraden mit bis zu 40 Grad Celsius zu. Dazu immer wieder das sowjetische Trommelfeuer aus den "Stalin-Orgeln": Raketenwerfern, deren infernalisches Zischen die Nerven der Landser zermürbt. Wer nicht in Stalingrad selbst eingesetzt ist, vegetiert in der Steppe. Sie ist durchzogen von kleinen Schluchten, balkas genannt. Dort graben sich die Deutschen Erdlöcher, in denen sie Schutz vor der Kälte suchen. Läuse plagen die Männer, scherzhaft nennen sie sie "kleine Partisanen".

Ein Witzbold dichtet in Anlehnung an den Gassenhauer "Lili Marleen": "Unter der Laterne in dem kleinen Haus, sitze ich des Abends und suche eine Laus…"

Erfrierungen, Typhus, Ruhr und Mangelkrankheiten drangsalieren die Soldaten der 6. Armee. Im Dezember sterben die ersten Männer an Hunger. Pferde, Hunde und Katzen sind da schon lange geschlachtet; alles was irgendwie brennbar ist, wird verfeuert. In dieser Atmosphäre beginnen einige Landser zu fantasieren. Manche berichten von deutschen Luftlandedivisionen, die bald über der Stadt abgeworfen würden. Andere wollen Hitler persönlich im Kessel von Stalingrad gesehen haben.

Die Rotarmisten schnüren den Ring hingegen immer enger. Sie werfen Flugblätter über den deutschen Stellungen ab, die die Landser zum Aufgeben bewegen sollen. Aus Lautsprechern schallt das Lied "In der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehen!" von den sowjetischen Linien herüber.

Eine Hoffnung bleibt Paulus. Am 12. Dezember 1942 startet das "Unternehmen Wintergewitter". Von außerhalb des Kessels will sich Generaloberst Hermann Hoth zu den Eingeschlossenen durchkämpfen. Die Reihen der Roten Armee halten allerdings stand. So wird Weihnachten 1942 für die Soldaten der 6. Armee zum Trauerfest. "Als wir zu Beginn einige Weihnachtslieder sangen, gingen mir doch die Nerven durch und ich hätte so losheulen können", schreibt der Gefreite Max Breuer in einem Feldpostbrief.

Hitler hat die 6. Armee zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschrieben. Sie soll lediglich durchhalten, bis der Heeresgruppe A der Rückzug aus dem südlich gelegenen Kaukasus gelungen ist. "Ihnen und Ihrer tapferen Armee übermittle ich, auch im Namen des ganzen deutschen Volkes, die herzlichsten Neujahrsgrüße", funkt der "Führer" zu Silvester an Paulus. Flugplatz für Flugplatz geht derweil an die Sowjets verloren, auf den verbliebenen Flugfeldern hält die Feldpolizei die wartende Menge mit Maschinenpistolen zurück – aus Angst, die Männer würden die Flugzeuge stürmen. Jeder will raus. Aber selbst Verwundete mit leichten Verletzungen haben keine Chance, per Flieger zu entkommen.

Am 8. Januar 1943 bietet der sowjetische General Konstantin Rokossowski der 6. Armee schließlich eine ehrenvolle Kapitulation an. Hitler untersagt die Aufgabe kategorisch. Paulus, selbst bereits in Apathie verfallen, teilt seinen Soldaten mit: "Für uns geht es um eins: Kämpfen bis zur letzten Patrone."

Die Rote Armee bläst daraufhin erneut zum Angriff. Granate für Granate schlägt in den deutschen Stellungen ein, der Kessel schrumpft immer weiter zusammen. In den Kellern Stalingrads vegetieren mehr als 40.000 Verwundete. Verbandsmaterial und Medikamente sind da schon seit Langem Mangelware, Ärzte amputieren Gliedmaßen im Akkord. Selbst die noch kampffähigen Soldaten sind nur noch Schatten ihrer selbst. Müde, abgemagert, halb erfroren. Der Untergang der 6. Armee ist nur noch eine Frage von Tagen, seit Kurzem ist die Truppe in einen Nord- und einen Südkessel gespalten.

Am 30. Januar 1943 ernennt Hitler Paulus zum Generalfeldmarschall. Eine kaum subtile Aufforderung zum Selbstmord, weil sich seit den Befreiungskriegen gegen den Franzosenherrscher Napoleon Bonaparte kein deutsch-preußischer Feldmarschall mehr ergeben hatte. Zum ersten Mal regt sich Paulus' Trotz: "Wegen dieses böhmischen Gefreiten schieße ich mir doch keine Kugel in den Kopf!" Weiter reicht sein Widerstand allerdings nicht. Am 31. Januar 1943 kapituliert Paulus in seinem letzten Hauptquartier, dem Kaufhaus Univermag, lediglich als Privatperson.

Gleichwohl enden an diesem Tag auch die Gefechte im Südkessel. Der nördliche Kessel unter General Karl Strecker gibt erst am 2. Februar 1943 auf. Rund 110.000 überlebende Soldaten gehen in Gefangenschaft. Nicht einmal 6.000 von ihnen werden nach jahrelanger sowjetischer Gefangenschaft schließlich in die Bundesrepublik zurückkehren. Schätzungen zufolge sind rund 500.000 Soldaten der Roten Armee in der Schlacht gefallen.

Zum Zeitpunkt der deutschen Kapitulation in Stalingrad plant Hitler bereits den Aufbau einer neuen 6. Armee. Das Oberkommando der Wehrmacht fasst das Schicksal der Männer der ersten Formation dieses Namens in nationalsozialistischer Pathetik zusammen: "Sie starben, damit Deutschland lebe."

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Zum Weiterlesen: Antony Beevor: Stalingrad, München 1999 | Jens Ebert (Hrsg.): Feldpostbriefe aus Stalingrad. November 1942 bis Januar 1943, Göttingen 2003 | Jochen Hellbeck: Die Stalingrad-Protokolle. Sowjetische Zeitzeugen berichten aus der Schlacht, Frankfurt/Main 2013 | Torsten Diedrich: Paulus. Das Trauma von Stalingrad, 2. Auflage, Paderborn 2009 | Torsten Diedrich; Jens Ebert (Hrsg.): Nach Stalingrad. Walther von Seydlitz’ Feldpostbriefe und Kriegsgefangenenpost 1939–1955, Göttingen 2018 | Wolfram Wette; Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, 7. Auflage, Frankfurt/Main 2012




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