Massendeportationen ukrainischer Kinder Zehntausende Kinder verschleppt: Putins Krieg kennt keine Grenzen

Im Ukraine-Krieg offenbart sich ein düsterer Nebenschauplatz: die systematische Deportation von Kindern. Ziel ist es, ihnen eine russische Identität aufzuzwingen.
Es ist ein erschütternder Nebenschauplatz des Krieges, der seit über drei Jahren in der Ukraine tobt. Neben dem Bestreben des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sich mit aller Macht ukrainische Gebiete und deren Rohstoffe einzuverleiben, verfolgte der Kreml von Anfang an ein perfides Ziel: die massenhafte Deportation ukrainischer Kinder. Zunächst betraf dies vor allem Kinder aus Waisenhäusern, später zunehmend auch Minderjährige aus Familien. Sie werden nach Russland gebracht, wo man sie als Teil einer "neuen russischen Generation" integrieren will.
Noch vor Kriegsbeginn im Februar 2022 deckten ukrainische Menschenrechtsaktivisten erste Hinweise auf diese Pläne auf. In den folgenden Jahren entwickelte sich daraus eine systematisch organisierte Deportationskampagne.
Zehntausende Kinder verschleppt
Nach Angaben ukrainischer Organisationen konnten seit Kriegsbeginn rund 20.000 Fälle verifizierter Kinderverschleppungen nach Russland dokumentiert werden. Der Initiative "Bring Kids Back", die sich für die Rückführung der Kinder einsetzt, sind bislang nur etwa 1.200 Fälle bekannt, in denen Kinder zurückgeholt oder befreit werden konnten.
Ein Forschungsteam der US-amerikanischen Yale University geht jedoch davon aus, dass die Dunkelziffer der verschleppten Kinder deutlich höher liegt. Besonders bei Waisenkindern, nach denen niemand sucht oder sich einsetzt, sei eine genaue Erfassung kaum möglich. Die Forschenden schätzen, dass insgesamt rund 35.000 ukrainische Kinder deportiert wurden.
Wegen ihrer zentralen Rolle bei der Durchführung dieser Operation hat der Internationale Strafgerichtshof die russische Präsidialkommissarin für Kinderrechte, Maria Lvova-Belova, wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Sie hatte öffentlich erklärt, Russland habe bis zu 700.000 ukrainische Kinder "akzeptiert". Wie viele Kinder tatsächlich verschleppt wurden, lässt sich nicht genau sagen – das Statement verdeutlicht jedoch das Ausmaß und die Zielrichtung der russischen Kriegspolitik. Nach internationalem Recht gilt die gezielte Deportation und Umerziehung von Kindern mit dem Ziel, ihre nationale Identität auszulöschen, als Kriegsverbrechen – unter Umständen auch als Akt des Völkermords.
Ukrainische Kinder in Umerziehungslagern
Die Forschungsgruppe der Yale University dokumentierte mindestens 43 Lager in Russland, in denen ukrainische Kinder untergebracht wurden – 32 davon mit dem erklärten Ziel der Umerziehung. Dort würden sie mit Kreml-Propaganda indoktriniert und zu körperlich belastenden "militärisch-patriotischen" Trainings gezwungen. Der ehemalige ukrainische Kinderrechtsbeauftragte Mykola Kuleba sprach in diesem Zusammenhang von "Todeslagern für die ukrainische Identität".
Im Anschluss an die Umerziehung werden viele dieser Kinder zur Adoption freigegeben – ein Schritt, der nicht nur ihre Rückkehr unmöglich macht, sondern auch ihre ukrainische Identität auslöscht: Name, Geburtsort und andere personenbezogene Daten werden geändert. Lvova-Belova selbst hat, wie auch andere hochrangige russische Offizielle, bereits ein ukrainisches Kind zwangsadoptiert. In Fällen, in denen Jungen im fortgeschrittenen Alter verschleppt wurden, gibt es zudem Berichte, dass sie nach der Umerziehung an die Front geschickt wurden – um dort womöglich gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen.
- understandingwar.org: "Putin Is Still Stealing Ukrainian Children" (Englisch)