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Nato-Ukraine-Rat: Wolodymyr Selenskyj erhöht den Druck auf den Westen


Fallen die "roten Linien" des Westens?
Selenskyjs Wut ist groß


28.08.2024Lesedauer: 4 Min.
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Wolodymyr Selenskyj spricht auf einer Veranstaltung in Kiew: "Mit Putin kann es keine Kompromisse geben", sagt der ukrainische Präsident. (Quelle: IMAGO/OLEKSANDR KLYMENKO/imago)

Am Mittwoch kommt der Nato-Ukraine-Rat zusammen. Im Vorfeld erhöht Wolodymyr Selenskyj den Druck auf den Westen. Er hat zwei große Anliegen.

Die Wut des ukrainischen Präsidenten ist dieser Tage besonders groß. Erst am vergangenen Samstag hatte die Ukraine den 33. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit gefeiert. Zwei Tage später befahl Kremlchef Wladimir Putin dann die wohl schwersten Luftangriffe auf die Ukraine seit Kriegsbeginn. Auch am Dienstag setzte Russland die Angriffe fort. Mindestens elf Menschen sind dabei gestorben. Dazu zerstörte oder beschädigte die russische Luftwaffe erneut kritische Energieinfrastruktur in mehreren Regionen der Ukraine.

Wolodymyr Selenskyj wandte sich infolgedessen an seine Unterstützer in der Nato und bat um ein Treffen des Nato-Ukraine-Rats. Am heutigen Mittwoch beraten sich Botschafter der Mitgliedsstaaten mit Vertretern der Ukraine, unter anderem wird Kiews Verteidigungsminister Rustem Umerow zugeschaltet. Dabei soll es um die Situation auf dem Schlachtfeld sowie die militärischen Bedürfnisse der Ukraine gehen.

Aus Sicht Kiews sind die Bedürfnisse klar: Ihre Truppen brauchen mehr und schlagkräftigere Waffen von ihren Unterstützern. Zudem fordert die ukrainische Führung seit Monaten die Erlaubnis, ohne Einschränkungen mit westlichen Waffen Ziele in Russland angreifen zu dürfen. Die Unterstützer in der Nato aber zögern und verweisen immer wieder direkt oder indirekt auf die "roten Linien" Russlands. Putin droht immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen, sollte Russland in seiner Existenz bedroht werden.

Angesichts dessen scheint Selenskyj langsam die Geduld zu verlieren. Mit seinen jüngsten Aussagen will er den Druck auf die Nato erhöhen. Denn ihm läuft die Zeit davon.

Video | Diese Taktik verfolgt Putin jetzt in der Ukraine
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Quelle: t-online

Selenskyj will Plan für Kriegsende vorlegen

Gleich mehrfach machte der ukrainische Präsident dieser Tage auf sich aufmerksam. Zuletzt kündigte Selenskyj am Dienstag an, dem US-Präsidenten Joe Biden einen Plan für ein Ende des Kriegs vorlegen zu wollen. "Der wichtigste Punkt dieses Plans ist es, Russland zu einem Ende des Kriegs zu zwingen", sagte Selenskyj. Details nannte er nicht.

Möglicherweise bringt Selenskyj den Plan zur UN-Generalversammlung am 22. und 23. September in New York mit, in deren Rahmen er Biden treffen könnte. Auch die Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump sollen über den Plan informiert werden.

Selenskyjs Ansicht nach wird der Krieg mit einem Dialog enden, der derzeit jedoch "leer und sinnlos" sei. "Mit Putin kann es keine Kompromisse geben", sagte Selenskyj, denn der russische Präsident beabsichtige gegenwärtig nicht, den Krieg auf diplomatischem Wege zu beenden. Stattdessen beanspruche er 30 Prozent der Ukraine für sich. "Und da werden wir mit ihm nicht mitspielen", betonte Selenskyj. Bei Friedensverhandlungen müsse die Ukraine in "einer starken Position" sein, erklärte er.

Zudem kritisierte Selenskyj die westlichen "roten Linien", die Furcht vor einer Eskalation vonseiten Russlands, sollte Kiew Ziele im russischen Hinterland angreifen. "Sie wollen nicht darüber reden, und ich erwähne es immer wieder", scherzte Selenskyj laut dem "Kyiv Independent" am Dienstag auf einer Veranstaltung in Kiew. "Die Olympischen Spiele sind vorbei, aber Tischtennis geht weiter." Vom Nato-Ukraine-Rat erhofft sich der ukrainische Präsident wohl die Befähigung zu einem Matchball im Krieg gegen Russland.

"Wir werden zweifellos auf diese und alle anderen Angriffe antworten"

Dass Selenskyj zunehmend die Geduld verliert, zeigt sich ebenfalls an seiner Reaktion auf die massiven Luftschläge Russlands am Montag und Dienstag. "Wir werden Russland zweifellos auf diese und alle anderen Angriffe antworten. Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungestraft bleiben", schrieb Selenskyj am Dienstag auf X. Bereits am Montag hatte er Russland mit Vergeltung gedroht und dabei auf die vom Westen gelieferten F-16-Kampfjets verwiesen.

Doch die F-16 darf die Ukraine bisher nicht für Angriffe auf Ziele in Russland verwenden. Stattdessen beschränkt sich die ukrainische Luftwaffe beim Einsatz der Jets auf den Schutz des Luftraums. Damit erfüllen sie angesichts des Mangels an Flugabwehrsystemen in der Ukraine eine wichtige Aufgabe: Auch am Montag und Dienstag halfen sie bei der Abwehr von russischen Drohnen und Raketen.

"Natürlich ist das nicht genug, wir haben nicht viele davon und wir müssen immer noch Piloten trainieren", erklärte Selenskyj am Dienstag. Bisher haben Belgien, Dänemark, die Niederlande und Norwegen der Ukraine insgesamt 79 der Jets zugesagt. Zehn von ihnen soll die Ukraine Berichten zufolge bereits erhalten haben.

Die Einschränkungen des Westens

Angesichts der Einschränkungen beim Einsatz westlicher Waffen versucht die Ukraine nun zunehmend ebenfalls, sich selbst zu helfen. Noch fehlt es den Streitkräften vor allem an weitreichenden Waffen, die sie auf Ziele in Russland abfeuern darf. Bisher hat die Ukraine lediglich die Erlaubnis zum Einsatz von westlicher Artillerie sowie der US-amerikanischen Himars-Mehrfachraketenwerfer, ausgerüstet mit präzisionsgelenkten Raketen des Typs GMLRS.

Video | Ukraine greift russische Behelfsbrücken an
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Quelle: t-online

Diese haben eine Reichweite von rund 80 Kilometern, werden jedoch auch häufig zum Ziel der elektronischen Kriegsführung Russlands, wie Sie hier nachlesen können. Eine höhere Reichweite von bis zu 300 Kilometern und geringere Anfälligkeit für russische Störversuche hätten die US-Raketen des Typs ATACMS oder die britisch-französischen Marschflugkörper Storm Shadow/Scalp-EP, über die die Ukraine bereits verfügt, die sie aber nicht gegen Ziele in Russland einsetzen darf. Sollte Kiew die Erlaubnis im Zuge des Nato-Ukraine-Rats erhalten, gerieten Russlands Militärbasen im Hinterland massiv unter Druck.

Ukraine stellt neue Waffen vor

Kiew hat nun zwei Waffensysteme aus heimischer Produktion vorgestellt, mit denen möglicherweise weiterreichende Schläge auf russischem Boden ausgeführt werden könnten. Zum einen ist da der auf den Namen Paljanyzja getaufte Hybrid aus Rakete und Drohne: Mit dieser Waffe sollen laut Selenskyj etwa Flugplätze in Russland angegriffen werden können. Zudem hat die Ukraine nach Angaben des Präsidenten kürzlich erfolgreich eine eigene ballistische Rakete getestet.

Details nannte Selenskyj nicht, besonders die Reichweite der beiden Waffensysteme ist bisher nicht bekannt. Dass Kiew zwei neue Waffensysteme präsentiert, unterstreicht jedoch Selenskyj mehrfach angedeuteten Plan, sein Land zu einem der weltweit größten Waffenproduzenten zu machen.

Bereits in den vergangenen Monaten hatte die Ukraine Flugfelder und andere militärische Ziele sowie die Öl-Infrastruktur Russlands vor allem mit Drohnen ins Visier genommen. Dabei gelangen Kiews Luftwaffe teils verheerende Schläge, wie etwa Mitte August gegen russische Militärflugplätze oder wenige Tage später gegen ein Treibstofflager in Südrussland. Doch Drohnen sind verhältnismäßig leicht abzufangen und haben eine eingeschränkte Durchschlagskraft. Westliche Waffen könnten dieses Problem der Ukrainer lindern.

Verwendete Quellen
  • wsj.com: "Ukraine Deploys F-16s Against Russian Barrage but Says It Needs More" (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und Reuters
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