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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz neuer Gewehre Soldaten hielten Befehl zum Angriff auf Kursk für Witz
Die ukrainische Militärführung hielt die Planung für die Kursk-Offensive lange geheim. Dabei waren sie so erfolgreich, dass selbst die eigenen Soldaten die Befehle zunächst nicht ernst nahmen.
Die ukrainische Militärführung hat den Angriff auf die russische Region Kursk von langer Hand geplant – und genau diese Planungen streng geheim gehalten. Diese geheime Planung führt dazu, dass selbst die eigenen Soldaten nicht daran glaubten, auf russischen Boden vorzustoßen, wie "The Economist" berichtet.
Einige Soldaten sollen den bevorstehenden Angriff erst erahnt haben, als sie Anfang August neue Sturmgewehre erhielten und Übungen an Attrappen durchführten. Sie erklärten dem "Economist", sie hätten erst nach einiger Zeit bemerkt, dass die Attrappen russische Dörfer darstellen sollten.
Oberbefehlshaber: Geheimhaltung war elementar wichtig
"Wir haben gelacht", sagt ein Soldat namens Serhiy über die Pläne: "Wir scherzten, dass heute doch nicht der 1. April ist." Ihr Kommandant habe die Reaktion der Soldaten belächelt. "Er wusste, dass wir keine Ahnung hatten, was uns erwartet", so Serhiy.
Der Oberbefehlshaber des ukrainischen Militärs, Oleksandr Syrskyj, betonte die Bedeutung der Geheimhaltung für den Erfolg der Operation. Die Fähigkeit, die Invasionspläne bis zum letzten Moment zu verbergen, hätte dazu geführt, dass die russischen Truppen vollständig überrascht wurden.
Selenskyj: Offensive ist ein großer Erfolg
Selenskyj bezeichnete die Offensive am Montag bei einem Auftritt vor ukrainischen Diplomaten und Beamten als großen Erfolg. Vor ein paar Monaten hätte dies niemand für möglich gehalten. Kritiker hätten allein Gedankenspiele dieser Art als Überschreiten der "rotesten aller roten Linien Russlands" abgelehnt. Darum seien die Vorbereitungen auch im Geheimen getroffen worden.
Der jetzige Erfolg zeige aber deutlich, Wladimir "Putins Unfähigkeit, sein Territorium zu schützen" vor solchen Gegenangriffen. Zudem habe er auch zu einem Umdenken bei den westlichen Partnern geführt, meinte Selenskyj, der von seinen Diplomaten weiter ein aktives Einwerben von Waffenhilfe forderte. Laut ukrainischen Angaben hat die Ukraine ein Gebiet von 1.250 Quadratkilometern eingenommen.
Die Angaben von Selenskyj zu den Gebietsgewinnen gehen über die meisten bisherigen Schätzungen von Militärbeobachtern hinaus. So hatte vor wenigen Tagen das unabhängige Internetportal Meduza auf Grundlage von Foto- und Videomaterialien im umkämpften Gebiet Kursk die Geländegewinne auf 862 Quadratkilometer geschätzt. Allerdings räumen die meisten Experten selbst die Ungenauigkeit ihrer Schätzungen ein, da es wenig Bildmaterial gibt. Vor allem die ukrainischen Streitkräfte veröffentlichen sehr wenig, um ihren Vormarsch nicht zu gefährden.