Friedensgipfel in der Schweiz "Putin ist in Panik"
Beim Friedensgipfel ist der Wunsch nach einem Ende des Krieges in der Ukraine groß. Und es zeigt sich, dass man doch mit Russland reden muss.
Alle sprachen über Russland – doch ein Vertreter des Kremls fehlt beim Friedensgipfel in der Schweiz. Teilnehmer aus 90 Staaten suchen nach Wegen für einen Frieden in der Ukraine, und es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es ganz ohne Putin wohl nicht geht. So sprachen sich mehrere Teilnehmer – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz – zum Auftakt am Samstagabend dafür aus, den Aggressor bei einem künftigen Treffen an dem Prozess zu beteiligen.
"Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen", sagte Scholz bei der Konferenz auf einem Bergrücken über dem Vierwaldstättersee. Er machte aber gleichzeitig deutlich, was aus seiner Sicht die Bedingungen für Frieden sind: "Russland könnte diesen Krieg heute oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt beenden, wenn es seine Angriffe einstellt und seine Truppen aus der Ukraine abzieht."
Rutte: Putin ist in Panik
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte unmittelbar vor dem Gipfel seinerseits Bedingungen für Friedensverhandlungen aufgestellt, darunter den vollständigen Verzicht der Ukraine auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim – etwas mehr als ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte nannte die Putin-Vorschläge vor dem Treffen "absolut verrückt", sie seien ein Zeichen, dass der russische Präsident "in Panik" sei. Rutte zeigte sich aber optimistisch, dass der Kremldiktator einschwenken wird. "Ich denke, er wird kommen, er muss kommen", sagte Rutte über mögliche weitere Konferenzen.
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US-Vizepräsidentin Kamala Harris wies Putins zuletzt aufgestellte Forderungen für einen Frieden als abwegig zurück. "Wir müssen die Wahrheit sagen. Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf", sagte sie an die Adresse Putins und sicherte der Ukraine anhaltende Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zu. "Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist."
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte der Ukraine die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zu. Alle müssen zusammenarbeiten, "um die Ukraine bei ihrem Streben nach Frieden zu unterstützen", sagte sie laut Redemanuskript. "Auf diese Weise öffnen wir den Weg, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, dass ein Friedensschluss nicht "die ukrainische Kapitulation" bedeuten dürfe.
Selenskyj: Der Diplomatie eine Chance geben
Die Initiative für den Gipfel ging von der Schweizer Regierung und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus. "Wir haben es geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben", sagte Selenskyj vor der Eröffnung des Gipfels.
Bis Sonntag soll über erste Schritte in Richtung Frieden beraten werden. Auch wird es um die Sicherheit des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja und die Absage an den Einsatz von Atomwaffen gehen. Außerdem soll über den gerade für den sogenannten globalen Süden wichtigen Getreideexport der Ukraine über das Schwarze Meer und Gefangenenaustausch gesprochen werden.
Biden reist lieber zu einer Wahlkampfveranstaltung
Die Schweizer Gastgeber hatten sich monatelang darum bemüht, möglichst viele Staaten zur Teilnahme an dem Gipfel zu bewegen. 160 wurden eingeladen, mehr als 90 sagten zu und sind zu einem großen Teil mit Staats- und Regierungschefs vertreten. Scholz (SPD) reiste direkt vom G7-Gipfel in Süditalien in die Schweiz. US-Präsident Joe Biden klinkte sich dagegen zugunsten eines Termins zum Sammeln von Wahlkampfspenden in Los Angeles aus und lässt sich nun von seiner Stellvertreterin Harris vertreten.
Russland-Freunde sind skeptisch
Auch wenn sie Russland nicht einluden, bemühten sich die Schweizer Gastgeber darum, möglichst viele mit Russland befreundete Länder mit an den Tisch zu bekommen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Mit China sagte der wichtigste Verbündete Russlands ganz ab. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der indische Ministerpräsident Narendra Modi nahmen zwar die lange Reise nach Europa auf sich, um am Freitag am G7-Gipfel teilzunehmen, die gleich daran anschließende Schweizer Konferenz schenkten sie sich aber.
Brasilien ist nun nur als Beobachter dabei, Indien schickte laut Teilnehmerliste nur einen Staatssekretär aus dem Außenministerium. Für Südafrika ist der nationale Sicherheitsberater vor Ort.
Nächste Konferenz in Saudi-Arabien?
Der hochrangigste Vertreter aus den Ländern, die trotz des Angriffskriegs immer noch mit Russland befreundet sind, ist nun Saudi-Arabiens Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud. Sein Land gilt als möglicher Ausrichter einer Nachfolgekonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen könnte. Es ist aber noch völlig unklar, wann die Zeit reif dafür ist. "Wir sind da noch weit weg von", sagte Scholz vor Beginn des Gipfels. Der Friedensprozess sei ein zartes Pflänzchen, das jetzt gegossen werden müsse. "Aber wir wollen, dass der Garten blüht und gedeiht."
Die Schweizer Ausrichter des Treffens hoffen, dass eine weiterführende Konferenz noch in diesem Jahr beschlossen wird. "Als internationale Gemeinschaft können wir dazu beitragen, das Terrain für direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien vorzubereiten", sagte Präsidentin Viola Amherd.
Letzte Friedensbemühungen liegen zwei Jahre zurück
Ernsthafte Bemühungen um eine Friedenslösung gab es zwischen Russland und der Ukraine bisher nur kurz nach der Invasion 2022. Vor der Schweizer Konferenz veröffentlichte die US-Zeitung "New York Times" die damaligen Vertragsentwürfe. Putin hatte am Freitag versucht, sie als unterschriftsreife Vereinbarung darzustellen.
Den Dokumenten nach war die Ukraine damals bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten und blockfrei zu bleiben. Die Frage der von Russland annektierten Halbinsel Krim sollte vertagt werden. Moskau versuchte aber, die von Kiew erhofften Sicherheitsgarantien anderer Länder wie der USA auszuhebeln. Wie die "New York Times" berichtete, sind in den vergangenen Monaten schon mehrere Zeithistoriker zu dem Schluss gekommen, dass beide Seiten 2022 weit von einer Einigung entfernt waren.
- Nachrichtenagentur dpa