"Seid bitte nicht faul" Eine Botschaft, die Nawalny kurz vor seinem Tod schrieb
In einem Appell, den er kurz vor seinem Tod verfasste, fordert Alexej Nawalny seine Anhänger dazu auf, bei den Präsidentschaftswahlen ein Zeichen zu setzen.
Das Team des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny hat eine seiner letzten Botschaften veröffentlicht. Der Artikel, den Nawalny kurz vor seinem Tod in einem russischen Gefängnis verfasst hatte, handelt von den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland. Er habe seine Mitstreiter gebeten, den Beitrag kurz vor der Wahl zu veröffentlichen, heißt es auf Nawalnys Website.
In diesem Appell fordert Nawalny die Russen dazu auf, am 17. März um Punkt 12 Uhr ihre Stimme einem beliebigen Kandidaten zu geben – mit Ausnahme von Kremlherrscher Wladimir Putin. Er empfiehlt seinen Anhängern, die App "Foton-2024" zu nutzen – ein Zufallsgenerator, der denen helfen soll, die unsicher sind, für wen sie stimmen sollen.
Neben Putin treten noch drei weitere Politiker an, die als Duma-Abgeordnete voll auf Kremllinie liegen und teils auch den Amtsinhaber direkt unterstützen. Sie gelten als chancenlos. Bewerber, die sich gegen Putins Angriffskrieg aussprachen, wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen.
Im Artikel schreibt Nawalny: "Je nach Ihrem Weltbild können Sie davon ausgehen, dass der Gott, die Natur, das Chaos, der Kosmos, der Zufall oder die Walross-Mutter die Entscheidung für Sie getroffen hat". Die Referenz zur "Walross-Mutter" bezieht sich auf eine Gottheit des fernöstlichen Tschuktschen-Volkes.
Nawalny: "Ihr leidet, und mir geht es gut"
Nawalny nimmt zudem Bezug auf die aktuelle politische Situation in Russland und betont ironisch: "Ihr leidet, und mir geht es gut. Ich habe dieses Problem nicht – Häftlinge dürfen nicht wählen". Damit spielt er auf die Tatsache an, dass keine Putin- oder Kriegsgegner zur Wahl zugelassen wurden.
Sein Ziel war es laut eigenen Angaben, eine Diskussion über den idealen Kandidaten zu vermeiden und stattdessen ein Zeichen gegen Putins fünfte Amtszeit zu setzen: "Sie werden beweisen, wie viele es in Russland gibt, die Putin nicht für eine fünfte Amtszeit wollen. Seid bitte nicht faul. Kommt mittags zu den Standorten", schreibt er.
Julia Nawalnaja: "Putin ist nicht gleich Russland"
Nawalnys Team appelliert seit Wochen an die Menschen, am kommenden Sonntag um 12 Uhr in den Wahllokalen für einen anderen Kandidaten als Putin zu wählen. In einem Video-Aufruf betonte auch Julia Nawalnaja, Nawalnys Witwe: "Wir müssen den Wahltag nutzen, um zu zeigen, dass wir hier sind und dass wir viele sind".
Leonid Wolkow, ein Vertrauter Nawalnys, der am Dienstag in seinem Exil in Litauen bei einem Überfall mit einem Hammer verprügelt und schwer verletzt wurde, teilte in einem Video mit: "Die Aktion soll zeigen, dass Putin nicht gleichbedeutend mit Russland ist". Es sei zwar nicht möglich, in Russland durch Wahlen einen Machtwechsel herbeizuführen, weil das Ergebnis manipuliert werde, sagte Wolkow. Aber es könne einiges getan werden, um den Machtapparat in Stress zu versetzen.
Nawalny starb Ende Februar in einem russischen Straflager unter bisher ungeklärten Umständen. Offiziellen russischen Angaben zufolge starb er eines natürlichen Todes. Seine Anhänger sowie zahlreiche westliche Politiker machen jedoch die russische Führung und Präsident Putin für seinen Tod verantwortlich.
Die Abstimmung, die als Farce in der Kritik steht und dem Machterhalt Putins dienen soll, beginnt an diesem Freitag. Die Zahl der Stimmberechtigten in Russland gibt Moskau mit 112 Millionen an – tatsächlich sind darunter aber auch 4,5 Millionen Menschen in den besetzten Teilen der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Die Scheinabstimmungen in den besetzten Gebieten sind völkerrechtswidrig und deshalb international nicht anerkannt. Darüber hinaus sind zwei Millionen Russen wahlberechtigt, die in anderen Ländern leben.
- navalny.com: Решаем проблему, за кого голосовать. Нам поможет Бог. И квантовая физика (Russisch)
- ntv.de: Mitstreiter veröffentlichen Nawalnys letzte Botschaft
- Nachrichtenagentur dpa