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Nato-Ausbilder in die Ukraine senden? Deutsche Politiker: "Brandgefährlich"


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Britischer Vorstoß zur Ukraine
"Das wäre brandgefährlich"


Aktualisiert am 05.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Ein ukrainischer Artillerist in der Nähe von Bachmut: Tausende Ukrainer wurden im Westen für den Abwehrkampf gegen Russland ausgebildet.Vergrößern des Bildes
Ein ukrainischer Artillerist in der Nähe von Bachmut: Tausende Ukrainer wurden im Westen für den Abwehrkampf gegen Russland ausgebildet. (Quelle: Bilent Kilic/getty-images-bilder)

Plant die britische Regierung, Militärausbilder in die Ukraine zu schicken? Deutsche Politiker lehnen den Vorstoß kategorisch ab – mit einer Ausnahme.

Es war eine brisante Ankündigung, die für Aufregung im westlichen Bündnis sorgte: Am Wochenende spielte Großbritanniens neuer Verteidigungsminister Grant Shapps öffentlich mit dem Gedanken, Ausbilder der britischen Armee in die Ukraine zu schicken. Er habe Gespräche mit britischen Militärs geführt, "das Training letztlich näher an und tatsächlich in die Ukraine zu verlegen", so Shapps in einem Interview mit dem "Sunday Telegraph".

Ein Dammbruch? In der Nato sind diese Töne neu. Das westliche Bündnis achtete stets peinlich genau darauf, nicht einmal den Anschein zu erwecken, eigene Truppen in die Ukraine zu schicken. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten findet bisher ausschließlich im Westen statt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) etwa stellte mehrfach klar, keine deutschen Truppen in die Ukraine zu entsenden.

Auch in London brachten Shapps Äußerungen seinen Chef, Premier Rishi Sunak, in Bedrängnis. Sunaks Dementi ließ nicht lange auf sich warten, blieb aber halbherzig: "Es werden keine britischen Soldaten in den aktuellen Konflikt geschickt", stellte der Premier tags darauf klar, fügte aber einen bemerkenswerten Satz hinzu:

Es könne "durchaus möglich sein", dass man "eines Tages in der Zukunft" das Training der ukrainischen Soldaten in der Ukraine absolvieren werde. Mit anderen Worten: Sunak ließ sich eine Hintertür offen.

London als Vorreiter bei der Ukraine-Hilfe

"Das ist das Beunruhigende", so der britische Militärexperte Frank Ledwidge über die Äußerungen des britischen Premiers. Eigene Truppen zu schicken wäre "brandgefährlich" und könnte den Krieg eskalieren lassen, doch Sunak habe die Idee nicht grundsätzlich zurückgewiesen. "Ich denke, er will sich die Optionen offenhalten", glaubt der Militärhistoriker von der University of Portsmouth.

In Russland kam die Botschaft unmissverständlich an. Britische Ausbilder in der Ukraine wären "legitime Ziele" und würden "rücksichtslos vernichtet", polterte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der für seine Drohungen gegen den Westen bekannt ist.

Doch wie seriös ist der Vorschlag tatsächlich? Ledwidge sagt, er sei vermutlich aus einem "überbordenden Aktionismus" eines frisch gebackenen Verteidigungsministers geboren, der noch nach seiner Rolle suche. Zugleich hält er es für denkbar, dass Shapps sowie einige "übereifrige Militärs" damit einen Testballon starten wollten – um zu sehen, wie der Vorstoß in der Öffentlichkeit ankommt.

Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, dass die britische Regierung in Sachen Ukraine-Unterstützung vorprescht und das bisher Undenkbare offen ausspricht. So waren die Briten die Ersten im Nato-Bündnis, die westliche Kampfpanzer ins Kriegsgebiet schickten. Auch bei der Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfjets war London Vorreiter, ebenso bei den Marschflugkörpern, die zuletzt den Russen auf der besetzten Krim zu schaffen machten.

Macht London auch diesmal den Anfang und andere Nato-Staaten könnten folgen?

"Da wäre ich sehr vorsichtig"

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz lehnt den britischen Vorstoß grundsätzlich ab: "Da wäre ich sehr vorsichtig", so Schwarz zu t-online. Bisher sei es auch kein Thema gewesen, dass die Nato Teile ihrer Ausbildung in die Ukraine verlegt. Der Haushaltspolitiker sagt, er sehe auch keinen praktischen Nutzen darin, deutsche Ausbilder in die Ukraine zu schicken. "In Deutschland funktioniert die Ausbildung ukrainischer Soldaten gut."

Im Rahmen der Ausbildungsmission EUMAM (European Union Military Assistance Mission Ukraine) hat Deutschland seit Winter 2022 Tausende ukrainische Soldaten auf deutschem Boden ausgebildet. Die Trainings reichen vom Bedienen deutscher Leopard-Panzer über die Ausbildung an Flugabwehrsystemen bis hin zum infanteristischen Kampf.

Laut dem SPD-Politiker Schwarz soll sich daran auch erst einmal nichts ändern. Vorstellbar sei eine Ausbildung vor Ort in der Ukraine nur, wenn sich mehrere Staaten dazu verpflichten, etwa im Rahmen einer Ausbildungsmission der Nato. "Hier bin ich beim Kanzler: Wichtige Entscheidungen müssen im Bündnis abgestimmt werden. Und das ist in diesem Fall nicht gegeben."

"Im Kampf ums Überleben zählt jede Minute"

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) kann nichts mit dem britischen Vorstoß anfangen. "Diese Frage stellt sich heute wirklich nicht. Der britische Premier ist ja auch entsprechend zurückgerudert." Heute gehe es ausschließlich darum, wie schnell und effektiv Deutschland die Ukraine humanitär und militärisch weiter unterstütze.

"Wenn die Ukraine diesen brutalen russischen Überfall nicht überlebt, haben wir ganz andere Probleme in Europa, als die Frage zu beantworten, wann und wie viele ukrainische Soldaten wo in Zukunft ausgebildet werden." Deutschland müsse der Ukraine "alles liefern, was wir können", dazu gehöre auch der Marschflugkörper Taurus. Im Kampf ums Überleben zähle "jede Minute".

Letzteres könnte allerdings noch eine Weile dauern: Wie "Bild" und die ARD am Mittwochabend berichteten, plane Kanzler Scholz derzeit keine Lieferung der Taurus-Systeme.

"Unausgegoren"

Auch die größte Oppositionsfraktion im Bundestag sieht den Vorschlag aus London kritisch. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), nennt die Idee des britischen Verteidigungsministers "unausgegoren". "Das kommt für uns sicher nicht infrage. Wir schicken keine deutschen Soldaten in die Ukraine." Eine Ausbildung vor Ort durch Nato-Soldaten wäre eine "neue Qualität", die Russland Anlass für eine weitere Eskalation geben könnte.

Er verstehe zwar, dass die Verlegung ukrainischer Soldaten in den Westen und wieder zurück ins Kriegsgebiet "maximal unpraktisch" sei, so Hahn. Zugleich könnten die Ukrainer in Deutschland und anderen Nato-Staaten "unter besten Bedingungen" trainieren, bevor sie zurück in den Kampfeinsatz gehen.

Unkontrollierbare Risiken

Ob die Debatte nun weitergeht oder endet, bevor sie weitere Kreise zieht, muss sich zeigen. Tatsächlich scheint die Idee nicht völlig aus der Welt gegriffen: Laut den im Frühjahr geleakten US-Geheimdokumenten sollen schon jetzt westliche Spezialkräfte auf ukrainischem Boden operieren: Laut einem als "streng geheim" klassifizierten Papier des Pentagons sollen die Briten das größte Kontingent stellen (50), gefolgt von Lettland (17), Frankreich (15), den USA (14) und den Niederlanden (1). Die Zahlen wurden offiziell nie bestätigt.

Der Militärhistoriker Ledwidge hält es für problematisch, dass eine westliche Regierung offenbar absichtlich Raum für Spekulationen lasse. Die Risiken seien "derart hoch und unkontrollierbar", dass London unbedingt alle Zweifel ausräumen müsse. Wer Nato-Ausbilder in die Ukraine schicke, und sei es nur in den Westen des Landes, nehme eine weitere militärische Eskalation Russlands in Kauf.

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Zudem müsse allen, die solche Gedankenspiele anstellen, klar sein, dass westliche Ausbilder in der Ukraine "sofort zur Zielscheibe" würden. Ledwidge erinnert an den Vorfall im September 2022, als ein russischer Kampfjet über dem Schwarzen Meer fast ein britisches Aufklärungsflugzeug abgeschossen hätte. Grund soll ein falsch verstandener Funkspruch gewesen sein. Die Rakete verfehlte damals ihr Ziel.

Der Vorfall zeige vor allem eines, so Ledwidge: "Die Russen haben keine Angst vor Nato-Soldaten."

Verwendete Quellen
  • telegraph.co.uk: "Grant Shapps: ‘Migrants must learn our language to integrate’" (englisch)
  • independent.co.uk: "Leaked Pentagon documents claim elite British special forces are in Ukraine" (englisch)
  • bundesregierung.de: "So bildet die Bundeswehr ukrainische Soldaten aus"
  • bild.de: "Schwerer Scholz-Rückschlag für die Ukraine" (kostenpflichtig)
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